Die Füße hochlegen oder einfach mal die Beine baumeln lassen – nur noch die Wenigsten können sich heutzutage intuitiv entspannen. Selbst beim Einschlafen werden viele Menschen von Gedanken und Sorgen geplagt, die den Körper unnötig stressen. Dies liegt vor allem an unserem ereignisreichen Alltag, dessen Planung und Bewältigung einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit beanspruchen.
Cornelia Gmeiner ist psychologische Psychotherapeutin und betreut viele Patienten, die unter starkem Stress leiden und teils sogar an Burnouts erkranken. In einem Interview erklärt sie, dass vor allem Schichtdienste und häufige Dienstreisen große Stressfaktoren im Arbeitsalltag darstellen. „Besonders junge Menschen leiden unter starkem Leistungsdruck und haben Angst vor dem Versagen. Das löst eine tiefe innere Unruhe in ihnen aus. Problematisch wird es dann, wenn sie diesen Druck mit nach Hause nehmen und nicht vernünftig abschalten können.“ Dabei seien Ruhepausen enorm wichtig, um den Körper aus einem ständigen Stresszustand zu befreien. Die Psychotherapeutin erzählt von einem psychologischen Ansatz, der davon ausgeht, dass die im Stresszustand ausgeschütteten Botenstoffe in unserem Körper eine ähnliche Wirkung wie Drogenkonsum erzielen. „Irgendwann wird man sozusagen süchtig nach dem Stress“, schlussfolgert sie. Die Gefahren eines solchen Zustands seien immens. Evolutionsbedingt verwende der Körper unter Stress seine gesamte Energie für die Aufrechterhaltung der überlebenswichtigen Funktionen. Andere Bereiche, wie unter anderem die Verdauung, würden dann vernachlässigt. Die Folge davon könnten zum Beispiel Magen-Darm-Erkrankungen sein.
Um den permanenten Leidensdruck ihrer Patienten und Patientinnen zu lösen, wendet Cornelia Gmeiner verschiedene Entspannungsmethoden an. Darunter fallen zum Beispiel Traumreisen oder progressive Muskelrelaxation (PMR). Welche Therapie sich am besten eigne, sei ganz individuell. „Wichtig ist, dass der Patient oder die Patientin sich auf die Methoden einlässt“, beschreibt sie. Und die gute Nachricht: schon nach wenigen erfolgreichen Anwendungen verbessere sich die Prognose enorm.
Handysüchtig? Ich? Niemals!
Obwohl die meisten von uns es nicht zugeben möchten, ist auch das viereckige, smarte Gerät, das wir dauerhaft bei uns tragen, ein großer Ablenkungs- und Stressfaktor. Wer ununterbrochen erreichbar ist und durch jedes Klingeln seines Handys aus seinem Handlungsfluss gerissen wird, setzt sich andauernd neuen Reizen aus. Darunter leidet unsere Konzentrationsfähigkeit. Das angeblich weit verbreitete Multi-Tasking ist streng genommen gar nicht möglich. Denn unser Gehirn kann sich immer nur auf einen Sachverhalt konzentrieren. Wer seine Aufmerksamkeit mehreren Dingen gleichzeitig widmet, lässt sein Hirn auf Hochtouren arbeiten und seinen Fokus in Millisekunden-Abständen hin und her springen. Dass der von unserem Handy verursachte „digitale Stress“ negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit hat, zeigen die Ergebnisse zahlreicher Studien. Durch das ausgeweitete Kommunikationsnetz im digitalen Raum werden wir automatisch neuen sozialen Verpflichtungen und Erwartungen ausgesetzt. Wer kennt nicht mindestens eine Person, die beleidigt ist, wenn wir nicht innerhalb von wenigen Sekunden auf Whats-App-Nachrichten antworten oder den letzten Instagram-Post als Erste/r liken?
„Hört auf, so beschäftigt zu sein und macht einfach mal gar nichts.“
Olga Mecking, Autorin bei der New-York-Times
In der heutigen Zeit, in der wir viel zu wenig Zeit haben, werden Entspannungsmethoden mit spirituellen Ansätzen immer häufiger praktiziert. Nicht umsonst haben sich Yoga und Meditation zu neuen Lifestyle-Trends entwickelt. Die Holländer haben es zudem geschafft, einem in ihrem Sprachgebrauch einst negativ konnotierten Wort eine neue Bedeutung zu verleihen. „Niksen“, was übersetzt so viel wie „rumhängen“ bedeutet, ist nun die hippe Bezeichnung dafür, einfach mal nichts zu tun – und das im positiven Sinne! Indem man einfach mal das Handy in der Tasche lässt und lediglich dem Vogelzwitschern im Park lauscht, kann man seinen Körper und Geist so richtig verwöhnen. Die Gedanken schweifen lassen, ruhig und achtsam atmen – all das steigert auf lange Sicht unsere Konzentrationsfähigkeit und Produktivität.
Also, warum machen wir es nicht wie die Holländer und planen für das kommende Wochenende einfach mal „niks“?