Müll R(h)ein? Müll raus!

Der Rhein ist mit einer Gesamtlänge von 1.232,7 km eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt. Das Quellgebiet des Rheins liegt überwiegend im Schweizer Kanton Graubünde und seine Mündungsarme erreichen in den Niederlanden die Nordsee, für welche der Rhein der wasserreichste Zufluss ist. Vom Schwimmen im Rhein wird abgeraten, jedoch bietet er an seinen Ufern Platz zur Freizeit und Entspannung. Die Verschmutzung des Rheins macht ihn an vielen Orten jedoch kaum zur Entspannung geeignet. Den Höhepunkt seiner Verschmutzung erreichte der Rhein im Jahre 1971. Zu dieser Zeit ergossen viele Industrien ihre Abwässer in den Rhein, somit stieg die Schadstoffbelastung und viele Fisch- und Pflanzenarten konnten unter diesen Umständen nicht standhalten und starben aus. Durch diverse Auflagen konnte dieses Problem jedoch  behoben werden und bereits in den 1980ern war die Schadstoffbelastung deutlich geringer und im Fluss lebten wieder über 30 verschiedene Fischarten. Auch, wenn dies nach einer starken Verbesserung klingt, ist das Müllproblem noch lange nicht behoben. Um das Jahr 1950  wurden 1,5 Millionen Tonnen Plastik weltweit produziert, während es 2015 schon 322 Millionen Tonnen waren. Wolfgang Kuhn, Mitarbeiter der Energieversorgung in Leverkusen gab uns folgende Informationen:  Auch die Belastung durch Mikroplastik im Rhein ist immer noch zu hoch. Von der Quelle in den Alpen fließen jedes Jahr allein im Oberflächenwasser rund acht bis zehn Tonnen Kleinstkunststoffteile Richtung Niederlande in die Nordsee.

Im Rhein lassen sich zehn verschiedene Kunststoffe im Oberflächenwasser nachweisen. Dazu gehören zum Beispiel Polypropylen, welches unter anderem für die Herstellung von Coffee to Go-Bechern samt Deckeln genutzt wird. Starkregen und Hochwasser verstärken das Problem zudem. Durch den Starkregen sind die Becken der Kläranlagen oft voll und das Wasser gelangt ungeklärt in den Rhein, während bei Hochwasser der gesamte Müll von den Ufern noch zusätzlich zum bereits vorhandenen Müll dazu gespült wird. Ein großes Problem sind hier wir selber, denn oft kümmern wir uns nicht um den Müll, den wir nach einem entspannten Abend am Ufer zurücklassen. Genau diesem Problem möchte das Team vom Rhein-Clean-Up entgegenwirken.

Victoria Blocksdorf ist die Organisatorin der Initiative „Rhein-Clean-Up“.  Sie hat sich mit uns getroffen und uns verschiedene Fragen  ausführlich beantwortet. Unter Anderem erzählte sie uns, was wir in unserem Alltag ändern können, um der Umwelt etwas Gutes zu tun. Das Thema beeindruckte uns persönlich sehr und wir halten es für wichtig, dass mehr Menschen ein Bewusstsein für die Umwelt entwickeln, denn unsere Erde gibt es schließlich nur einmal.

Victoria gründete die Organisation vor einem guten Jahr, nachdem sie mit ihrem Mann auf einer Weltreise war. Dabei hatte sie an einem wunderschönen Strand auf Hawaii ein riesiges Netz mit Müll gefunden, welches viel zu groß um es eigenhändig wegzuräumen. Für Victoria war das der Tag, an dem sie sich dazu entschied, für die Umwelt und vor Allem für die Meere zu kämpfen.

Ihr war schnell klar, dass man um aufzuräumen nicht nach Hawaii muss, denn es werden ca. 10 Tonnen Müll pro Jahr – alleine über den Rhein – ins Meer transportiert. Aufgrund dessen hat sie sich dazu entschieden, das erste Clean-Up mit ihrem Mann am Rhein in Düsseldorf zu starten. Mittlerweile finden die Clean-Ups regelmäßig einmal im Monat statt.

Bei einem Clean-Up wird der Müll nicht nur an einer Stelle gesammelt und am nächsten Tag von der Müllabfuhr abgeholt, sondern die Helfer sortieren Plastikdeckel, Kronkorken und Zigarettenstummel separat. Die Begründung dafür ist, dass die Helfer die Plastikdeckel einem Unternehmen spenden, die davon Kinderimpfungen realisieren, denn Plastikdeckel sind ein Rohstoff. Sie bestehen aus nur einer Art von Plastik und haben somit einen gewissen Wert. „Wenn man dann genug Deckel hat, kann man davon eine Kinderimpfung finanzieren. 500 Plastikdeckel sind zum Beispiel ungefähr so viel Wert wie eine Impfung gegen Polio. Mit den Kronkorken ist das genauso.“

Die Erklärung, wieso die Zigarettenstummel getrennt sortiert werden, ist ebenfalls sehr  interessant und plausibel. Zigarettenfilter bestehen nicht aus Naturmaterial, sondern enthalten Mikroplastik, sowie auch alle Giftstoffe, welche eine Zigarette beinhaltet. Beim nächsten Regen wird das ganze Gift aus dem Filter gespült und kann bis zu 40 Liter Wasser vergiften. Das schadet nicht nur unserem Wasser, sondern auch den Lebewesen und Pflanzen, welche in den Gewässern leben. Jedes dritte Teil Müll im Meer ist ein Zigarettenstummel. Es ist also unglaublich, wie viel Wasser wir vor Giftstoffen schützen könnten, wenn wir Zigarettenstummel ordnungsgemäß entsorgen würden. Plastik kann von der Umwelt nicht abgebaut werden! Je kleiner Plastik ist, desto gefährlicher ist es für die Umwelt, denn desto einfacher kann es von Lebewesen absorbiert werden. Die Zigarettenstummel werden also bei einem Clean-Up gesammelt und an einen Unternehmer nach Troisdorf weitergegeben, welcher aus dem Mikroplastik der Filter Taschenaschenbecher produziert.

Wir wollten außerdem von Victoria wissen, wie sie die Organisation und die Clean-Ups  finanziert. In der Düsseldorfer Umgebung haben sich erfreulicherweise viele Sponsoren für ihre Organisation gefunden. Zum Beispiel werden Kaffeesäcke aus einer Rösterei gespendet, die sich optimal für den Müll eignen, da sie vor allem nachhaltig und stabil sind. Außerdem wurden bereits Handschuhe, Müllgreifer usw. gespendet. Victoria geht dazu nicht nur zu den angekündigten Clean-Ups, die sie auf Facebook, Instagram und Co. teilt, sondern geht außerdem in Unternehmen und hält dort Vorträge über plastikfreies Leben und Alternativen. In Zukunft möchte sie diese Schiene weiter ausbauen. „Mich packt das Thema einfach total und ich finde es toll zu sehen, was ich bewegen kann.“ Wichtig ist ihr dabei, die Leute zu sensibilisieren und ein Bewusstsein zu erschaffen.

Bei einem einzigen Clean-Up sammeln Victoria und ihre Helfer zwischen 150-300 kg Müll. Glasscherben werden außen vor gelassen, da sie vor allem für die kleinen Helfer sehr gefährlich sind. Ansonsten wird alles Mögliche eingesammelt und so gut es geht wiederverwertet. Darunter sind Verpackungsgrille, Kronkorken, Zigaretten, leere Flaschen, Schuhe, Matratzen, Textilien, Autoreifen, Einkaufswagen, Motorräder…. „Die Menge an Müll, die wir finden, ist aber immer abhängig davon, wie hoch der Pegel des Wassers ist.“

Die Organisation hat im letzten Jahr große Fortschritte gemacht. Von einer kleinen Initiative aus zwei Leuten, wurde eine regelmäßige Veranstaltung mit bis zu 50 Helfern. Außerdem gewinnt Victoria eine immer besser werdende Reputation, was ihr dabei hilft, von anderen Menschen ernst genommen zu werden und eine größere Reichweite zu erlangen.

Jedoch hat Victoria noch viel größere Ziele, als nur ein gutes Image. Das große Ziel ist nämlich, so viele Menschen wie möglich sensibilisieren zu können und dafür möchte Victoria in Zukunft am liebsten in Schulen gehen und mit den Kindern Clean-Ups veranstalten, Workshops, oder Projektwochen machen. „Mein Ziel ist es, möglichst viele Menschen zu erreichen und so dafür zu sorgen, dass jeder weiß, was er tut und ihnen natürlich auch nah  zu bringen, dass die Verschmutzung nicht nur hier am Rheinufer ein Problem ist, sondern dass es um viel mehr geht und unser ganzes Ökosystem zerstört wird.“

Auch über die vermüllten Flüsse in Asien hat uns Victoria aufgeklärt. Das, was wir in die gelbe Tonne werfen und für recycelbar halten, wird nicht zu 100% recycelt. Der Abfall landet in Sortieranlagen, wo maschinell erkannt wird, was sich für ein Material auf dem Fließband befindet und ob Plastik A,  Plastik B, Plastik C, oder Alu vorhanden ist. Und wenn es dann sortenfrei getrennt ist, dann kann es recycelt werden. Es gibt aber Dinge, wie z.B. Joghurtbecher, die aus zwei Materialien bestehen. Zum einen aus dem Deckel, der aus Alu besteht, und zum anderen aus dem Becher. Das ist aber beides miteinander verbunden. Die Maschine kann dies nicht erkennen und es kommt beides in den Ausschuss. So ist das nicht nur mit Joghurtbechern, sondern auch mit Verpackungen, in die wir anderes Plastik packen. Dies ist auch der Fall mit Einwegbechern, da diese meist aus Pappe und Plastik bestehen. Das bedeutet also, dass der Müll, den unsere Maschinen nicht unterscheiden können, am Ende in Asien landet, da dort ein Teil unseres Mülls sortiert wird. Der Rest wird unter freiem Himmel verbrannt, oder landet in den Flüssen.

Hier noch einige Highlights aus unserem Interview mit Frau Blocksdorf:

Nachdem wir bereits mit Frau Blocksdorf gesprochen und einiges an Einblicken und Informationen erhalten hatten, half ein Teil unseres Teams am 30.06.2019 dann auch bei einem Clean-Up mit. Wie üblich fand das Ganze an einem Wochenende statt, in unserem Fall auf der Niederkasseler Seite der Theodor-Heuss Brücke in Düsseldorf, einem Spot, an dem regelmäßig aufgeräumt wird. Kommuniziert und publiziert wurde das ganze über die Social-Media Kanäle der Organisation. Wie jedes Mal, gab es zu Beginn eine kurze Sicherheitseinweisung, man solle „suspekte Gegenstände“ lieber liegen lassen und unbedingt die zur Verfügung gestellten Handschuhe, Greifzangen etc. nutzen. Dann ging es los, und nachdem auch wir mit Handschuhen, Sammelzange und Müllbeuteln bewaffnet waren, zogen wir – wie alle anderen Teilnehmer – in alle Himmelsrichtungen los. Schon beim Sammeln sollte auf die von Victoria hingewiesene Mülltrennung geachtet werden, so hatten wir von Beginn an verschiedene Tüten, um beispielsweise Zigarettenstummel und Kronkorken vom restlichen Müll zu trennen. Ungefähr zwei Stunden lang wurde dann wie jedes Mal möglichst penibel jedes kleinste Teil Müll das zu finden war gesammelt. Wie sich später zeigte, trägt die Arbeit vor Allem an diesem Ort bereits erste Früchte. Zwar waren es aufgrund der Hitze insgesamt deutlich weniger Teilnehmer als an den meisten anderen Terminen, doch allen Teilnehmenden fiel Eines auf: Es war deutlich weniger Müll auffindbar als sonst. Bis auf zwei direkt zu Beginn gefundene Fahrräder bestand der Großteil des Mülls aus Scherben, Grillresten, sowie einigen Zigarettenstummeln.

Eine kleine weitere Besonderheit hatte der Termin an dem wir teilnahmen dann auch noch. Zwar wurden wie jedes Mal erfrischende Getränke zur Verfügung gestellt, doch am 30.06 wurde im Anschluss außerdem noch das eine oder andere Glas Wein miteinander getrunken, es war also sozusagen ein „Wein-Clean-Up“. So konnten im Anschluss an das durch die Hitze doch recht anstrengende Clean-Up einige nette Gespräche geführt werden. Natürlich durfte auch dieses Mal das traditionelle Gruppenfoto nicht fehlen, ausnahmsweise ohne den gesammelten Müll, dafür aber mit Wein. Während wir uns dann auf den Rückweg nach Köln machten, genoss der eine oder andere dann also noch den schönen Abend am Rhein, ehe man wie üblich den Müll zum Sammelpunkt brachte und mit allem mitgebrachten Equipment im Gepäck abrückte, um erneut ein sauberes Gelände zu hinterlassen. Es war ein schönes Gefühl, zu wissen, dass man an einem eigentlich faulen Sonntag doch etwas Gutes getan hatte.

Aus dem gesamten Projekt, aber besonders aus dem Interview mit Victoria haben wir mitgenommen, dass der Müll, den wir jeden Tag auf den Straßen sehen, zum einen nicht schön fürs Auge ist, zum anderen aber vor allem schädlich und tödlich für alle Ökosysteme. Ohne Pflanzen, Tiere und saubere Ozeane, ist auch ein Leben für uns nicht mehr möglich. Wir tragen  die Verantwortung dafür, was mit unserer Umwelt passiert und müssen deshalb darauf achten, weniger Plastik zu verwenden. Am Wichtigsten ist jedoch, dass wir aufhören, uns nur über das Müllproblem zu beschweren und stattdessen bei uns selber anfangen. Hört auf, euren Müll ständig überall liegenzulassen und den Boden als Mülleimer zu benutzen. Hört auf, eure Zigarettenstummel einfach auf den Boden zu werfen, denn der nächste Mülleimer kann so weit nicht sein. Denkt an die Zukunft eurer Kinder und engagiert euch bei Clean-Ups, wie bei denen von Victoria.

Zum Abschluss dieses Projektes möchten wir noch auf den Rhein-Clean-Up-Day am 14.09.2019 aufmerksam machen, denn an diesem Tag wird in vielen Städten am Rhein aufgeräumt. Diese Aktion fand bereits im letzten Jahr mit rund 58 Städten statt und soll fortan jährlich stattfinden. (Link zur Website)

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“