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Virtual Reality: Die Therapie der Zukunft?


Was ist eigentlich VR?

Virtuelle Realitäten (VR) sind computergenerierte Umgebungen, mit denen der Nutzer interagieren kann. Um sensorisch in die virtuelle Welt einzutauchen, wird meist eine VR-Brille genutzt, wodurch der Nutzer bestmöglich von der normalen Realität abgegrenzt wird. Die Interaktion findet statt, indem die Körperbewegungen des Anwenders gemessen und in die virtuelle Welt übertragen werden. Wenn er z.B. seinen Kopf dreht, dreht sich zeitgleich auch die virtuelle Umgebung, die er sieht.

VR-Einsatz in der Therapie

VR wird mittlerweile auch in psychotherapeutischen Behandlungen verwendet. Hier wird VR z.B. für eine Reizkonfrontation in der Verhaltenstherapie (Expositionstherapie) eingesetzt. Bei dieser Form der Therapie begeben sich die Patienten, von einem Therapeuten begleitet, wiederholt in Situationen, die bei ihnen Angst auslösen. Auch wenn der Patient weiß, dass er seine Erfahrung nicht in der wirklichen Realität erlebt hat, lernt das Gehirn, dass die Situation nicht so bedrohlich ist, wie zunächst angenommen. Durch diesen Lernprozess wird die Angst vermindert. Der Vorteil ist, dass die Hemmschwelle, sich der Situation in der virtuellen Realität zu stellen, geringer ist als die Reizkonfrontation in der Realität. Außerdem kann sie, wenn die Technik ausgereift ist, kostengünstiger eingesetzt werden und es werden meist nur wenige Sitzungen benötigt, bis die Angststörung besiegt ist.

VR-Traumatherapie

Auch bei traumatischen Erlebnissen findet VR-Therapie Anwendung. Hier erfolgt ebenfalls eine Konfrontation, indem die traumatische Situation realitätsgetreu dargestellt wird. Beispiele für virtuelle Szenarien sind z.B. Kriegssituationen oder der Anschlag auf das World Trade Center. 

Weitere VR-Therapiemethoden

VR kann auch auf andere Art und Weisen in Therapien eingesetzt werden. Im Spiel “Second Life” können Nutzer sich selbst in einer virtuellen Realität spielen und so in einem geschützten Raum experimentieren und neue Erfahrungen sammeln, wodurch innere Spannungen und Ängste abgebaut werden können. Bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen oder Depression hat das positive Auswirkungen auf die Problemlösefähigkeiten, die Körperwahrnehmung, das Selbstwertgefühl und die Kommunikation. Außerdem können virtuelle Realitäten als “Stimmungsaufheller” dienen, wenn Patienten mit Depression z.B. Naturaufnahmen ansehen oder virtuell mit Delfinen schwimmen.

Ist VR-Therapie zukunftsfähig?

Es stellt sich allerdings die Frage, ob VR-Therapie zu möglichen Schäden beim Patienten führen kann (wie beispielsweise einer Retraumatisierung) und inwieweit es sich in Zukunft wohl etablieren wird.


Wie sehen die VR-Anwendungen bei Therapien von Phobien aus?

In der VR-Psychotherapie zählen vor allem Phobien zu den Hauptanwendungsfeldern. Die angstauslösenden Situationen werden für den Patienten in der virtuellen Realität so realistisch dargestellt, dass dieser das Gefühl hat, dass er sich gerade in einer solchen Situation befinden. Bei Höhenangst stehen die Patienten in VR auf einem hohen Gebäude. Sie können sich dort umgucken, sehen den Abgrund und empfinden so die Höhe nach. Auch Flugangst kann mit einer VR-Therapie behandelt werden. Dabei wird virtuell das komplette Flugerlebnis dargestellt – vom Einchecken am Flughafen, über das Warten am Gate bis zum Flug und der Landung des Flugzeuges. Patienten die Angst vor Insekten wie Wespen oder Spinnen haben, sehen in ihren VR-Therapien z.B. virtuelle Spinnen über die Hand laufen und lernen so mit der Angst umzugehen. Außerdem werden soziale Phobien durch VR therapiert. Dabei werden die sozialen Situationen, wie das Reden vor vielen Menschen, virtuell dargestellt.

Praxisbeispiel VR-Therapie

Laura steht im vollen Hörsaal (aufgrund von Corona ist der Hörsaal auf unserem 360° Foto leider nicht voll). Sie muss einen Vortrag vor all ihren Kommilitonen halten. Lauras Puls steigt stark an. Denn wenn sie vor Menschen sprechen muss, bekommt sie Angststörungen. Laura leidet unter einer Sozialphobie. 

Mithilfe einer VR-Therapie könnte Laura sich in ihrem Wohnzimmer mit einer VR-Brille in die gefürchtete Situation hineinversetzen und ihre Angst besiegen. Laura und ihr Gehirn lernen so mit der Situation umzugehen.

Praxisbeispiel Prüfungsangst

Max schreibt heute eine Klausur, auf die er sich schon lange und gut vorbereitet hat. Doch leider leidet Max an Prüfungsangst und kann sich während der Klausur vor Angst gar nicht konzentrieren. 

Mithilfe einer VR-Therapie könnte Max sich, wie Laura, in die Prüfungssituation hineinversetzen und sich seinen Ängsten stellen. So hat er, wenn er das nächste Mal eine Klausur schreiben muss, vielleicht nicht mehr so viel Angst und kann sie entspannter schreiben.


VR-Therapien für Soldaten mit PTBS

Bei den VR-Sitzungen tauchen die Patienten in eine virtuelle Welt ein, wobei sie Videos und Szenen ausgesetzt werden, die ihr Trauma auslösen, wie z.B. Kriegszonen, die mit den Geräuschen und Gerüchen von Schüssen und Rauch gekoppelt sind. Die Exposition gegenüber diesen Empfindungen soll den Stress reduzieren, der mit den Erinnerungen der Patienten an diese Empfindungen verbunden ist.

Der Einsatz von VR ermöglicht, die Patienten in Simulationen traumarelevanter Umgebungen eintauchen zu lassen, in denen die emotionale Intensität der Szenen durch den Klinikmitarbeiter genau kontrolliert werden kann, um das Tempo und die Relevanz der Exposition für den einzelnen Patienten anzupassen. Auf diese Weise bietet die VR-Therapie eine Möglichkeit, die natürliche Vermeidungstendenz zu umgehen, indem direkt multisensorische und kontextrelevante Hinweise geliefert werden, die das Auffinden, die Konfrontation und die Verarbeitung traumatischer Erfahrungen unterstützen.

Video-Interview mit Oberfeldarzt Dr. Franziska Langner

Fazit

Vorteile

  • Durchführung der Therapie geht alleine, man benötigt nur das Equipment
  • Therapien von Phobien sind durch VR einfacher und kostengünstiger umzusetzen
  • VR ist ideal für die Schaffung kontrollierter Reizumgebungen
  • Hemmschwelle in Expositionstherapie mit Reiz konfrontiert zu werden ist niedriger
  • VR erleichtert die Visualisierung des traumatischen Ereignisses für die Patienten
  • Bereitschaft bei Soldaten eine VR-basierte Therapie zu machen ist höher als traditionelle Gesprächstherapien wahrzunehmen

Nachteile

  • Bei alleiniger Durchführung kann der Therapeut nicht direkt auf die Reaktionen des Patienten reagieren und ihn unterstützen
  • Möglichkeit einer Retraumatisierung
  • Therapeut sieht Mimik des Patienten nicht und kann deshalb schwieriger einschätzen, was in ihm vorgeht
  • fehlendes Verständnis für die Auswirkungen von PTBS innerhalb des Militärs erschwert die Fortschritte der VR-Therapie von PTBS

Wird sich die VR-Therapie durchsetzen?

Durch die Vorteile der VR-Therapie, die steigende Anzahl an Erkenntnissen aus der Forschung und eine hohe Akzeptanz der Patienten, ist davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme von VR in psychologischen Behandlungen vermutlich in den nächsten Jahren steigen wird. Da jedoch nicht alle Patienten diese Form der Therapie akzeptieren und es nicht für alle psychischen Störungen eingesetzt werden kann, wird es bestehende Therapiesettings wahrscheinlich nicht ersetzen.
Die TK unterstützt die App „Invirto“, mit der Angststörungen alleine von Zuhause aus behandelt werden können. Vermutlich wird also auch das „selbst-therapieren“ mit VR steigen. Generell betrachtet, ist die Marktprognose bis 2025, dass der VR-Markt 80 Milliarden Dollar umfasst, wobei das Gesundheitswesen an zweiter Stelle rangieren wird. Außerdem wurden Klinikexperten befragt, welche Optionen als zunehmende Maßnahme im nächsten Jahrzehnt gesehen werden, wo VR auf Platz 4 von 45 landete.


Quellen:

Foto: @luxinteraction via Unsplash.com

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