Warum der Kaufrausch um die neueste Mode nicht nachhaltig ist und welche Alternativen sich Shoppingliebhabern und -liebhaberinnen bieten
Dass ein Großteil der Kleidung, die für die westliche Bevölkerung hergestellt wird, einen weiten Weg über die ganze Welt zurücklegt, bis er schließlich in den Geschäften und später in den Kleiderschränken landet, sollte niemanden neu sein. Auch, dass für den Anbau von Baumwolle Unmengen von Wasser verbraucht werden; dass in China ganze Flüsse mit Chemikalien verpestet werden, und, dass für das Spinnen der Wolle und für das Zusammennähen der Kleidungsstücke teils Kinder in Indien und Bangladesch unter mangelnden Arbeitsbedingungen und völlig unterbezahlt schuften müssen, schwirrt irgendwo im Hinterkopf des westlichen Konsumenten herum.
Dennoch ist der Anblick der Schaufensterpuppe, die die neue Saison willkommen heißt, verlockend. Rund 20 Millionen Deutsche ab 14 Jahren gehen in ihrer Freizeit häufig shoppen, ungefähr 45 Millionen „nur“ ab und zu. Dies legen die Ergebnisse der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse 2019 dar.
Und obwohl der Mensch ein Meister des Verdrängens ist, bewegen sich immer mehr engagierte Bürger und Bürgerinnen in die entgegengesetzte Richtung. Die Eröffnung des irischen Textildiscounters „Primark“ im August 2019 in Bonn zum Beispiel hat neben Jubelschreien auch für große Unruhen gesorgt. Etwa 100 Demonstranten und Demonstrantinnen hatten sich vor dem neu erbauten Maximiliancenter versammelt und lautstark die schlechten Arbeitsbedingungen und die Qualität der Ware bemängelt. Diese Faktoren prägen den Ruf des expandierenden Unternehmens spätestens seit der ersten Filialeröffnung in Deutschland maßgeblich.
Entgegen des modernen „Wegwerf-Trends“, nach dem Kleidungsstücke (auch aufgrund mangelnder Qualität) ständig neu gekauft werden, haben sich in Deutschland jedoch Labels und Institutionen etabliert, die ausschließlich fair produzierte Kleidung herstellen und verkaufen. Ihr Ziel ist es, über die Missstände des weltweiten Kleidungshandels aufzuklären. Beispielsweise informiert das Unternehmen „Korrekte Klamotten“ bereits seit 2007 über ethischere Wege, Kleidung zu beziehen. Auch das Netzwerk „Get Changed“ listet Brands und Produzenten auf, die nachhaltig zertifizierte Mode anbieten.
Doch natürlich gibt es nicht nur die Möglichkeit, Ressourcen durch den Kauf fair hergestellter Kleidung zu schonen. Noch besser ist es, mal einen Blick in den Kleiderschrank anderer zu werfen. Der Second-Hand-Markt ist in den letzten Monaten immer mehr aufgeblüht. Denn mittlerweile sind es nicht mehr nur die schummrigen Läden, in denen es nach Keller und Omas Kleiderschrank riecht, in denen Hosen und Jacken auf neue Besitzer warten. Neben „Ebay“ erleben auch Online-Portale wie „Kleiderkreisel“ oder „Ubup“ einen immer höheren Bekanntheitsgrad. Vom letzteren Anbieter durchgeführte Befragungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass bereits 53% der Deutschen schon ein Mal Kleidung aus zweiter Hand gekauft haben. Deutlich wurde zudem, dass vermehrt junge Menschen auf den Kauf bereits getragener Kleidungsstücke zurückgreifen. Gründe für ihren Kauf waren neben dem Umweltaspekt natürlich auch die niedrigeren Preise. Denn Gebrauchtware ist bekanntlich häufig um ein Vielfaches günstiger – streng genommen handelt es sich beim Second-Hand-Shopping also um eine Win-Win-Situation.
Trotzdem blicken viele Verbraucher dem neuen Hype immer noch skeptisch entgegen. Laura, eine 20-jährige Besucherin einer sogenannten Kleidertauschparty, erzählte in einem kurzen Interview, dass sie sich noch vor wenigen Monaten vor dem Gedanken, die Kleidung von jemand anderem zu tragen, etwas unwohl gefühlt habe. „Irgendwann habe ich aber angefangen, mir Teile einer Freundin auszuleihen. Da wusste ich, woher die Sachen kommen, und wie vorher damit umgegangen worden ist. Und, was soll ich sagen – es hat sich angefühlt, als würde ich ein ganz normales T-Shirt tragen.“ Heute ist Laura begeisterte „Kreislerin“ der bekannten App „Kleiderkreisel“. Sie selbst habe auch schon viele ihrer selbst aussortierten Kleidungsstücke verkauft und sich somit etwas dazuverdient.
„Das Gefühl, dass du jemand anderem mit deinen Sachen eine Freude machen kannst, ist fast genau so toll, wie ein eigenes neues Kleidungsstück zu erhalten.“
Laura B., begeisterte Second-Hand-Verkäuferin
Das von der gemeinnützigen Organisationen „Start with a friend e.V.“ sowie „Let’s Act“ veranstaltete Event in Köln Ehrenfeld lud Interessierte dazu ein, selbst nicht mehr benötigte Kleidung mitzubringen und gegen die Teile anderer auszutauschen. Während des Events wurde fleißig und ohne schlechtes Gewissen „geshoppt“ – und die übrig gebliebenen Teile an Bedürftige gespendet. Und die begeisterten Gesichtsausdrücke der Besucher und Besucherrinnen haben ganz deutlich gezeigt, wie das gemeinsame Interesse, sich für die Umwelt und den Schutz der Menschenwürde einzusetzen, Leute zusammenbringen kann. Shoppen muss also weder der Umwelt, noch dem Portemonnaie weh tun – ganz im Gegenteil!