Mehr als mit den Puscheln wackeln – Cheerleading ein harter Sport zwischen Wettkampf und Show

von: Viktoria Langenhuizen

Dienstagabend in einer Turnhalle, wie man sie aus der Schulzeit kennt. Gelblicher Parkettboden und blaue Matten an den Seiten. Hier trainieren die Cheerleader des Turn und Kraftsportvereins 1906 e.V. aus Bonn -Duisdorf. Die „Warriors“ sind das Senior Team des Vereins und nehmen an Wettkämpfen teil. Zurzeit stecken sie mitten in den Vorbereitungen für die Regionalmeisterschaft West. Am 16. Februar 2020 trägt der Cheerleading und Cheerperformance Verband Deutschland e.V, diesen Wettbewerb in Bonn aus.

Aktuell sind  über 240 Vereine und nahezu 15.000 Sportler im Verband organisiert. Das Cheerleading stammt aus den USA. Ursprünglich war es Aufgabe der Cheerleader, die eigene Sportmannschaft bei Veranstaltungen und Wettkämpfen  anzufeuern und das Publikum zu animieren. Cheerleading verbindet Turnen, Akrobatik und Tanz. Hinzu kommen die traditionellen Anfeuerungsrufe, sogenannte “Cheers”. Heute beginnt die Trainingseinheit in Duisdorf mit Turnübungen am Boden. 

Ausdauer, Balance, Konzentration und Kraft – Die Anforderungen sind hoch. 

Die “Warriors” sind ein Coed- oder Mixed-Team. Auch Männer gehören zur Truppe. „Bei Wettkämpfen muss man keinen Tanz-Part zeigen, wenn man ein Coed-Team ist”, erklärt Trainerin Inge Thomas. Die Bewertungen bei einer Meisterschaft setzten sich aus Punkten für die einzelnen Bausteine der Choreographie zusammen. Dazu gehören „Partner Stunts“ und „Pyramids”. Bei den Pyramiden werden mehrere Stunts gemeinsam als Team errichtet und zu einem Gesamtbild verbunden. Hinzu kommen Würfe in die Luft und Elementen aus dem Bodenturnen. Es ist wichtig, alle diese Komponenten möglichst geschickt in einer zweieinhalb minütigen Performance miteinander zu verknüpfen. Die Anforderungen an die Cheerleader sind vielseitig. Ebenso wie die Vorbereitung. Zwei Mal die Woche trainieren die “Warriors”. „Dienstags zwei bis zweieinhalb Stunden und sonntags drei Stunden.“ Marisa Gomez Gonzales und Inge Thomas sind nun schon seit sechs Jahren Coaches des Teams. 

Inge Thomas trainiert die „Warriors“ seit sechs Jahren. Mit dem Cheerleading begann sie 2007. Foto: Viktoria Langenhuizen

Puschel, Rumgehopse, Zickenkrieg – Die Liste der Klischees ist lang. 

Bei der Frage nach den Übungszeiten wird deutlich, dass die Cheerleader immer noch auf viele Vorurteile treffen. “Es ist schwierig, Hallen zu bekommen. Uns wird immer vorgeworfen, dass wir nur mit Puscheln wedeln. Das es „Rumgehopse“ und kein ernstzunehmender Sport sei. Es geht dann sogar so weit, dass man uns Hallen anbietet, die zum Beispiel von der Deckenhöhe völlig ungeeignet für uns sind, um Pyramiden zu bauen,“ klagen Marisa und Inge. Trotz der schwierigen Bedingungen machen die “Warriors” das Beste aus der Situation. In der Zeit vor der Meisterschaft erhält die Performance ihren letzten Schliff. Bevor es raus auf die Matte geht, soll jeder ein sicheres Gefühl haben. Doch nicht nur bei der Vergabe der Trainingsplätze werden die Cheerleader mit Klischees konfrontiert. Wenn Marvin Meyer von seiner Freizeitbeschäftigung erzählt, kommt immer die Frage auf: „Cheerleading – Was machst Du denn da?“

Für Außenstehende mag der Wechsel überraschend klingen. Marvin ist mit seinem Hobby sehr glücklich: “Cheerleading ist der ultimative Teamsport. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man eins zu eins im Ring steht. Einzelleistungen bringen dir hier nicht viel.“

Eine für alle – alle für eine! Teamgeist ist das Wichtigste.

„Wir sind ein – Team!“ rufen die Mädels des Baskets Danceteams, am Ende ihres Trainigs. Die Truppe aus 25 jungen Frauen gehört zum Verein der Telekom Baskets aus Bonn. Sie tanzen bei allen 17 Heimspielen des Basketball-Bundesligisten, die im Telekom Dome stattfinden. Dazu kommen noch die Spiele in der europäischen Liga und externe Auftritte. Für Trainerin Regina Litau machen besonders der feste Zusammenhalt der Gruppe den Sport aus. „Von klein auf sage ich allen Tänzerinnen, dass wir ein Team sind. Wir stehen für jeden ein, egal was passiert.“ Seit Ende Mai 2019 coacht sie das Danceteam, erarbeitet Choreographien und stimmt diese auf dazu passende Songs ab. Außerdem wählt sie die Kostüme für Auftritte aus. „Mein ganzes Leben dreht sich um das Danceteam”, scherzt Litau. Neben Spaß am Tanz möchte sie ihren Schützlingen aber auch Werte wie Disziplin und Verantwortung für sich selbst und andere vermitteln. „Als Base liegst du immer drunter, wenn dein Flyer stürzt.“ Damit es dazu erst gar nicht kommt, kennt jedes Teammitglied die Regel: „Wenn ein Flyer auf den Boden fällt, müssen alle fünfzig Liegestütze machen.“ Obwohl die Regionalmeisterschaft West ein Heimspiel für das Danceteam wäre, können Litau und ihre Mannschaft in diesem Jahr nicht daran teilnehmen. Der Spielplan der Telekom Baskets lässt es nicht zu.

Sportlicher Wettkampf und Kommerz – Der Grat ist schmal.

Vor einem ähnlichen Dilemma stehen die Cheerleader des 1.FC Köln. Sie sind die offizielle Tanzgruppe der Kölnischen Karnevals-Gesellschaft von 1945 e.V. Während der Session haben sie über 50 Show-Auftritte. Sportliche Ambitionen müssen sich dahinter anstellen. Zusätzlich tanzen sie bei jedem Heimspiel des Fußball Bundesligisten. „Klar die Cheerleader des 1.FC Köln, sind Teil des kommerziellen Gedankens des FC. Manche Fans wollen keinerlei Marketing-Aktionen sehen und zählen uns eben auch dazu,“ gesteht Trainerin Julia Leger. Die Meinung einzelner FC Anhänger aber ist für die Cheerleaderin  nicht so wichtig. „Für mich persönlich ist der Spaßfaktor bei Showauftritten einfach höher“, freut sich Leger. Das Bühnenprogramm besteht aus zwei Choreographien zu bekannten Karnevalssongs. Eine dreiminütige Zugabe, die auf die FC-Hymne getanzt wird rundet den Auftritt ab. Bei ihren Performances möchten die Cheerleader des 1.FC Köln vor allem ein Wir-Gefühl beim Publikum erzeugen. „Als Trainerin ist es für mich immer ein Erfolg, wenn man sieht, wie gut das Programm beim Publikum ankommt.“

In den Karnevalstagen verbringen die Mädels viel Zeit miteinander. „Das Team ist meine zweite Familie.“ Strahlend fügt Julia Leger hinzu: „Während der Session sind wir die gesamten Wochenenden gemeinsam unterwegs. Jeder kennt in dieser Zeit alle Geheimnisse der anderen.“ Die Trainerin ist sich sicher, dass alle Mitglieder des Teams wissen, was sie aneinander haben. „Wenn ein Bindeglied nicht funktioniert -dann funktioniert der ganze Stunt nicht!“

Die Cheerleader des 1. FC Köln e.V. bei einem ihrer zahlreichen Showauftritte.
Quelle: „Karnevalissimo“ Sendung vom 26.02.19, 20.15 Uhr im ZDF.

Cheerleading ist ein intensiver, anspruchsvoller Sport bei dem Spaß und Risiko unmittelbar bei einander liegen. Marisa von den “Warriors” formuliert es so: „Nur ein Zentimeter, den man falsch greift,  kann bedeuten, dass eine Pyramide zusammen fällt. Dann ist der Auftritt gelaufen.“

Die Sportlerinnen und Sportler sind keine „Pausenfüller“ am Rand des Spielfelds. Ihnen gehört das Spielfeld. Es wäre schön, wenn sie dafür auch Anerkennung erhielten. Sie verdienen es!