Augmented Reality im Online-Handel: Mehrwert oder reines Marketing?

Lange galten Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) Anwendungen als einfaches Gimmick im Handel. Eine ganze Reihe innovativer Anwendungen zeigt nun das Potential für den Online-Handel. Aber wie wie gut funktionieren die Anwendungen in der Praxis und sind sie wirklich zukunftsfähig? Wir haben den Test gemacht!

Um im Online-Handel wettbewerbsfähig zu bleiben und den Kunden zunehmend überzeugende Erlebnisse zu bieten, suchen Händler ständig nach neuen Wegen, um sich vom Wettbewerber zu differenzieren. Gerade im Online-Handel ist es von hoher Bedeutung, dem Kunden das Produkt so nah wie möglich zu bringen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten zum Einsatz von Virtual und Augmented Reality sind die Möglichkeiten so groß wie nie zuvor. So können im Online-Shopping die Vorteile des realen Einkaufens mit denen des Online-Handels kombiniert werden. Wie wichtig es sein kann mehrere Sinne gleichzeitig anzusprechen, hat schon Benjamin Franklin in frühen Jahren erkannt:

„Tell me and I will forget, show me and I may remember, involve me and I learn“

Benjamin Franklin (* 1706 – † 1790)

Was ist unter Augmented Reality zu verstehen?

Übersetzt bedeutet Augmented Reality so viel wie „erweiterte Realität“. Hierbei handelt es sich um eine computergenerierte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Während der Nutzer bei Virtual Reality in eine vollständig computergestützte Wirklichkeit eintaucht, befindet er sich in der Augmented Reality im Hier und Jetzt. So wird hier die Realität durch digitale Inhalte, wie virtuelle Objekte oder zusätzliche digitale Informationen, ergänzt. Die Anwendungen finden bereits in vielen Branchen Anklang. Beispielsweise dienen sie in der Industrie als Hilfestellung bei komplexen Arbeiten, aber auch im Militär, in der Architektur oder auch in der Medizin bzw. Therapie finden sie ihren Einsatz. Vor allem durch die Unterhaltungs- bzw. Gaming-Branche haben die Anwendungen in der breiten Masse an Popularität gewonnen.

Neue Einkaufserlebnisse mit AR

Mit Hilfe einer eigenen kleinen Case-Study stellen wir euch Anwendungsbeispiele aus dem ‘Fashion & Beauty’ Bereich und der ‘Home & Living’ Industrie vor. Hierbei gehen wir der Frage nach, ob und wie weit die Anwendungen dem Online-Handel vorantreiben können. Im direkten Vergleich der Tools wird schnell deutlich, welche Anwendungen einen Mehrwert bieten. Die Durchführung dauert selten länger als eine Minute, probiere es am Besten selbst direkt über dein Smartphone oder der Desktop Version aus.

Wir haben verschiedene AR-Anwendungen im Online-Handel für euch getestet.

Beauty & Fashion Bereich:

Tool(Sonnen-)BrillenFrisurenMake-UpSchuhe
ErfahrungHoher Entertainment-Faktor;
virtuelle Anprobe wird direkt bei jedem Produkt angeboten; entweder live anprobieren oder ein bestehendes Foto wählen; verschiedene Brillen können verglichen werden.
Der Entertainment-Faktor ist gegeben: Es können die außer-gewöhnlichsten Haarfarben und Frisuren ausprobiert werden; es kann zwischen einem bereits bestehenden Bild oder einem Live-Bild gewählt werden.Hoher Entertainment-Faktor; nur für Produkte von L’Oréal, Maybelline und NYX verfügbar; Hinweis auf Möglichkeit der virtuellen Anprobe in Produkt-beschreibung oder direkte Navigation zum Virtual Beauty Studio; einfache Navigation im Studio.Entertainment-Faktor ist gegeben: Es können verschiedene Schuhe anprobiert werden; sehr kleine Auswahl an Schuhen (Nike); Live- oder als Standbild.
Zeitaufwand<1 Minute <1 Minute<1 Minute30 Sec.
BedienungSehr einfach; mit SprachhinweisenSehr einfachSehr einfach; Schieberegler für Vorher/
Nachher-Vergleich
Sehr einfach; mit Schieberegler zu anderen Modellen
Realitäts-näheSehr gut, um die Brillenform beurteilen zu können; sogar Größen werden auf das eigene Gesicht angepasst.Die vorgegebenen Haarfarben und Frisuren wirken nicht sehr realistisch; die Effekte sind nicht ideal.Auftrag unnatürlich; manche Farben unrealistisch.Gut, um Farben und Modell abzuschätzen, nicht aber die Größe.
Zukunfts-chancenBrillen bleiben zunächst ein Produkt für den stationären Kauf; Tool hilft bei der Orientierung, ersetzt aber nicht die Anprobe;
schafft Aufmerksamkeit und dient der Vermarktung.
Falls Nutzer sich unsicher bei einer Haarveränderung sind, könnte diese mithilfe dieses Tools vorab etwas verringert werden.Farben und Nuancen weichen zu sehr von Hautton, Licht, Kameraqualität ab; Tester im Drogeriemarkt kann man so einfach nicht ersetzen.Ausbaufähig; es können noch nicht viele Modelle anprobiert werden (ca. 20); es wird nicht geschlechts-spezifisch und nach Größe unterschieden.
RisikenDatenschutz: Das Bild bzw. Video wird gespeichert und muss aktiv wieder gelöscht werden;
Produkthaptik bleibt außen vor; Farben könnten in der Realität abweichen.
Es könnte passieren, dass das Endergebnis nicht dem Ergebnis der App entspricht und der Nutzer unzufrieden ist.Unrealistische Farben; andere Sinneswahr-nehmungen bleiben außen vor (Gefühl, Geruch)Schuhe können in echt viel größer/kleiner aussehen als in der App.
EmpfehlungHilft lediglich bei Vorüberlegungen.Um sich einen ersten Eindruck verschaffen zu können ist es ok, aber ansonsten keine große Hilfe.Nett zum Ausprobieren und groben Eindruck, aber nicht sonderlich nützlich für den Kauf.Nur ein Gimmick; nicht sonderlich nützlich für den Kauf.
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Home & Living Industrie

ToolIkea Place AppAmazonDulux
ErfahrungHoher Entertainment-Faktor, verschiedene Kategorien möglich; Sessel kann virtuell in den Raum gestellt werden und man sieht direkt, wie es im Raum neben anderen Möbeln wirkt.Wenige Produkte im Raum virtuell darstellbar; überwiegend Möbel, keine Accessoires.Macht Spaß alle möglichen Farben auszuprobieren.
Zeitaufwand<3 Minuten<3 Minuten<2 Minuten
BedienbarkeitSehr einfachSehr einfachSehr einfach
RealitätsnäheNicht ganz maßgetreu; das Produkt selber nicht sehr realtitätsnah.Nicht ganz maßgetreu; das Produkt selber nicht sehr realtitätsnah.Sehr realistisch; gut vorzustellen, da nur zweidimensional.
Zukunfts-chancen Gute Chance für die erste engere Auswahl und für Platzierung neben eigenen Möbeln; allerdings ersetzt das Verfahren keinen Besuch vor Ort im Ikea.Gute Chance für die erste engere Auswahl und für Platzierung neben eigenen Möbeln.Durch einfache Bedienung und realistische Ergebnisse auf jeden Fall empfehlenswert für die nächste Renovierung.
Risiken Keine maßgetreue Einschätzung und realitätsgetreue Abbildung der Produkte, empfehlen wir sich die Produkte trotzdem zusätzlich live anzuschauen.Keine maßgetreue Einschätzung und realitätsgetreue Abbildung der Produkte, daher vorsichtige Betrachtung.Lichtverhältnisse wahrscheinlich nicht 100%-ig realistisch.
EmpfehlungNicht direkt kaufen, hilft lediglich bei der Vorauswahl.Nicht direkt kaufen, hilft lediglich bei der Vorauswahl.Einfache Anwendung; gute Vorbereitung vor Streichen.
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Alles nur ein Trend der Werbeindustrie?

Ob die AR-Anwendungen den Online-Handel vorantreiben werden, bleibt eine heiß diskutierte Frage. Bisher sind Spezialisten sich allerdings einig: Augmented Reality bietet ein großes Marketingpotential! Setzt man es richtig ein, können die Anwendungen den Kunden einen echten Mehrwert bieten und Kaufimpulse liefern. Da die Erwartungen der Nutzer stetig steigen, ist die einwandfreie Implementierung der Anwendungen nicht zu unterschätzen. User werden schnell ungeduldig und verlieren die Freude an der Nutzung. Sie sollten daher nicht nur schnell und einfach zu bedienen sein, sondern auch möglichst nah die Realität widerspiegeln.

Im Fashion & Beauty Bereich hat die virtuelle (Sonnen-)Brillen-Anprobe am meisten überzeugt. Durch die einfache Bedienung und realitätsgetreue Abbildung, kann eine Vorab-Entscheidung getroffen werden und dem Nutzer können wertvolle Kaufimpluse geliefert werden. Die Anwendung kann auf diese Weise dazu anregen, die Brillen vor Ort anzuprobieren. Dies steigert zudem die Wettbewerbsfähigkeit des Anbieters, da es Nutzer an den Händler binden kann. 

Im Bereich der Home & Living Industrie hingegen stellt die virtuelle Produktanwendung vor allem bei dem Unternehmen “Dulux” eine vorteilhafte Strategie dar. Aufgrund von der zweidimensionalen Darstellung – anders als bei der Einrichtung in der dreidimensionalen Darstellung – wirkt das Produkt realitätsnäher und der Konsument kann sich die Wirkung besser vorstellen. Bei der Einrichtung von Möbeln allerdings, dient die dreidimensionale Darstellung zunächst nur als Orientierung bzw. zur Vorauswahl bestimmter Produkte, ersetzt aber keineswegs den Besuch vor Ort im Möbeleinrichtungshaus. In diesem Bereich dienen die Anwendungen demnach überwiegend zur Inspiration. 

Auch wenn es das Shopping-Erlebnis in der Stadt nicht ersetzen wird, kann mit den Anwendungen eine Marketingbotschaft übermittelt werden, die Kunden nicht nur fasziniert, sondern auch unterhält und das Einkaufserlebnis verbessert. Aber aufgepasst: Die Anwendungen sind nicht in jedem Bereich sinnvoll! Je größer die Produkte sind, desto weniger werden sie als realitätsgetreu wahrgenommen. So ist die Beurteilung bei Kleidungsstücken oder gar Möbeln eher schwierig, während sie bei kleineren Accessoires wie Brillen einfacher fällt.

Am Besten ihr macht euch euer eigenes Bild. Die Anwendungen sind im Beitrag verlinkt und können jederzeit ausprobiert werden. Alles was ihr dafür braucht ist eine Smartphone-Kamera.

Viel Spaß beim Ausprobieren wünschen Helena, Janine, Chiara und Sonja.

Titelbild Quelle: https://unsplash.com/photos/YSl18VKXRso