Solokarrieren sind meistens schwierig zu stemmen. Besonders wenn man zuvor einer Gruppe angehört hat und sich dann selbstständig machen möchte. So auch Tarek, der ein Teil der deutschen Rap-Gruppe K.I.Z. ist. Oder war? Mit seinem ersten eigenen Projekt startet der Rapper nun alleine durch. Gelingt ihm das und spaltet er sich von seinen Kollegen ab oder bleibt er der eher anstößigen Linie der Gruppe treu? Und ist das Album wirklich so düster wie es angekündigt wurde?
Wer ist Tarek K.I.Z.?
Viele Fans von K.I.Z. waren sichtlich überrascht als einer ihrer Member ankündigte ein eigenständiges Album zu veröffentlichen. Tarek aka Tarek K.I.Z. aka der Nubische Prinz (bürgerlich: Tarek Ebéné) ließ die Bombe im Herbst vergangenen Jahres platzen. „Golem“ solle es heißen und es sei keinerlei Fake-Promotion für den Künstler oder seine Gruppe, was jedoch viele vermuteten, da man schon lange nichts musikalisches von den Berlinern gehört hatte. Doch Tarek meinte es ernst und tut es nun auch nach Albumrelease, am 31. Januar 2020, immer noch. Seit 20 Jahren sind K.I.Z. im Deutsch-Rap-Game unterwegs und sind dort auch schon lange nicht mehr wegzudenken. Die Gruppe ist schon längst Kult und absolut einzigartig im Gegensatz zu anderen Rappern in Deutschland. Tarek wurde 1986 oder 1987 (nicht offiziell bestätigt) in Freiburg im Breisgau geboren und ist Sohn einer Deutschen und eines Kameruners. Er wuchs sechs Jahre bei seiner Mutter in Valencia auf, ehe er im Jahr 2000 zu seinem Vater nach Berlin zog. Dort gründete er gemeinsam mit Nico K.I.Z. und Maxim K.I.Z. das gleichnamige Rap-Kollektiv. Ihre Künstlernamen haben die drei seitdem auch nie gänzlich verändert, wodurch die Verbundenheit zu den jeweils anderen der Gruppe deutlich wird. Dies zeigt sich auch auf Tareks erstem Soloalbum.
Tracklist
- Ticket hier raus
- Bang Bang
- Nach wie vor
- Kaputt wie ich
- Letzte Chance
- Wenn du stirbst
- Liebe
- K.I.Z. für immer feat. Nico K.I.Z. & Maxim K.I.Z.
- Nubischer Prinz feat. Miss Platnum
- Weißer Drache
- Freak
- Frühlingstag
Wie bereits beim Album von Genetikk thematisiert, handelt es sich bei diesem Album mit 12 Songs auch um ein kleineres Album und keiner besonderen Vielfalt. Auf den ersten Blick. Ticket hier raus, Bang Bang, Nach wie vor, Kaputt wie ich und Liebe waren bereits vor der Veröffentlichung des Albums als Singleauskopplungen für die Hörer zugänglich. Zu allen Singles wurden zudem Musikvideos veröffentlicht, die, wie man es von der Berliner Gruppe zuvor auch gewohnt war, alle sehr aufwendig produziert wurden und fast schon mit Kurzfilmen gleichzusetzen sind. Vor allem Bang Bang zeigt, dass Tarek seinen K.I.Z.-Wurzeln treu bleibt und wie gewohnt anstößige und polarisierende Texte verfasst. Hier wird beispielsweise ein Anschlag auf den/einen Kanzler thematisiert und wie unberechenbar Tarek bzw. das lyrische Ich ist. Ticket hier raus und Kaputt wie ich sind im Vergleich dazu eher melancholisch angehaucht. Im ersten Track des Albums beschreibt der Nubische Prinz eine gewöhnliche Bahnfahrt, fokussiert sich dabei jedoch auf die negativen Dinge, die ihm begegnen, wie eine Frau mit Kinderwagen, der nicht geholfen wird, weil sie zu hässlich ist oder wie ein Mann neben ihm wegrutscht weil er nicht möchte, dass er in seiner Zeitung mit ließt, da er sich durch seine Anwesenheit beklaut fühlt. Auch in Kaputt wie ich (mein persönlicher Favorit des Albums) schafft Tarek es, eine, auf den ersten Blick, „normale“ Party-Nacht in Berlin lyrisch so schön zu umschreiben und zu paraphrasieren, dass man zunächst gar nicht von solchem ausgeht. Der Track handelt von einer Nacht zweier Menschen, die in Berlin feiern und unter Drogeneinfluss gemeinsam in ein Hotel fahren, nur um danach miteinander zu schlafen. Dabei beschreibt der Rapper die beiden Protagonisten als gebrochen, verlassen und einsam. Die Begegnung soll beiden schmerzlindernd erscheinen und von ihren jeweiligen Sorgen ablenken. Vor allem die beschriebene Einsamkeit bringt der Künstler mit seinen Zeilen treffend auf den Punkt. So könnte die Folgende nicht nur einen seelischen Konflikt beschreiben, sondern auch eine versteckte Botschaft an seine Fans, bezüglich der Situation mit seinen K.I.Z.-Kollegen, sein:
„Ich bin in schlechter Gesellschaft, wenn ich alleine bin.“
aus: „Kaputt wie ich“
Tarek war schon immer derjenige im K.I.Z.-Kosmos, der eine eher melancholische und traurige Seite an sich hatte. Und diese lässt er, bis auf einzige Ausnahmen, wie Nubischer Prinz, Bang Bang, Freak und K.I.Z. für immer, auf diesem Album endlich vollkommen raus. Im Vordergrund stehen hierbei Themen, wie Selbsthass, Trauer, häusliche Gewalt, welche er in Letzte Chance in Form von Gewalt seines Stiefvaters beschreibt, Beziehungsproblemen, die in Liebe thematisiert werden und Drogensucht. Eben diese schlägt einem auf dem Album besonders auf den Magen, denn eingefleischte K.I.Z- und Tarek-Fans wissen, dass der Rapper eine Drogenvergangenheit hat. Vor allem in Weißer Drache verarbeitet er diese in dem er den Kokain-Rausch mit einem Ritt auf einem Drachen gleichsetzt und wie dieser ihn zu Boden ringt und letztendlich fertig macht. Die wenigen Lichtblicke in der tristesten Aura des Albums, wie eben bereits erwähnt, enthalten allerdings dennoch hier und da gewaltverherrlichende und gesellschaftskritische Zeilen und Metaphern.
„Der Pelz, den sie trägt, ist von einem Tier namens „Calvin Klein“. Und in ihrem Heimatland leben die Menschen in Zelten aus Stein.“
aus: „Nubischer Prinz“
Als Gäste holt sich Tarek lediglich drei Künstler auf seine Platte. Zum Einen seine K.I.Z.-Kollegen Nico und Maxim auf den wirklich stimmigen Song K.I.Z. für immer. Also eine sehr deutliche Aussage in Richtung aller Fans, die Gruppe bleibt bestehen und Tarek hat sich bei dem Album hauptsächlich selbst therapiert und einmal ein Experiment gestartet. Miss Platnum ist der zweite Gast und verleiht ihrem Part auf Nubischer Prinz einen gewissen Flair, der so auch wirklich nur auf diesen Track passt. An anderen Stellen des Albums wäre die Künstlerin definitiv fehl am Platz gewesen.
Der Sound der Platte ist vielleicht nicht einzigartig, aber dennoch alles andere als Mainstream. Die traurige Stimmung, die mehr oder weniger das gesamte Album umgibt, ist allgegenwärtig. Die Beats klingen sehr verträumt und melancholisch und erschaffen eine sehr eigene Atmosphäre. Vor allem die Autotune-Nutzung ist eines der essenziellen Stilmittel auf dem Album. Tarek sagte dazu selbst, dass er das manchmal ach so verhasste Autotune so viel nutze, weil er seinen Sound sehr gerne habe und schön findet.
„Jedes Mal, wenn ich den Text anfang‘, verschwimmt die Schrift. Dein Körper war ein Gefängnis, du bist endlich frei.“
aus: „Frühlingstag“
Insgesamt kann man ohne weiteres behaupten, dass Tarek das „Solo-Leben“ definitiv gut tut. Auf diese Weise hatte er die Möglichkeit seiner möglicherweise angestauten Last ganz alleine freien Lauf zu lassen. Den Fans hat er mit dem K.I.Z.-Song auf seinem Album eine ganz klare Message da gelassen, sodass sich diese keinesfalls Gedanken über eine Trennung machen müssen. Ihm gelingt es den Zuschauer bzw. Zuhörer sehr stark zum Nachdenken anzuregen und jedem, der sich auch nur annähernd einmal so gefühlt hat oder in Zukunft vielleicht auch einmal so fühlt, eine Plattform gegeben, um sich verstanden zu fühlen. Auch wenn so manche Aussagen des Nubischen Prinzen ab und zu über das Ziel hinausschießen. Aber das haben K.I.Z. ja auch schon oft bewiesen. Tarek bleibt somit seiner Linie treu und hat mit „Golem“ ein Werk geschaffen, welches sich auf jeden Fall durch treffendes Songwriting, atmosphärische Musik und doppeldeutige Aussagen, die zum Nachdenken anregen, bereits jetzt zu den Alben des (noch so jungen) Jahres 2020 gesellt. Es täte seiner Karriere also keinen Abbruch, wenn er auch in Zukunft alleine Musik produzieren würde.
von Lennart Fitzler