„Worum geht es in dem Track eigentlich?“ Erstaunlich oft habe ich auf diese Frage keine Antwort. Meine Englischkenntnisse liegen nicht im Keller vergraben, meine Ohren sind nicht verstopft aber ich achte einfach selten auf den Text. Immer öfter frage ich mich also: Wie höre ich Musik und weshalb?
Musik setzt sich aus der Stimme und den Instrumenten zusammen. Als Musiker interessiert es mich, was Schlagzeug, Bass und Gitarre spielen. Wie ist die Melodie? Wie ist das ganze aufgenommen? Für den Inhalt der Vocals bleibt da erstmal kein Platz. Es ist ein bisschen wie bei Pornos: Wenn mich das Visuelle ausreichend einnimmt, achte ich nicht auf den Dialog oder halte diesen ohnehin für nicht relevant für mein „Erlebnis“.
Aus Sicht des Musikers öffnen sich ganz neue Wege Musik wahrzunehmen, ebenso wie ein Kameramann einen Film anders beurteilen und schauen kann als der einfache Konsument. Bei einem Blick in mein Regal fällt auf, dass dort Platten stehen, die nur aufgrund von technischen Aspekten dort gelandet sind. Minion von Spock´s Beard höre ich zwar auch weil es ein guter Song ist aber was mir zuerst einfällt ist, wie in den Strophen die Snare und Side-Snare gespielt und gemischt wurden. Worum es in dem Song geht? Ich habe keinen Schimmer.
15-Minütige Longtracks, wie Hakens The Architect bleiben mir in Erinnerung, weil sie musikalisch beeindruckend sind. Die reine Präzision der Instrumente, komplexe Arrangements und Sounddesign sind für sich schon einen Kauf wert.
Die zweite Hörweise ist emotional basiert. Ich höre einen Track, weil er in mir ein bestimmtes Gefühl weckt. Hierbei spielen natürlich auch hier genannte Aspekte eine Rolle aber es geht viel mehr um Melodien und was zwischen den Tönen passiert. Die Balladen-Duette mit Piano von Oh Wonder oder die in hallende Gitarren schwelgenden Stücke von Island sind nicht unglaublich komplex. Sie sind auch nicht besser aufgenommen als andere Tracks und an sich recht simpel aber sie transportieren Emotionen. Für mich meist anhand der Melodie. Auch hier kommt noch einmal der zu gut passende Pornovergleich: Wenn mich die Akteure aufgrund ihrer wirklichen Emotionen in ihren Bann ziehen, dann spielt es keine Rolle, ob die Bildqualität auf dem neusten Stand ist und ob es sich um Profis oder Amateure handelt.
Interessant ist es, wenn ich mich später mit den Lyrics befasse und bemerke, dass sie weit weg von dem sind, was ich mir beim hören zusammengebastelt habe. So betrachtet können Texte auch Diebe einer Illusion sein, wie schlechte Buchverfilmungen.
Um euch aber nicht ohne ein Beispiel für einen emotionsvollen Text zurückzulassen: Ben Rogers – A Changed Man. Nur aufgrund des Textes bin ich mir sicher: das ist das düsterste Stück Musik, was ich kenne.
Warum wir Musik mögen kann viele Gründe haben. Gute Texte, tolle Melodien oder technische Aspekte, wie Arrangements und Soundmischung. Ich habe gelernt, dass es in den Texten noch eine ganz neue Ebene zu entdecken gibt. Ob das auch auf Pornhub gilt? Finden wirs raus…