Tierschutz – Andere Dimensionen
von
Alina Hüsemann, Noelle Meerloo, Ariana Müller, Janina Müller

Noch heute leiden Haustiere wie Hunde, Katzen und noch viele mehr unter Aussetzungen, Misshandlungen und Züchtung, als wir es uns vorstellen können. Europa darf dabei nicht außen vor gelassen werden!
Marion Donk weiß genau, was sich hinter den Kulissen von Tierschutzorganisationen abspielt. Und das ist erschreckend.
„Alles, was mit Tieren zu tun hat, ist ein schmutziges Geschäft.“
Marion Donk, ehemalige Vorsitzende des Tierschutzvereins Lichtblick aller Pfoten
Wer soll sich für die Lebewesen einsetzen, die keine eigene Stimme haben? Die sich nicht gegen Gewalt und Aussetzung wehren können?
Die dringend ein Zuhause suchen und brauchen?
Tierschützer. Sie opfern sich für ihre Tätigkeit auf und sind mit Herzblut dabei, wenn sie Tiere von der Straße, aus gewalttätigen Haushalten und aus dem Ausland retten.
Fast alle Tierschutzvereine haben Kooperationen mit Tierheimen im Ausland, da diese meist gar keine Unterstützung bekommen und allein mit der Situation zurechtkommen müssen. Sponsoren? Fehlanzeige.
Oftmals gibt es mehrere deutsche Vereine, die ein ausländisches Tierheim unterstützen, doch viele wollen sich durch den Tierschutz profilieren. Die Menschen versuchen sich damit aufzubessern oder wollen etwas darstellen, sagt Marion Donk. Immer wieder kommt es dann auch zum Konkurrenzdenken: Es wird sich gegenseitig schlechtgemacht und ausgeboten.
Es ist ein einziger Wettkampf.
Mittlerweile könne man gar nicht mehr pauschal sagen, woher die Tiere eigentlich kommen, wenn sie anschließend im Tierheim landen.
Griechenland, Jugoslawien, Rumänien, Ungarn, Russland oder gar Italien und Spanien. Besonders Italien und Spanien sind Exempel dafür, wie grausam doch vor allem mit Hunden umgegangen wird:
…in Italien sehen die Hunde das Tageslicht nie wieder
…in Spanien werden die Tiere „nach Gebrauch“ entsorgt
„Was im Ausland das Leid der Hunde ist, ist in Deutschland das Leid der Katzen.“
Marion Donk, ehemalige Vorsitzende des Tierschutzvereins Lichtblick aller Pfoten
Auch Deutschland ist leider nicht besser als die anderen genannten Länder und von diesem Problem betroffen. Marion Donk beschreibt es sogar als eine „katastrophale Lage“: Die Gemeinden wollen von dem Thema nichts wissen und damit auch nichts zu tun haben. Oftmals werden streunende Katzen als „wilde Katzen“ abgestempelt und um „Wildtiere“ müsse sich die Stadt ja nicht kümmern und dementsprechend auch nicht zahlen.
Parallel dazu haben Tierschützer in Deutschland mit Hunden zu kämpfen.
Aber warum werden diese Haustiere ausgesetzt? Ganz einfach. Vor allem Hunde machen Arbeit, kosten Geld und sind irgendwann nicht mehr interessant genug. Die Menschen sind auf Dauer entweder überfordert oder gelangweilt. Zudem wird auf anderer Art und Weise versucht, diese Lebewesen loszuwerden.
Und darunter haben die Tiere zu leiden.
Ein weiteres Problem ist die Züchtung oder eher gesagt die Produktion von Hunden. Im Ausland aber auch hier in Deutschland dienen die Vierbeiner vielmehr als „Gebärmaschinen“, so wie Marion Donk sie betitelt, und nicht etwa als Haustier, das Liebe, Pflege und ein sicheres Zuhause benötigt.
Die zur Massenproduktion verwendeten Hunde werden immer und immer wieder für Züchtungszwecke benutzt, ihre Welpen für kleines Geld mit gefälschten Pässen, ohne Impfungen und wahrscheinlich mit etlichen Krankheiten weiterverkauft.
Für den ersten Moment scheint es als eine günstige Investition für Familien oder Einzelpersonen. Für die gebärenden Hündinnen hingegen ist es eine Qual, die Welpen sind unter anderem todkrank und im Endeffekt kommen für den Verbraucher viel mehr Kosten für Tierarztbesuche, Behandlungen und Pflege auf.
Solange Menschen dieses Prozedere unterstützen und Hunde bei Vermehrern kaufen, wird es dieses Leid für Hunde geben.
„So wie wir Menschen unseren Koffer mit uns tragen, trägt jeder Tierschutzhund seinen Koffer.
Marion Donk, ehemalige Vorsitzende des Tierschutzvereins Lichtblick aller Pfoten
Und da ist ganz viel drin.“
Menschen haben falsche Vorstellungen von Tierschutzhunden.
Anke Hofstetter ist Expertin für die Kommunikation, Haltung und Vermittlung von Hunden und erzählt, dass viele Menschen denken, dass Hunde, die sie aus dem Tierheim gerettet haben, ihnen dankbar sein sollten. Aber nicht alle Hunde sind nett und dankbar. Ebenso sind eine Rettung und eine Vermittlung nicht so einfach, wie man sich das eventuell vorstellen mag.
Bekannt ist, dass es im Ausland wie beispielsweise in Ungarn und Rumänien viele Streuner mit Krankheiten und schweren Verletzungen durch die Straßen und Gassen laufen.
Die Gründe hierfür? Armut. Impfkosten, Chipkosten, Futter und gegebenenfalls Tierarztkosten können nicht finanziert werden, wenn man bei geringem Einkommen eine Familie zu ernähren hat. Gleichzeitig haben Haustiere, vor allem Hunde, einen anderen Stellenwert in Ungarn als bei uns in Deutschland. Die Menschen sind verhärtet, die Mentalität dort ist anders.
Hunde werden bei Fehlverhalten durch mangelnde Erziehung entweder geschlagen, getreten, rausgeschmissen, angeschossen oder erschossen.
Aber den Menschen beizubringen, das Tier mit Respekt zu behandeln, damit genau das nicht passiert, das sei nicht in den Köpfen, sagen Marion Donk und Anke Hofstetter.
„Da ist das normal. Der Hund ist ein Gegenstand. Er ist kein vollwertiges Familienmitglied.“
Marion Donk, ehemalige Vorsitzende des Tierschutzvereins Lichtblick aller Pfoten
Um dem entgegenzuwirken und den Tieren eine zweite Chance zu geben, ist Marion Donk regelmäßig mit ihren Tierschutzkollegen nach Ungarn gefahren, um die Tiere mit nach Deutschland zu nehmen. Allerdings gibt es ein Auswahlverfahren, denn nicht alle Hunde können mit. Aus dem Schema fallen große und schwarze Hunde, Hunde mit Ticks und vor allem Hunde mit gesundheitlichen Problemen. Der Zustand der Tiere, die ins Tierheim finden, ist nie vorhersehbar und immer unterschiedlich. So kommt es, dass manche wirklich verstümmelt vorgefunden werden. Manchen fehlt ein Auge oder ein Ohr und manche müssen sogar eingeschläfert werden.
Diese Tiere haben viel mitgemacht, wurden von der Straße geprägt und „manches bekommt man aus den Hunden auch nicht mehr raus“, sagt Donk. Viele bleiben ihr Leben lang ängstlich oder aggressiv.
„Warum sind die Hunde im Tierheim? Weil die Menschen sie vorher versaut haben!“
Marion Donk, ehemalige Vorsitzende des Tierschutzvereins Lichtblick aller Pfoten
Vermittlungen geschehen nicht einfach so, denn auch bei zu vermittelnden Tieren sind Menschen wählerisch und haben Präferenzen, da sie „den perfekten Hund“ und wenig Arbeit mit ihm wollen.
Wenn Tiere aus dem Ausland vermittelt werden sollen, müssen diese vorher untersucht, geimpft und gechipt werden und ihre Papiere bekommen. Manchmal werden auch Bluttests gemacht. Kranke Hunde müssen vorher vollständig genesen sein, da sie ansonsten den Transport bis nach Deutschland nicht überleben würden. Sicherlich können die Tiere ebenfalls auf dem langen und anstrengenden Transport erkranken und verenden. Dafür gibt es keine Garantie.
Als Vermittler muss man aufklären!
Es muss über Vorerkrankungen gesprochen werden, über mögliche Therapien, Pflege und Kosten. Es gab schon Vorfälle, bei denen keine Kommunikation über Krankheiten stattgefunden hat und die neuen Besitzer mit der Situation total überfordert waren.
Die Vermittlung ist abhängig vom Gesundheitszustand der Tiere, sowie von der Rasse und dem Alter.
Am beliebtesten sind natürlich Welpen, die rassetechnisch aussehen, wie Labradormixe, da sie oftmals auch günstiger sind, als ausgewachsene Hunde. Allerdings machen Welpen mehr Arbeit und benötigen mehr Erziehung, als einigen Menschen lieb ist.
Sterbenskranke und alte Hunde kommen für wenig Geld nach Deutschland, um einen Hospizplatz oder eine Pflegestelle zu bekommen, da sie nicht vermittelbar sind.
Es geht lediglich darum, den Tieren einen schönen Platz für ihre letzte Lebenszeit zu schenken.
Nichtsdestotrotz unterstützen ungefähr 90 Prozent der deutschen Vereine dies nicht. Das Tierheim müsse dann nämlich alle Kosten übernehmen, von der Pflege bis hin zu Tierarztkosten und noch mehr. Das wäre natürlich zu teuer. Marion Donk ist darüber sehr empört, denn sie würde unglaublich gerne eine verkrüppelte Hündin auf Pflegestelle aufnehmen. Doch es scheitert am Geld…
Tierheim – ein glücklicher Ort?
Das Konrad-Adenauer Tierheim in Köln-Zollstock beheimatet nicht nur Katzen und Hunde, sondern auch Kleintiere, Reptilien, Vögel und Nutztiere.
Vor dem Eingang sitzen schon vereinzelt Menschen, die warten. Aber worauf? Beim Betreten des Geländes kommen einem gestresste Pfleger mit hechelnden Hunden entgegen. Die Freude ist groß, bei Mensch und Tier, wenn die Hunde die Wartenden erblicken. Das sind die sogenannten „Gassi-Geher“. Pünktlich um 11 Uhr erscheint die Revierleiterin der Kleintiere, Gunda Springer in der Anmeldung des Tierheims zu dem vereinbarten Interview.
In dem Gespräch betonte sie mehrmals: „Es nicht unbedingt notwendig eine Ausbildung als Tierpflegerin zu absolvieren, allerdings bietet es sich an, wenn man ein Leben lang in diesem Beruf arbeiten möchte. Die dreijährige Ausbildung zum Tierpfleger beinhaltet nicht nur die Versorgung und Pflege der Tiere, sie ist auch sehr biologisch und medizinisch aufgebaut.“
Jeder Arbeitstag ist anders, es kann sich jede Minute etwas ändern. Allerdings gibt es einen konkreten Ablaufplan, den sie und ihre Kollegen befolgen. „Wir fangen morgens früh an, das Futter vorzubereiten. Da wir auch Nutztiere haben, die ebenfalls unsere Aufmerksamkeit brauchen, benötigen wir dafür schon mal eine halbe Stunde. Danach verteilen wir uns in die verschiedenen Räume und reinigen diese gründlich. Aber es kommt auch oft vor, dass ich mit den Tieren noch zum Tierarzt gehe, der ist glücklicherweise bei uns im Haus.“
Also hier im Tierheim ist immer viel los, emotional kann es aber auch mal werden. Als Tierpfleger sieht man immer wieder neue Tiere und kann sich dabei schon mal in das ein oder andere verlieben.
Woher kommen die Tiere?
Aktiven Tierschutz für Tiere aus dem Ausland lehnt das Konrad-Adenauer Tierheim ab, das wurde in der Vereinssitzung so abgestimmt. Man glaubt nicht, dass es der richtige Weg sei, die Tiere aus dem Ausland ins Tierheim zu holen: „Wir geben aber Tierfutter weiter und unterstützen sie auch mit diversen Leihgaben wie Halsbänder, Leinen usw“, sagt Gunda.
Sie bemängelt, dass viele Menschen und Organisationen mit dieser Art von Tierschutz nur Geld verdienen wollen. Sie nutzen die Gutmütigkeit anderer aus, die einen Straßenhund retten wollen. Diese zahlen den Organisationen viel Geld, um die Hunde aus dem Ausland zu holen. Dabei „wären sie kastriert besser auf der Straße aufgehoben.“ Die neuen Herrchen bemerken dann nach kurzer Zeit, dass sie mit dem Hund nicht klar kommen und er landet dann im Tierheim.
„Ein Großteil der Tiere, die ins Tierheim kommen sind in einem guten Zustand, oft aber sind sie zu dick als zu dünn. Es kommt sehr selten vor, dass die Tiere in einer derart schlechteren Verfassung sind, dass der Tierarzt sie einschläfern muss.“
„Insgesamt haben wir 30 Hundezwinger in unterschiedlichen Größen und wir können maximal 50-60 Katzen beheimaten. Kapazitäten für Kleintiere wie Kaninchen, Meerschweinchen etc. haben wir für maximal 30.“
Gunda Springer, Tierpflegerin Konrad-Adenauer-Tierheim
Jedes Fundtier und andere Sicherstellungen müssen und werden bei uns aufgenommen. Das sorgt natürlich für Platzmangel, da die Tiere nicht genug Auslauf bekommen. Die Corona-Pandemie hat die unterschiedlichsten Auswirkungen auf diverse Unternehmen und natürlich auch auf die Tiervermittlung. Viele Menschen glauben nun viel mehr Zeit zu haben, um sich um ein Tier zu kümmern. Aber dies stimmt nur bedingt, denn es gibt auch eine Zeit nach Corona. Dies erklärte Frau Springer explizit am Beispiel von Kleintieren, hier war die Vermittlung durchaus positiv. Anders aber bei Hunden und Katzen:
Aber wie wird das Tierheim finanziert und kann man es zusätzlich noch unterstützen? „Die Finanzierung setzt sich sehr unterschiedlich zusammen. Das geschieht hauptsächlich über private Spenden, Erbschaften und nicht zu vergessen über diverse Stiftungen, die das Tierheim finanziell unterstützen. Außerdem haben wir einen Vertrag mit der Stadt Köln, für jedes Tier, welches durch die Stadt in das Tierheim vermittelt wird, erhalten wir einen Tagessatz also für die Versorgung und Unterbringung.“
Nicht zu vergessen sind natürlich die freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer, denn auf diese Hilfe ist das Tierheim sehr angewiesen. Diese übernehmen mannigfaltige Aufgaben. Da gibt es beispielsweise die sogenannten „Gassi Geher, die Katzenstreichler, die sich mit den Katzen beschäftigen und natürlich die Menschen, die bei der Tierpflege, Versorgung und Putzerei helfen.“
Hier bekommen Tiere eine zweite Chance, die keine Stimme haben
Hunde, Katzen, Vögel und Nagetiere: viele Tiere befinden sich derzeit in einem der 519 Tierheime in Deutschland und warten auf ein neues Zuhause. Wer ein Tierheim-Bewohner aufnehmen möchte, übernimmt eine große Verantwortung. Im Tierheim wird daher sehr gewissenhaft überprüft, ob eine Vermittlung infrage kommt: Wie sind die Lebensumstände, die finanzielle Situation und die Wohnsituation der potentiellen Tierhalter? Und natürlich das Wichtigste, passen Tier und Herrchen zusammen? Tierschützerin Maren Hoops vom Tierheim und Tierschutzverein Hannover erklärt, dass die Kriterien für eine Vermittlung von Tier zu Tier und auch vom Tierheim selber stark abweichen können. Grundsätzlich kann jede Person ab 18 Jahren mit festem Wohnsitz ein Tier vermittelt bekommen. Zudem muss vor einer Vermittlung ein Vorkontrollbogen von den Tierhaltern ausgefüllt, in denen sie Auskunft über ihre Wohn- und ihre finanzielle Situation geben müssen. Dabei wird beispielsweise konkret gefragt, auf wie viel Quadratmetern eine Person wohnt, ob ein Vermieter im Falle einer Mietsituation mit einem Haustier einverstanden wäre oder auch ob, die finanziellen Mittel ausreichend sind, um anfallende Tierarzt- und Futterkosten zu bezahlen. Beispielsweise ist bei Vögeln und Kleintieren eine zusätzliche Voraussetzung, dass die Tiere nicht in kleinen Käfigen gehalten werden und vor allem, dass auch Partnertiere vorhanden sein sollten. Auch die Dauer und die Kosten der Vermittlung hängen vom Tier ab.
„So kann es sein, dass manche Tiere noch am selben Tag in ein neues Zuhause gehen dürfen und andere Tiere erst nach einem wochenlangen Kennenlernen vermittelt werden.“
Maren Hoops, Tierinspektorin im Tierheim und Tierschutzverein Hannover
Zukünftige Hundehalter müssen mehrfach ins Tierheim kommen, um das Tier näher kennenzulernen. Dafür sind oftmals viele gemeinsame Spaziergänge notwendig. Zusätzlich wird vom Tierheim eine Schutzgebühr erhoben. Diese deckt einen kleinen Teil der notwendigen Ausgaben für Futter, medizinische Versorgung und Pflege und kann zwischen 20 und 350 Euro variieren. Sind alle vom Tierheim vorausgesetzten Kriterien erfüllt, wird eine Abgabeuntersuchung von einem Tierarzt durchgeführt und danach darf das Tier in sein neues Zuhause einziehen. Laut Maren Hoops ist jedoch in einigen Fällen eine zusätzliche Vorkontrolle bei den potentiellen Tierhaltern zuhause erforderlich.
„Dies geschieht, wenn, vor der Vermittlung mit den Interessenten ein komisches Bauchgefühl aufkommt oder sich die Interessenten in Widersprüchen verstricken.“
Maren Hoops, Tierinspektorin im Tierheim und Tierschutzverein Hannover
Seit über 12 Jahren setzt sich Maren Hoops nun schon für den Tierschutz ein. Insbesondere ist sie dabei für die Inspektionen der Tierhalter zuständig. Als Tierinspektorin kümmert sie sich sowohl um Nachkontrollen nach einer Tiervermittlung, als auch um Inspektionen bei denen anonym auf Missstände in der Tierhaltung hingewiesen wurde. Bei den Routine Nachkontrollen wird dann überprüft, ob es Probleme zwischen dem Menschen und dem Tier gibt, wie sich das Tier verhält und in welchem Zustand das Tier ist. Außerdem wird natürlich kontrolliert, ob die Angaben in der Selbstauskunft mit den Wohnverhältnissen übereinstimmen. Auch Impfungen und Tierarztbesuche werden in den Nachinspektionen kontrolliert. Die betroffenen Haushalte werden dann in der Regel unangekündigt besucht, um sich dort nach dem Wohl der Tiere und den Haltungsbedingungen zu erkundigen. Falls eine Gefährdung des Wohls und der Gesundheit eines Tieres vorliegt, werden Aufklärung und Hilfestellung angeboten. In den betroffenen Haushalten geht es häufig um Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, sich um ein Tier zu kümmern, beispielsweise aufgrund von Krankenhaus-, Psychiatrie- oder Gefängnisaufenthalten. In den Fällen, wo die Beratung und Hilfestellung nicht ausreicht, wird ein Tier im Zweifel den Besitzern entzogen und in extremen Situationen muss dann die Polizei und das Veterinäramt hinzugezogen werden.
Jedoch verlaufen derartige Inspektionsbesuche nicht immer negativ und gehören dennoch zu Maren Hoops liebsten Aufgaben als Tierschützerin.
„Die Nachkontrollen machen mir sehr viel Spaß, da man in den meisten Fällen sieht, wie gut es den Tieren geht und man sich für die Tiere freuen kann, dass sie ein tolles Zuhause gefunden haben.“
Maren Hoops, Tierinspektorin im Tierheim und Tierschutzverein Hannover
Das Leben mit Hund auf der Straße
Holen sich Obdachlose einen Hund eigentlich nur zum Schnorren? Stattdessen ist der Hund für sie vielmehr ein ständiger Freund und Begleiter zugleich.
„Dem Hund ist es egal wie du aussiehst oder was du trägst, er ist einfach gerne bei dir“, sagt Jürgen D. Sein Rüde Mr. Cool ist für ihn der wichtigste Freund, deswegen begleitet er ihn auch überall hin. Der ehemalige Künstler lebt tagsüber mit seinem Hund auf der Straße und abends in einem Zimmer bei Bekannten. Eine eigene Wohnung besitzt er nicht.
„Mit dem Hund fühle ich mich immer sicherer.“
Jürgen D.
Hunde weichen den Obdachlosen nicht von der Seite und geben ihrem Tag so auch eine Struktur. Jürgen ist schon als Kind mit Hunden aufgewachsen und Mr. Cool ist nun schon sein dritter eigener Hund, der ihn seit Jahren begleitet. Als Belastung sieht Jürgen seinen Hund nicht. „Der Hund finanziert sich selbst“ meint er. Viele Passanten gäben auch gerne mal ein paar Euro mehr oder schenken Hundefutter, welches sie zuvor im Geschäft gekauft haben. Im Gegenteil, Jürgen sieht seinen Mr. Cool eher als Bereicherung, denn er gibt ihm die nötige Kraft und Energie die einem manchmal fehlt.
„Mein Hund nimmt mich so wie ich bin und andersrum.“
Jürgen D.

Ein neues Zuhause – Tierheim, Züchter oder Auslandstierschutz?
Die Tierheime in Deutschland sind voll und sie werden immer voller. Täglich kommen neue Anfragen Hunde zu übernehmen, deren Halter überfordert sind oder sich nicht mehr um die Tiere kümmern können. Der Schmerz der Tiere ist dann oftmals sehr groß, denn sie verstehen natürlich nicht, weshalb sie nicht mehr in ihr altes Zuhause zurückkehren können. Viele der Tiere kommen aber auch aus dem Ausland, wo sie dort aus den schlimmsten Bedingungen gerettet wurden. All die Hunde, Katzen, Vögel, Kleintiere und Reptilien warten dann auf einen neuen menschlichen Freund, der ihnen eine zweite Chance im Leben schenkt. Doch was muss man bei einer Adoption überhaupt beachten? Wie ändert sich das Leben mit einem Haustier und warum entscheiden sich doch so viele zu einem Züchter zugehen?
Einer armen Seele ein neues Zuhause schenken. Eine tolle Idee, die viele potentielle Hundehalter in Erwägung ziehen. Ist die Adoption eines Tierschutz-/ Tierheimhundes endgültig, kann es auf die Suche nach einem passenden Vierbeiner gehen. Doch auf was muss man alles achten, wenn ein Tier aus dem Tierschutz oder Tierheim einziehen soll? Wichtig ist, dass ein sogenannter „Schutzvertrag“ bei der Adoption von Tieren mit dem werdenden Hundebesitzer abgeschlossen wird. Das gilt für gilt sowohl für die Tierheime in Deutschland, als auch für Tierschutzorganisationen im Ausland. Dieser Vertrag regelt sowohl Pflichten als auch Rechte, sodass er für beiden Seiten von Interesse ist. Außerdem sollte man drauf achten, dass man an keinen unseriösen Tierschutzverein gerät, welche die Tiere zum Teil auch krank züchten. Es ist sinnvoll, das Internet nach dem Namen des Tierschutzvereines zu durchsuchen und auf die Steuernummer sowie einen festen Ansprechpartner zu achten.
„Der Hund ist das einzige Lebewesen auf der Erde, das Sie mehr liebt, als sich selbst.“
Josh Billings
Kinder die mit Tieren aufwachsen, leben in einer anderen Umwelt als Kinder, die ohne Tiere aufgewachsen sind. Viele entwickeln automatisch eine Tierliebe in sich und lernen im laufe des Lebens eine gewisse Verantwortung zu übernehmen. Außerdem geben die Tiere einem einen enormen Lebensmut und sind immer für einen da, egal ob man mal schlechte oder auch gute Tage hat.
„Sie schenken einem so viel Liebe und bereichern einfach so sehr das Leben.“
Jamie-Luisa Hegenbart
Man kann einfach sagen, dass Tiere den Menschen unglaublich glücklich machen.
Warum entscheiden sich doch so viele zum Züchter zu gehen, solange noch so viele Tiere im Tierheim sitzen?
Viele haben ihre eigene Meinung und Erfahrungen gemacht. Der eine schlechte mit einem Hund vom Züchter, der andere mit einem Hund aus dem Tierschutz, der eine hat einen kranken Rassehund, der andere einen problematischen Mischling. Doch im Endeffekt liegt die Entscheidung ganz bei einem selbst, für welchen Hund, aus welchen Bedingungen man sich entscheidet. Doch oftmals stellt man sich die Frage, warum sich doch so viele dazu entscheiden zum Züchter zu gehen, solange noch unzählige Tiere im Tierheim sitzen und auf ein neues Zuhause warten? Für die meisten Hunde-/Tierbesitzer sind die Tierheim Kosten zu teuer und der Aufwand zu Groß sich ein neues Familienmitglied aus dem Tierheim anzuschaffen. Der Großteil möchte auch viel lieber einen reinrassigen Hund haben, dies kann oft an der Unsicherheit zu Tierheim-/ Tierschutzhunden liegen. Oftmals wissen die Hundebesitzer nicht, was sie jetzt genau für einen Hund bekommen. Was die Vorgeschichte des Hundes ist? Ob er mögliche Krankheiten hat? Oder ob er überhaupt zu einem passt? Doch die meisten Menschen können diese Gedankengänge nicht verstehen und würden sofort einen Hund bzw. ein Tier aus dem Tierheim oder Auslandstierschutz retten.
Bildung – Mangelhaft
Deutschland. Nach dem Bruttoinlandsprodukt das viertreichste Land der Welt. Trotzdem scheint es an einigen Stellen immer am Geld zu mangeln. So soll es auch im Bereich Bildung an Geldern fehlen. Schulen müssten renoviert, Lehrer besser ausgebildet, Digitalisierung ausgebaut und Kinder besser betreut werden. Ist dies wirklich der Fall oder steht es um die Finanzierung des deutschen Bildungssystems besser als gedacht?
Herr Schmitz, Schulleiter an meiner alten Grundschule, der GGS Heidkamp in Bergisch Gladbach. Ich bin bald seit 10 Jahren kein Schüler dieser Schule mehr und habe mich nun für ein Interview mit ihm getroffen, um herauszufinden, ob deutsche Schulen, insbesondere Grundschulen, unterfinanziert sind.
Bildung wird international mit Hilfe der OECD-Studien verglichen. Die OECD ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und hat 37 Mitgliedsländer. Deutschland gibt nach der OECD-Studie nur 5,1% des Bruttoinlandsproduktes für Bildung aus. Der Durchschnitt liegt jedoch bei 6,1% des BIP. Allerdings sind in Deutschland nur 30% der Bevölkerung in dem Alter, in welchem sie von den Ausgaben profitieren würden. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 39%. Die Ausgaben pro Schüler lassen einen besseren Vergleich zu. So gibt Deutschland pro Schüler 15% mehr aus als der Durchschnitt. Die Verteilung dieser Gelder gestaltet sich jedoch anders, als in den meisten Ländern. So gibt Deutschland besonders viel Geld für Kindertagesstätten, die Oberstufe und Berufsausbildungen aus. Für Grundschulen gibt Deutschland 8,6% weniger aus.
In Deutschland bezahlen die Bundesländer die Lehrer. Für die Schulen und das Material muss jedoch die Stadt aufkommen.
Dies führt zu Problemen, da die Städte die Vorgaben des Bildungsministeriums erfüllen müssen, diese jedoch nicht immer Umsetzen können, da die finanziellen Mittel im Haushalt nicht gegeben sind. Daraus resultiert, dass die einzelnen Schulen selber gut wirtschaften müssen. Also wird immer abgewägt, welche Anschaffungen von Nöten sind und welche Sponsoren sich bereit erklären die Schule finanziell zu unterstützen. So schreitet die Digitalisierung nur schleichend voran und auch Sanierungen kommen oft zu kurz. Auch meine alte Grundschule hat sich in den knapp 10 Jahren kaum verändert. Und das obwohl die bestehenden Räume kaum mehr ausreichen.
Es fehlen jedoch nicht nur Räume. Auch neue Lehrkräfte gehen nicht gerne an Grundschulen. Das liegt daran, dass sich das Studium zwischen den einzelnen Schulformen kaum unterscheidet, Gymnasiallehrer jedoch soviel verdienen, wie ein Schulleiter einer Grundschule. Dadurch entschieden sich viele angehende Lehrer für die Schulform, die die bessere Bezahlung hat. An der Stelle müssten die Bundesländer eingreifen und gleiche Gehälter einführen, um so die Schulform Grundschule für neue Lehrer attraktiv zu halten. Solch ein System funktioniert bereits in Skandinavischen Ländern. Dort erhalten alle Lehrer ungefähr das gleiche Gehalt und werden als gleichermaßen wichtig angesehen.
Diese Probleme sind schon länger bekannt und werden schleichend bekämpft. Jedoch hat die Corona-Pandemie diese und weitere Probleme so deutlich wie noch nie aufgezeigt. Ein weiteres großes Problem ist die schlechte Digitalisierung. So waren keine Endgeräte, wie zum Beispiel Tablet-Computer oder überhaupt eine interne Software verfügbar, welche es den Lehrern ermöglicht hätte die Schulkinder zu kontaktieren beziehungsweise zu unterrichten. Eine Kommunikationsplattform soll kommen, ist jedoch noch nicht eingerichtet. Selbst wenn die grundlegendsten Vorraussetzungen für digitalen Unterricht gegeben gewesen wären, so existierten keine Vorgaben oder Maßnahmen für digitalen Unterricht mit den Kindern. Es muss beachtet werden, dass es sich um Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren handelt, welche im Umgang mit online Medien nicht so geschult und erfahren sind, wie zum Beispiel Oberstufenschüler. Außerdem sind, wie bereits erwähnt, keine Endgeräte zur Verfügung gestellt worden. So waren die Kinder darauf angewiesen, dass es im privaten Haushalt solche Geräte gibt. War dies nicht der Fall, so waren diese Kinder ausgeschlossen und konnten nicht an Videokonferenzen mit den Lehrern teilnehmen.
Dadurch vergrößerte sich bereits bestehende Bildungsungerechtigkeit und Schüler aus Haushalten, in welchen es an finanziellen Möglichkeiten mangelt wurden benachteiligt und könnten eventuell schulische oder soziale Rückschläge erfahren, da sie nicht in der Lage waren am Unterricht teilzunehmen. Das größte Problem bestand jedoch darin, dass die Familien mancher Kinder nicht mehr erreicht werden konnten. So konnte kein Lehrmaterial zugestellt werden und den Lehrkräften war es nicht möglich sich nach den Schülern zu erkunden und sicherzustellen, dass überhaupt eine Form des Lernens möglich ist.
Es gibt aber auch andere Auswirkungen der Videokonferenzen. So wurde die Schule angeklagt, da die Rechtslage für die Videokonferenzen unklar war und diese einen großen Einblick ins private Leben der Haushalte ermöglicht haben. Der Rechtsstreit hält noch an.
Auch wenn die Stadt begonnen hat diese Probleme zu bekämpfen, so fehlt noch einiges an konkreter Durchführung.
Während zu Beginn der Corona-Pandemie die Schulen geschlossen wurden und für halbwegs akzeptablen Unterricht die digitale Ausstattung in den Vordergrund rückte, so musste zur Öffnung der Schulen ein Hygienekonzept vorliegen und die Stadt die Hygienemittel zur Verfügung stellen. Dies hat ohne Probleme funktioniert und zumindest an der hygienische Ausstattung mangelt es nicht, somit kann ein geringes Infektionspotential mit dem Corona-Virus gewährleistet werden.
Die Hygienevorschriften werden eingehalten und die Stadt unterstützt die Schule in diesem Hinblick gut. Für digitales Lernen wurden die Grundsteine gelegt, es muss sich aber weiterentwickeln, um wirklich genutzt werden zu können. Zwei Probleme, welche erst in der Zukunft gelöst werden können sind die schlechte Bezahlung von Grundschullehrern und der Bedarf an neuen Räumen, speziell an dieser Schule. Jedoch gibt es ein Problem, welches nicht so offensichtlich ist und welches viel Kreativität bei der Lösung fordert. So sind die Grundschulen die einzigen „echten“ Gesamtschulen und funktionieren mittlerweile nach dem Ganztags-Prinzip, da immer mehr Schüler auf eine Nachmittagsbetreuung angewiesen sind. Durch diese Art der Umgestaltung der Schulform Grundschule ist ein höheres Maß an Integration und Inklusion erforderlich. Dieses Maß ist nur mit höherer finanzieller Unterstützung erfüllbar.
Grundschulen müssten vollends zu Ganztagsschulen weiterentwickelt werden und es müsste genau festgehalten werden, was benötigt wird. Ansonsten wird sich wenig ändern.
Bezogen auf meine alte Grundschule lässt sich sagen, dass dies zum Glück der Fall ist. So ändert es sich nicht alles so schnell wie es sollte, doch langsam beginnt es. Für andere Grundschulen der Stadt wurden bereits Erweiterungen der bestehenden Gebäude angekündigt.
Dies lässt hoffen, dass zukünftige Grundschulkinder von der Entwicklung profitieren könnten.
Bands unter Quarantäne
Lesezeit: 8 Minuten
Der erste vollständig abgesagte Festivalsommer in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg: Wie ergeht es den betroffenen Künstlerinnen und Künstlern sowie den Festivals mit dem konzertfreien Sommer?
Mehr oder weniger eiskalte (alkoholische) Getränke, eine Masse an tanzfreudigen Leuten, wenig Schlaf und viel Musik: So kennen wir den Festivalsommer normalerweise— doch nicht in diesem Jahr! Das neue Jahrzehnt begann vielversprechend und endete für viele seelisch schon nach wenigen Monaten. Schuld daran ist das zunächst harmlos erscheinende Coronavirus, welches sich nach kürzester Zeit zu einer weltweiten Pandemie ausbreitete. Wo nun manche Menschen ihrem abgesagten Urlaub hinterher trauern, haben die Festivalgänger dieses Landes ganz andere Sorgen. Vorerst wurden bis zum 31. August alle Großveranstaltungen abgesagt. Darunter fallen auch die bekanntesten deutschen Festivals, wie Rock am Ring, das Melt!Festival oder auch das Hurricane Festival. Jedoch sind nicht die großen Festivals und international bekannten Künstlerinnen und Künstler diejenigen, um dessen Existenz man sich derzeit sorgt. Liveauftritte auf regionalen Festivals und Menschen, die Lust auf neue und unbekannte Musik haben, sind die Chance auf den großen Durchbruch für Newcomer Bands oder für Acts, die einfach nur Bock haben auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen. Egal welches Ziel von den einzelnen Bands verfolgt wird, die Absage der Festival-Saison 2020 trifft jeden Beteiligten.
So auch das Green Juice Festival, welches erstmalig seit 13 Jahren ihre Veranstaltung mitten im Wohngebiet in Bonn absagen musste. Angefangen hat das Green Juice damals mit einer kleinen Bühne, befreundeten Bands, 200 Zuschauern und gegrillten Würstchen. Mittlerweile spielen an zwei Tagen im Spätsommer rund 14 Newcomer- sowie bereits etablierte Artists vor 7.500 Besuchern pro Tag. Es gibt eine Main Stage für die gebuchten Bands und eine DJ Stage, um die Zeit zwischen den Acts zu verkürzen und weiterhin für eine ausgelassene Stimmung zu sorgen. Neben diversen Getränken- und Imbissständen bietet das Green Juice normalerweise auch einen Campingplatz für Camper mit Zelt oder Van, bzw. Wohnmobil.
Das Verbot kam laut des Pressesprechers des Green Juice Festivals Julian Reininger plötzlich, jedoch war es auch vorhersehbar. Nach kurzer Zeit der Verarbeitung folgte das Einstellen jeglicher Arbeit. Maßnahmen, wie die Absage aller Interviews oder das vorzeitige Ende des Designen der Banner, mussten getroffen werden, um Zeit und Geld zu sparen. Julian Reininger gibt zu: „Es ist traurig. Man arbeitet das ganze Jahr über auf diese zwei Tage hin und dann erfolgt die Absage. Jedoch waren wir um die finale Aussage der Regierung auch froh, denn so hatten wir endlich etwas Handfestes, womit wir arbeiten konnten.“ Gerade in einer Situation wie dieser zählt der Zusammenhalt. Das Festival trotz der Corona-Krise und unter den Hygienevorschriften stattfinden zu lassen, war keine Alternative für die Veranstalter. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Verantwortung ist zu groß und ein Musikfestival ist ohne die Masse an laut singenden und ausgelassen tanzenden Campern auch kein richtiges Musikfestival.
Letztendlich hat der, durch ein „Corona-Festival“ enstehende, herbe finanzielle Verlust auch die letzten Befürworter verstummen lassen. Denn unter den Hygienevorschriften, hätte das ganze Festival in einer kleineren Form mit weniger Besuchern stattgefunden, weshalb Sponsoren weniger Geld gezahlt hätten. Doch die Bands hätten den gleichen Aufwand betreiben müssen und deshalb auch ihr volles Gehalt erhalten. „Da legen wir doch lieber auf das Line-Up 2021 noch einen drauf und freuen uns auf nächstes Jahr!“, teasert der Pressesprecher. Welcher großer Act zusätzlich auf dem Green Juice Festival 2021 auftreten wird, wollte er dann aber nicht verraten.
Einen weiteren Grund zur Vorfreude auf Seiten der Veranstalter und der Besucher im nächsten Jahr, wurde schon vor einigen Wochen auf der Webseite bekannt gegeben. Mit Ausnahme des Solo-Künstlers Drangsal haben alle weiteren Artists, die eigentlich für dieses Jahr gebucht waren, längst für 2021 zugesagt. Zusätzlich zu dem Support der Bands, freuen sich die Veranstalter auch über die Unterstützung der Fans des regionalen Festivals. Julian Reininger scheint nicht nur überaus erfreut über die vielen Merch-Bestellungen, sondern auch über die geringe Anzahl der zurückgegeben Tickets. Die meisten Stornierungen haben sie für Tagestickets erhalten, welche jedoch dann oftmals in Wochenendtickets eingetauscht wurden.
Um die Wartezeit bis zum 30. Juli 2021 zu verkürzen und die Konzert-Fans nicht zu lange auf Entzug zu setzen, ist das Green Juice ein Teil des Streaming-Festivals von der Organisation Festival für Festivals. Diese hat aufgrund der Pandemie eine Aktion ins Leben gerufen, um mit den Einnahmen Festivals, wie das Green Juice, zu unterstützen. Bis zum 20. August kann man sein Lieblingsfestival oder alle weiteren 156 teilnehmenden Festivals durch den Kauf der sogenannten „Festivalbox“ oder dem „Festivalbändchen“ finanziell unterstützen. Daraufhin können alle virtuellen Besucherinnen und Besucher vom 21. bis zum 23. August ihr eigenes kleines Festival von Zuhause aus feiern und die unterschiedlichsten Streaming-Angebote der Organisation nutzen. Von der Teilnahme bei Festival für Festivals profitieren also nicht nur die Fans!
Neben den Festivals, sind natürlich auch die Artists von dem veranstaltungsfreien Sommer betroffen. So auch die Newcomer Indie Band wildfire., welche in diesem Jahr auf zehn Festivalauftritte deutschlandweit verzichten muss. Die vier Bandmitglieder Michel, Eric, Fabian und Jonas haben sich 2018 zusammengefunden und spielten bereits ein Jahr später als Gewinner eines regionalen Bandcontests auf dem Green Juice Festival.
Der erste Gedanke der Band nach dem offiziellen Verbot der Bundesregierung lässt sich ganz einfach in zweieinhalb Worten zusammenfassen: „Was ‘ne Scheiße!“. Gerade für Newcomer Bands sind die regionalen Festivals eine gute Chance, um Reichweite zu generieren und sich eine größere Fanbase aufzubauen. Ausgerechnet in diesem Jahr hatte die Band auch noch große Pläne: Das erste Festival in Norddeutschland stand auf der langen Liste von Auftritten.
Um nicht komplett auf das Bühnenfeeling verzichten zu müssen, hat Fabian, der Sänger und Gitarrist der Band, erste Erfahrungen mit Streaming-Auftritten gesammelt. Für das Format „Bonn Live“ spielte er eine kurze Akustiksession im Posttower in Bonn vor vielen Kameras, jedoch keinem Publikum. Für weitere Online-Streaming Aktionen konnte sich die Band dann aber nicht begeistern lassen. „An das Gefühl eines live Auftritts kommt einfach nichts heran!“, begründet der Schlagzeuger Eric diese Entscheidung. Außerdem stellen sich die vier Jungs die Frage: „Wer guckt sich sowas wirklich an?“. Die sozialen Medien sind bereits überladen mit Online-Sessions von großen internationalen Künstlerinnen und Künstlern sowie von den kleinsten lokalen Bands. Auf ihrem Instagram Account konnte die Band aufgrund ihrer Inaktivität zwar weniger Profilaufrufe feststellen und somit auch eine geringere Follower-Generierung, doch die Zahlen der Spotify Streams sind hingegen stabil geblieben. Letztendlich geht es wildfire. auch eher um ihre Musik, als um irgendeine Zahl bei Instagram.
Auch die große Sehnsucht nach live Auftritten bringt wildfire. nicht dazu, etwas zur weiteren Überladung auf den sozialen Plattformen beizutragen. Aus finanzieller Sicht müssen sie dies auch nicht, denn für Fabian, Eric, Michel und Jonas ist die Musik bisher (leider) immer noch ein Hobby. Auch wenn die Band nichts dagegen hätte hauptberuflich als Musiker durchzustarten, bieten ihnen die Ausbildung zum Rettungssanitäter oder das Rescue-Management Studium einen großen Vorteil in Zeiten der Pandemie: privat finanzielle Unabhängigkeit von der Musikszene. „Uns ist einiges durch dir Lappen gegangen!“, gesteht der Keyboarder Michel, „Aber es hat uns nicht so hart erwischt, dass wir jetzt aufhören müssen und uns beispielsweise kein neues Kabel mehr leisten könnten.“ Die guten Rücklagen aus dem letzten Jahr und das Reinvestieren in die Band gehört zur finanziellen Kalkulation der vier Jungs, denn die Musikbranche bietet insbesondere für Newcomer zunächst eine gewisse finanzielle Unsicherheit.
Neben den Gagen für die Festivalauftritte, fiel auch für drei Monate die Bandprobe aus. Und was macht man als Musiker, wenn man drei Monate lang nicht proben kann? Man schreibt und komponiert neue Songs! So hat auch wildfire. die Zeit genutzt, um nach Inspiration für neue Texte und Melodien zu suchen und einfach mal den Kopf frei zu bekommen — mit Erfolg! Die Motivation ist trotz der fehlenden Auftritte so hoch, wie lang nicht mehr. Auch die in den drei Monaten entdeckten Ideen für neue Songs, bieten den vier Bandenmitgliedern allen Grund zur Vorfreude auf die bevorstehenden Projekte.
Mit mehr Zeit, weniger Druck und einem neuen Produzenten beschäftigen sie sich musikalisch derzeit nicht nur im Proberaum, sondern auch im Studio. Geplant ist die Veröffentlichung von zwei bis drei neue Singles, ein Musikvideodreh und vor allem eine deutschlandweite Tour. Diese musste leider durch die eher pessimistischen Planungsmöglichkeiten aufgrund von Corona auf den Herbst 2021 verlegt werden. Jedoch findet vor der Tour erst einmal der Festivalsommer 2021 statt, wo die Band von fast allen Festivals aus 2020 wieder angefragt wurde. Dann können sich nicht nur Fans des Indie/Pop/Rocks in der Kölner Region über einen neuen Sound freuen, sondern auch alle Festival- und Tourneebesucher deutschlandweit!
Der Alternative/Indie/Punkrock Sound der Berliner Band Shirley Holmes überzeugt bereits seit einigen Jahren Fans in ganz Deutschland. Das Trio, bestehend aus Gitarristin Mel, Bassistin Miss Ziggy und Schlagzeuger Chris, hat der Newcomer Band wildfire. zwar schon die Veröffentlichung von drei Alben voraus, dennoch stehen auch sie vor dem gleichen Problem. Wohingegen sich Miss Ziggy schon auf die Absage des Festivalsommers eingestellt hatte, bestand bei Mel noch Hoffnung auf Festivals im Spätsommer. Diese wurde ihr dann allerdings schnell wieder genommen und die Enttäuschung machte sich bei allen Bandmitgliedern breit, denn auch sie hatten großes geplant.
„The real life ist immer noch the real shit.“
Shirley Holmes
Trotz des Verzichts auf mindestens zehn Festivalauftritte in diesem Jahr, sind Online-Streaming oder Autokonzerte keine Alternative für die Band. „ Der Austausch und die physische Nähe zu unserem Publikum sind wichtig für uns und unsere Bühnenenergie; sind ein essentieller Teil unserer Konzerte, und das ist beim Online-Streaming eben nicht gegeben.“, begründet Shirley Holmes ihre Entscheidung. Auch bei der ersten Probe nach dem Lockdown bemerkte das Trio schnell, wie befreiend das reale Spielen miteinander für sie ist. Insbesondere nach all den Zoom calls, Mails und Messages, um den Release ihres neuen Albums „Die Krone der Erschöpfung“ zu planen. Die Band ist ganz klar der Meinung: „The real life ist immer noch the real shit.“
Trotz der Pandemie und der ausschließlich digitalen Kommunikation, oder vielleicht auch gerade deswegen, kam das im April veröffentlichte Album ziemlich gut an und brachte ihnen Features, Interviews und Rezensionen u.a. in der taz, VISIONS oder auch dem Rolling Stone ein. Ob diese umfangreiche Aufmerksamkeit nun allein an der hohen Qualität des Albums, an dem neuen Label oder an Covid-19 liegt, lässt sich nicht feststellen. Fakt ist jedoch, dass Shirley Holmes die neu gewonnene Zeit ausreichend genutzt hat und weiterhin nutzen wird. Die Planung für das restliche Jahr ab dem 31. August steht bevor, auch wenn sich diese bisher als ziemlich nervenaufreibend und zeitintensiv entpuppt hat. Trotzdem versuchen Mel, Miss Ziggy und Chris neben dem Schreiben der Newsletter, der Social Media Planung und einem Videodreh mal die Füße hochzulegen und sich eine Pause zu gönnen.
Diese können sich die drei Berliner auch erlauben, denn trotz des hohen Zeitaufwandes arbeiten sie hauptberuflich in anderen Bereichen. Somit ist keiner von Existenzängsten betroffen, selbst wenn die Bandkasse in diesem Jahr etwas leerer ausfällt. Neben den fehlenden Einnahmen, beschäftigt das Trio die eingeschränkte Bekanntheitssteigerung. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Newcomer Band, wie wildfire., oder um eine bereits etablierte Band, wie Shirley Holmes, handelt; jeder Artist profitiert von der Reichweitengenerierung durch Festivalauftritte. Außerdem hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass jedes gespielte Konzert zu einem Folgeengagement führt und so auch zu einem höheren Umsatz, welcher nun in diesem Jahr wegfällt. Einen Vorteil bietet die Absage des Festivalsommers dann doch, denn auch Shirley Holmes wurden von allen Festivals aus 2020 wieder für das nächste Jahr gebucht.
Egal also, ob Festival oder Artist, die Situation stellt nicht nur die Nerven der deutschen Festival-Fans auf die Probe. Doch gerade die Fans können die Musikszene in der Pandemie am Besten unterstützen. Wie? Die Nachricht der Veranstalter und Bands an die Öffentlichkeit lautet ganz klar: „Behaltet oder kauft Konzert-, bzw. Festivaltickets, bestellt Merch und CDs, streamt eure Lieblingsbands, wünscht euch die Songs im Radio und vor allem: Traut euch raus, wenn die ersten Veranstaltungen wieder möglich sind und schätzt einfach mal wieder mehr die Live-Musik!“
(Alle in diesem Artikel genannten Proben und bevorstehenden Projekte werden nach dem aktuellen Stand der Hygienevorschriften der Bundesregierung abgehalten.)
Horoskope – mentale Stütze oder Gefahr?
Hörzeit: ca. 10 Minuten / von Inci Kegel, Daniela Schindowski und Alina Langreck
Schon immer haben Menschen sich mit dem Thema Astrologie auseinandergesetzt und untersuchten die Bedeutung der Sternkonstellationen, Sternbilder und welche Wirkungen diese haben. Seit einigen Jahrzehnten beschäftigen sich viele Leute immer mehr mit ihrem Sternzeichen und den dazugehörigen möglichen Bedeutungen. Vor allem Horoskope sind da eine beliebte Quelle, um sich wöchentlich seine Zukunft vorhersagen zu lassen. Die Aussagen werden dabei meist nicht hinterfragt und automatisch als wahr hingenommen. In diesem Podcast haben wir sowohl einen Astrologen und eine Redakteurin, als auch Leser zum Thema Horoskope befragt. Da dieses Thema nur selten in den Medien aufgegriffen wird, hoffen wir, dass wir euch hiermit einen genaueren Einblick in die Welt der Astrologie und Erstellung von Horoskopen geben können.
Viel Spaß beim Anhören!
Eine Multimedia-Reportage von Marie Möllecken, Lea Drunkenmölle, Malina Claßen und Svenja Loewenich
Modelabels produzieren bis zu 24 neue Kollektionen pro Jahr
Eine Millionen Tonnen Textilien werden jedes Jahr weggeschmissen
Jedes fünfte Kleidungsstück wird nie getragen
Eine Milliarde Tonnen CO2 fallen bei der Produktion von Kleidung an

Der Modekonsum unserer Gesellschaft gleicht einem Wahnsinn und damit dem Phänomen Fast Fashion. Wir kaufen laut Greenpeace (2015) jährlich 60 neue Kleidungsstücke und besitzen durchschnittlich 95 Kleidungsstücke.
Dem ZDF (2019) zufolge könne ein Modelabel jährlich bis zu 24 neue Kollektionen entwickeln und herausbringen. Daher seien im Jahr 2000, 50 Milliarden Kleidungsstücke gezählt worden und 15 Jahre später schon 100 Milliarden.
Die Folge dessen seien pro Jahr über eine Milliarden Tonnen CO2, die durch die gesamte Textilindustrie verursacht werden. Laut Aussage des DW entspreche die Menge CO2 allen internationalen Flügen und Schifffahrten zusammen.
Allgemein landen alleine in Deutschland jährlich eine Millionen Tonnen Kleider im Altkleidercontainer, da nach Greenpeace (2017) jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen werde (19%) und nur 8,9 % ihre Kleidungsstücke um stylen.
Den Berichten von Greenpeace (2017) kann entnommen werden, dass während der Produktion von Kleidungsstücken über 70 gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien verwendet werden. Ferner können bei einer Waschladung von sechs Kilogramm bis zu 700.000 Mikrofaser in die Umwelt treten.
Ein Wandel ist also sowohl für die Umwelt, als auch für die Gesellschaft von Nöten.
Laut Thomas Ahlmann, dem Geschäftsführer der FairWertung in Essen, seien Altkleider-Container mit 80% die beliebteste Möglichkeit der Deutschen, Textilien auszusortieren. Leider finden die Organisationen, die die Container zirka einmal pro Woche anfahren, aber unter den Textilien auch immer wieder Dinge wie Grünschnitt, Möbel oder sogar Schlachtabfälle.
„Mode ist zur Wegwerfware geworden“, sagt Ahlmann außerdem und erklärt, dass das vor allem durch die Fast Fashion-Labels getriggert wird. Statt drei bis vier Kollektionen pro Jahr führen einige Läden mittlerweile bis zu 56, die dafür auch durch schlechte Qualität gekennzeichnet sind. Aufgrund dessen seien aber auch die Textilien, die sich in den Altkleider-Containern finden oft von derselben schlechten Qualität und kaum mehr für Second Hand-Zwecke verwendbar, so Ahlmann. Trotzdem sehen viele Deutsche beim Aussortieren ihrer Kleidung den gemeinnützigen Zweck als ausschlaggebenden Grund, einen Altkleider-Container überhaupt erst anzusteuern.
„Grundsätzlich müssen wir unseren Konsum überdenken.“ Das denkt Thomas Ahlmann über den Modekauf unserer Gesellschaft und rät damit dringend zu einer Revolution unserer Denkweise.
In Essen haben wir unter anderem mit der stellvertretenden Bereichsleiterin des Diakoniewerks Essen, Carina Bock, über Fast Fashion und die Veränderungen gesprochen . Zusätzlich wurde uns die Kleidungssortiererei gezeigt.
Neben den klassischen Altkleidercontainern gibt es aber auch noch weitere Alternativen nachhaltig mit Mode umzugehen. Wir haben mit vier Experten gesprochen und stellen euch nun die Möglichkeiten vor.
Henriette Handmade – Ein Label mit Mode aus Leinen
„Was passiert, wenn wir nicht umdenken? Wie stark schaden wir wirklich unserer Umwelt?“ Das sind Fragen, die sich auch Yvonne Wlaz stellt und sich diesbezüglich mehr Aufklärung wünscht.
Yvonne Wlaz ist die Person hinter der nachhaltigen Leinenmode „Henriette Handmade“ und verkauft ihre Kleidung für Damen und Mädchen im Internet über Etsy.de. Angefangen als „Mama-Näh-Blog“ auf Instagram, hat sie mittlerweile sogar ihr eigenes E-Book für Schnittmuster und auch ihr erstes eigenes Buch ist für kommenden September geplant.
Bei „Henriette Handmade“ macht sie alles selbst. Vom Schnittmuster bis zu den Näharbeiten mit in Deutschland gekauften Leinenstoffen ist wirklich alles komplett „handmade“.
Doch was bedeutet „Fair Fashion“ für Yvonne und wie ist ihr überhaupt die Idee zu „Henriette Handmade“ gekommen?
„Wenn große Konzerne wie H&M auf den grünen Zug springen und mit grüner Mode werben, aber dennoch in Indien produzieren lassen, unter schlechten Bedingungen, dann hat das nichts mit Fair Fashion zu tun“, sagt Wlaz über den neuen Trend von nachhaltiger Mode. Vielmehr sollte die Gesellschaft ihrer Meinung nach weniger und bewusster konsumieren, sowie Kleidung austragen, anstatt sie einfach wegzuwerfen.
„Das Unternehmen hat mich gefunden“, berichtet sie außerdem über ihren Werdegang. Mit der Geburt ihrer zwei Kinder hat sie sich immer wieder die Frage gestellt, welchen Eindruck sie ihnen von der Welt vermitteln möchte. „Ich möchte meinen Kindern eine bessere Welt hinterlassen“, sagt Yvonne Wlaz dazu und zu ihrem Willen, etwas langfristig und nachhaltig verändern zu wollen.
Stamm- sowie Neukunden können alle paar Wochen in einer „Order-Runde“ Bestellungen bei „Henriette Handmade“ aufgeben, sodass ein übermäßiger Konsum verhindert wird und Yvonne sich ihre Arbeit besser einteilen kann.
Denn auch sie möchte ihre Kunden vor dem Kauf anregen, zu hinterfragen: „brauche ich das jetzt wirklich?“


Seidentraum – Mode aus PeaceSilk
Dr. Matias Langer ist Geschäftsführer und Händler von seinem Ein-Mann Betrieb Seidentraum. Seit knapp zehn Jahren geht Langer mit seiner Frau seiner Leidenschaft für faire und nachhaltige Seide in Leipzig nach. In einem Telefoninterview erklärt Langer, dass diese Seide weltweit einzigartig und besonders sei, denn es handele sich hierbei um Bioseide aus Indien, die nachhaltig, tierfreundlich, GOTS (Global Oragnic Textile Standards) zertifiziert sei und geringe Auswirkungen auf die Umwelt ausübe. Zusammen mit Peace Silk, also gewalt- und chemiefrei hergestellter Seide, werden Träume aus dem robusten und elastischen Stoff erfüllt. Im Onlineshop https://www.seidentraum.biz/epages/64114803.sf/de_DE/?ObjectPath=Categories werden Kleidung für Frauen und Babys angeboten, aber auch Stoffe, die nach Wunsch bedruckt und eingefärbt werden können. In Indien arbeiten festangestellte Hand- und Maschinenweber unter fairen Arbeitsbedingungen für Peace Silk. Der Fachmann für Seide erklärt, dass die Seidenraupe ihre Metamorphose in Ruhe durchleben könne und der leere Kokon erst nach der Entwicklung zum Schmetterling verarbeitet werde. Somit sterbe keine Seidenraupe bei der üblichen Trocknung durch Heißdampf oder kochendes Wasser, heißt es im Flyer weiter.
Mit einem Blick in die 80er Jahre gibt Langer seine persönliche Meinung für die Zukunft von Fair Fasion bekannt. Damals habe es den Trend von Biolebensmitteln gegeben, der sich bis heute durchgesetzt und den Köpfen der Menschen fest verankert habe. So soll es wohl auch mit nachhaltiger Mode geschehen. „Es gibt keine anderen Wege mehr“, fasst der Seidenspezialist die Situation zusammen. Um nachhaltige Mode attraktiver zu gestalten, müsse das Image von Öko-Mode aufpoliert werden, da es diese so gar nicht mehr gebe. Viele Verbraucher denken Fair Fashion sei kompliziert – Was können Naturstoffe? Wie muss ich die waschen? Deshalb sollen sachgemäße Informationen vermittelt und das Angebot von Biomode erweitert werden. Hierzu trage „Fair Fashion Lab“ bei.
Neben Seidentraum engagiert sich Langer noch bei „Fair Fashion Lab“. Das Netzwerk aus Designern Händlern, Aktivisten und Modeninteressierten fordert einen nachhaltigen Wandel in der Modeindustrie. Ideen zur Änderung des Konsumverhaltens das Leihen, Tauschen und Kaufen von slow und fair Fashion sind auf der Internetseite nachzulesen https://www.fairfashionlab.de/ .


Dominique van de Pol – Autorin und Expertin für FairFashion
„Mode soll Spaß machen dürfen, sinnlich und lebendig sein“. Dieses Zitat stammt von der Expertin für nachhaltige Mode und Achtsamkeit, Dominique Ellen van de Pol. Angefangen in der Modeindustrie mit einem Bachelorstudium in Fashion & Textile Design und einem internationalen Master-Studium in den Bereichen Modetheorie, Trendforschung und Markenkommunikation eignete sich die 37-Jährige ihr Modewissen weiter an. Nach einem mehrmonatigen Praktikum in Indonesien in der Qualitätskontrolle einer Agentur für die Produktion von Kleidung habe die Modebegeisterte den Bezug zwischen Mode und Menschen vermisst. „Die menschliche Komponente fehlte“, erklärte sie. Neben den Ressourcen und der Arbeit stecken noch Menschen und Natur hinter den Kleidungsstücken. Durch dieses Schlüsselerlebnis in Indonesien habe es ihr nicht mehr gereicht die Situation von Fast Fashion nur zu realisieren, sondern sie wolle langfristig etwas ändern. Sie stellte sich die Fragen: „Was sind meine Werte? Und warum muss ich beweisen trendy zu sein?“ Nach intensiver Beschäftigung mit „Green Fashion“ haben sich weitere Details für die Modeexpertin offenbart. Step by Step entwickelte sie ihr Gespür für nachhaltige Mode und lernte ihren gefüllten Kleiderschrank viel mehr wertzuschätzen. Vor mehreren Jahren erlitt van de Pol einen Burnout und fokussierte sich seitdem stark auf die Themen Achtsamkeit und Selbstliebe. „Mode soll Spaß machen dürfen, sinnlich und lebendig sein“, so van de Pol. Aus der Lehre der Achtsamkeit habe sie viel auf Mode und den modernen Kleiderkonsum übertragen können. Zahlreiche Werkzeuge und Strategien der Achtsamkeitspraxis ließen sich anwenden, um unbewussten Verhaltens- und Konsummustern auf die Spur zu kommen und diese im eigenen Sinne umzuschreiben. Ihr Wissen wollte die Expertin für nachhaltige Mode und Achtsamkeit weitergeben und veröffentlichte in diesem Jahr ihr Buch „Achtsam Anziehen“. In diesem Buch geht es um das Integrieren von einem nachhaltigen und bewussten Modekonsum mit Spaß im Alltag. Der Ratgeber trägt zur Überdeckung des Modekonsums bei. Für die Zukunft prognostiziert die Autorin, dass die Branche weiterwachsen und sich nachhaltige Mode weiter im Mainstream etablieren werde. Jeder könne beim Einkaufen den nachhaltigen Aspekt beachten und somit ein Zeichen an die großen Modeketten senden, appellierte sie. Ebenso soll das permanente Shoppen hinterfragt werden. Auch mit kleinen Schritten kann man gemeinsam eine große Wirkung erreichen.
Zum Abschluss nannte die Autorin noch den Tipp, dass in den letzten Jahren mehrere Plattformen gegründet worden seien, die zum Beispiel Aboboxen mit eco-fairer Mode anbieten. Weitere Tipps und Alternativen sind in ihrem Buch zu finden.


The Room – Secondhandladen in Mülheim an der Ruhr
Kristina Klaus, Secondhandladen-Besitzerin aus Mülheim an der Ruhr, war selbst jahrelang Kundin von großen Fast Fashion Brands. Im Gespräch beschreibt sie, wie sich vor knapp zehn Jahren ein Schalter bei ihr umgelegt habe und sie sich seither intensiv mit dem Thema „grüne Mode“ und Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Fast Fashion komme bei ihr nicht mehr ins Haus beziehungsweise in den Kleiderschrank, sagt die modebegeisterte Frau.
Wie kam es dazu, dass sie einen Secondhandladen eröffnet haben?
Warum ist für viele Konsumenten Fast Fashion immer noch so viel attraktiver als Fair Fashion?
Ist Fair Fashion nur ein Trend oder setzt sich sich der Gedanke durch?
Wenn Sie Kleidung einkaufen gehen, worauf achten sie dabei?
Unsere Tipps für einen nachhaltigen Modekonsum
Tipp 1 – Gebrauchte Kleidung verkaufen, kaufen und tauschen
Apps wie Kleiderkreisel oder Mädchenflohmarkt bieten die Möglichkeit aussortierte Kleidung zu verkaufen, zu kaufen und zu tauschen. Der Vorgang des Verkaufens funktioniert simpel über die App. Manchmal finden sich echte Schmuckstücke unter den Angeboten wieder. https://www.kleiderkreisel.de/
Tipp 2 – Mädchenflohmärkte
Wer dachte Flohmärkte sind langweilig täuscht sich gewaltig. Mittlerweile gibt es in jeder Großstadt Mädchenflohmärkte. Dort können zum Beispiel im ehemaligen Güterbahnhof in Neuss in einer angenehmen Atmosphäre Vintage und Second Hand Schätze geshoppt und verkauft werden. https://www.coolibri.de/magazin/maedelsflohmarkt-termine
Tipp 3 – Tauschpartys
Um sich noch besser auszutauschen gibt es Tauschpartys. Greenpeace hat diese Aktion ins Leben gerufen und unterstützt die Tauschpartygastgeber bei der Planung und Organisation. Wer eine Party besuchen will wird auf der Facebookseite nach Terminen fündig. Hier werden nicht nur Altkleider ausgetauscht und sondern auch die Lebensgeschichten. https://www.kleidertausch.de/
Tipp 4 – Kleidung leihen
Häufig haben wir einen Anlass, aber nichts dafür im Kleiderschrank. Kein Problem. Bei der Kleiderei in Köln können wir uns für 29 Euro im Monat Kleidung leihen. Durch das Leihen haben wir immer die gleiche Anzahl an Kleidungsstücken im Kleiderschrank und haben jeden Monat neue Styles anzuziehen.
Tipp 5 – FairFashion Labels
Wer nicht so auf gebrauchte Kleidung steht, kann bei diesen FairFashion Labels seinen ökologischen Fußabdruck setzen. Stefanie Giesinger hat zusammen mit ihrem Freund die FairFashion Marke „Nu-In“ gegründet und begeistert mit ihren Looks die Modewelt. Aber auch „armedangels“ und „hessnatur“ bieten coole Styles zu regulären Preisen an. FairFashion muss nicht langweilig, eintönig und teuer sein. Es geht auch anders.
Tipp 6 – Bücher
Yvonne Wlaz, Dominique van de Pol und Jana Braumüller, Vreni Jäckle, Nina Lorenzen geben in ihren Büchern noch weitere Tipps und zeigen neue Möglichkeiten für einen nachhaltigen Modekonsum auf. Wer sich also die Basics in nachhaltiger Mode anlernen und seinen Horizont erweitern möchte, wird dort fündig.
https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/ID148279739.html
https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/ID146087702.html
https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/ID146357316.html
Tipp 7 – Fair Fashion Lab
Dieses Netzwerk aus Designern Händlern, Aktivisten und Modeninteressierten fordert einen nachhaltigen Wandel in der Modeindustrie. Ideen zur Änderung des Konsumverhaltens und Informationen über das Leihen, Tauschen und Kaufen von slow und fair Fashion sind auf der Internetseite nachzulesen https://www.fairfashionlab.de/ . Im April 2020 fand online die Fashion Revolution Week statt, wo Infopostings, Aktionen und Interviews angeboten wurden. Dazu veranstaltet „Fair Fashion Lab“ am 26. September 2020 die Fashion Revolution Night in Leipzig nach dem Motto „Für alle, die Fast Fashion satt haben“.
Oberstes Ziel ist es, den Konsum an Klamotten deutlich zu verringern und aussortierte Kleidungsstücke neu zu stylen. Zudem sollten wir die Bereitschaft entwickeln mehr Geld für unsere Kleidungsstücke auszugeben, damit niemand unter menschenunwürdigen Umständen arbeiten muss.
Aus Alt mach also Neu! Gestaltet eure Kleidungsstücke doch einfach um und verwirklicht euren eigen Style. Ist doch eh viel cooler, wenn nicht jeder das gleiche anhat!
Alleingelassen – 365 Tage im Jahr
von Benita Blischke, Patricia Hilger, Giuliana Mocerino
Text 3:30 Minuten / Video 6 Minuten / Audio 2:30 Minuten

Sie sind da, immer, auch wenn es uns nicht jederzeit bewusst ist. Nicht nur in der Corona-Krise kämpfen hilfsbedürftige Menschen damit, ihren Alltag zu meistern. 365 Tage im Jahr hoffen sie auf Unterstützung. Egal ob jung, alt, körperlich oder geistig eingeschränkt.

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Deutsches Grundgesetz, Artikel 3
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“, so steht es in Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes. Für Menschen mit Behinderung gibt es eine Vielzahl von Hilfen und Unterstützung. Zumeist übernehmen die Angehörigen selbst oder Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes die Pflege. Einen Überblick zu bekommen ist für alle Beteiligten schwierig. Aber wie viel Unterstützung bekommen sie tatsächlich? Wie viel Hilfe brauchen sie? Und vor allem, von wem erhalten sie diese Unterstützungen?
Eine Multimedia-Reportage über die Menschen, die nicht nur in der Corona-Krise häufig alleine gelassen werden.
Von Caritas bis Lebenshilfe: Welche Unterstützungen gibt es wirklich?
Medizinische Rehabilitation, Arbeitsleben, Leben in der Gemeinschaft. Dies sind die Leistungen der Teilhabe, die durch verschiedene ehrenamtliche Institutionen gewährleistet werden sollen.
Die Caritas, als eine dieser Organisationen berät Betroffene und ihre Angehörigen in verschiedenen Themen, wie wohnen, Freizeit, arbeiten oder Veranstaltungen und leitet diese an die zuständigen Ansprechpartner weiter. Neben der Grund- und Behandlungspflege bieten sie unter anderem verschiedene Mobile Soziale Dienste an. Dazu gehören Dinge, wie eine umfassende hauswirtschaftliche Betreuung (Reinigung der Wohnung, waschen, bügeln, einkaufen, kochen), Betreuungsdienste, als stundenweise Entlastung für die Angehörigen oder der Mahlzeitenlieferdienst.
Auch die Lebenshilfe bietet Beratung für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige. Auf ihrer Webseite, die ähnlich wie die der Caritas teilweise in sogenannter „Leichter Sprache“ angeboten wird, finden sich neben Informationen zum Krankenhausaufenthalt, rechtlichen Infos oder Angeboten für Geschwister, auch Informationen über das Corona-Virus. Die Lebenshilfe verlinkt zu verschiedenen Arbeitgebern und Behinderten-Werkstätten. Ihr Ziel ist es, Unterstützer und Ansprechpartner im Alltag zu sein, sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen.
Neben der Lebenshilfe und der Caritas gibt es noch einige weitere Einrichtungen, wie beispielsweise die Diakonie oder den Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen, sowie verschiedene kleinere regionale Verbände. Alle bieten Beratung zu fast allen Lebenslagen und haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und diese zu begleiten, zu unterstützen und zu fördern.
Die Vielzahl der zuständigen Stellen und verfügbaren Hilfen ermöglichen jedoch nicht automatisch ein selbstbestimmtes Leben. Menschen mit einer Behinderung müssen sich vieles noch hart erkämpfen.
Bereits im Jahr 2009 verpflichtete sich die Bundesrepublik zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, um behinderten Menschen die Teilhabe in allen Lebensbereichen zu zusichern. Die Realität jedoch ist eine andere. Mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze in einem Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten müssen mit Menschen mit einer Behinderung besetzt werden. In Deutschland ist es jedoch legal, eine Ausgleichsabgabe von 125-130 Euro monatlich zu zahlen, anstatt Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Die Mehrheit der Arbeitgeber in Deutschland zieht diese Abgabe vor.
Die Betroffenen
Janina Hilger ist 30 Jahre alt. Auf den ersten Blick merkt man ihr ihre Behinderung gar nicht an. Trotzdem hat sie einen Schwerbehinderten-Ausweis mit einer Einschränkung von über 50%. Erst wenn man sie näher betrachtet, fällt auf, dass sie ihrem Alter nicht entspricht. Mit alltäglichen und ihr bekannten Situationen kommt sie gut klar, doch wenn es einmal Abweichungen im Alltag gibt, gerät sie schnell in Panik. Janina hat einen ausgegliederten Arbeitsplatz über den Caritasverband. Sie arbeitet seit einigen Jahren in einem Supermarkt in der Stadt. Diesen Beruf kann sie durch die geregelten Abläufe gut meistern. Sie arbeitet so viel wie eine vollwertige Arbeitskraft, bekommt aber nur einen Bruchteil des normalen Gehalts.
Im Video erzählt Janina ihre Geschichte:
Niemand hat mir irgendetwas gesagt!
Rita Hilger – Mutter der Betroffenen
Auch mit Janinas Mutter, Rita Hilger, haben wir über die Behinderung ihrer Tochter gesprochen. Sie erzählt im Video, wie sie das Leben ihrer Tochter erlebt hat und was für Schwierigkeiten sie überwinden musste.
Alleingelassen: Auch in der Corona-Krise?
Die aktuelle Corona-Pandemie hat die ganze Welt überrollt und bereits viele Opfer gefordert. Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen gehören zur Risikogruppe. Diese zu schützen bedeutet aber gleichzeitig: Keine Betreuungen, keine Therapien und auch sämtliche Unterstützungen für Förderkinder fallen weg. Die Familien müssen auf Notbetreuung zurückgreifen und diese gibt es nur in geringem Umfang. Vereinzelt finden zwar Online Betreuungen statt, diese sind jedoch schwer zu organisieren und für die Betroffenen oft nicht die Lösung. Der Alltag für Viele ändert sich vehement und das mit negativen Folgen. Gerade Menschen mit Behinderung benötigen einen geregelten Tagesablauf, der jedoch durch die Corona-Einschränkungen durcheinandergerät. Hilfe von der Politik kommt zwar, aber viel zu spät. In der Corona-Krise macht die Inklusion wieder einen Schritt zurück. Zwar sind einige Förderschulen seit Ende Mai wieder geöffnet, jedoch können die meisten Kinder mit Beeinträchtigungen durchschnittlich nur einen Tag in der Woche zur Betreuung gehen. Solange die Corona-Situation andauert, bleiben Kinder mit Handicap und ihre Eltern weiter auf sich alleine gestellt. Eine Studie des Inclusion Technology Lab und des Frauenhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik zeigt, dass sich gerade Eltern von Kindern mit Behinderung aktuell doppelt überfordert fühlen.
Nach Corona muss ich in die Therapie!
Fatma Hügül – Mutter eines Betroffenen
Fatma Hügül ist die Mutter von Mehmet – Ein 10-jähriger Junge mit einer starken geistigen Behinderung. Sprechen kann er nicht und auch andere alltägliche Dinge, wie Schuhe anziehen oder sich zu waschen, schafft er nicht ohne Hilfe. Dadurch ist er durchgehend auf Unterstützung angewiesen – zum Leidwesen seiner Mutter. Mit einer einjährigen Tochter und einem Hund hat sie sowieso schon alle Hände voll zu tun. Ihr Mann ist die Hälfte des Tages arbeiten und sie somit alleine. Während der Corona-Krise hat sie nach Monaten voller Verzweiflung und Überforderung endlich Hilfe von der Lebenshilfe bekommen. Drei bis vier Mal in der Woche kommt eine ehrenamtliche Betreuerin der Hilfsorganisation und kümmert sich in Form des „FamilienUnterstützenden Dienstes“ einige Stunden um Mehmet.
Im Interview erzählt Fatma Hügül, wie es ihr während der Corona-Krise ergeht und wo sie auch sonst dringend Hilfe braucht:
Und was bringt die Zukunft?
Es gibt noch viele Lücken und Hürden, die überwunden werden müssen, um eine vollwertige Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft zu garantieren. Gerade in der Corona-Pandemie sieht man was alles falsch läuft und wo es starken Änderungsbedarf gibt. Viele Familien fühlen sich allein gelassen und überfordert. Die meisten wissen nicht einmal, dass es den „FamilienUnterstützenden Dienst“ gibt und kämpfen sich so alleine durch die Krise. Auch außerhalb der Pandemie sieht es in vielen Familien, durch die benötigte intensive Betreuung, nicht anders aus.
Was wird die Zukunft bringen? Wird es mehr und vor allem gerechtere Unterstützung geben? Wird die Gesellschaft aufwachen und die Missstände erkennen? Wird die Inklusion der Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft in Zukunft einfacher? Die Antworten lassen sich hoffentlich bald finden…
Und bis dahin werden hilfsbedürftige Menschen weiterhin alleingelassen.
365 Tage im Jahr.

10 Minuten Lesezeit
Das Coronavirus verbreitet sich rasant in der Welt und mit ihm diverse Verschwörungstheorien. Im Zuge der globalen Krise haben prominente Vertreter an Zulauf gewonnen. Egal ob in Facebook- oder Telegramgruppen: Die teils absurden Vorstellungen ziehen Menschen an, die sich von der Politik enttäuscht und den Medien belogen fühlen.
Lügenpresse und alternative Informationen
Verschwörungspandemie
Bill Gates entführt unsere Kinder und Hillary Clinton trinkt deren Blut. Ein kleiner jüdischer Zirkel zieht die Strippen, um die Bevölkerung auszutauschen. Als wäre das alles noch nicht genug, will die Pharmaindustrie uns durch Impfungen versklaven.
Was klingt wie ein schlechter Scherz ist für die Anhänger von QAnon, Xavier Naidoo oder Attila Hildmann Realität. Doch was bedeutet das für den Rest der Welt? Bleibt Menschen, die sich als Opfer einer weltweiten Verschwörung sehen, nur noch der bewaffnete Widerstand?

Konstruktiver Umgang
Ich habe mit Prof. Dr. Maren Urner über das Phänomen gesprochen. Die Neurowissenschaftlerin beschäftigt sich mit dem Einfluss von Medien auf unser Gehirn und untersucht die Überforderung, die wir durch ständigen Nachrichtenüberfluss erleben.
Das vollständige Gespräch findet ihr auf Spotify.
Die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass Solidarität funktionieren kann und Ruhepausen unserer Gesellschaft durchaus gut tun. Die Frage ist: was davon wird bleiben? Hat uns die Krise gezeigt, wie wir wirklich leben wollen oder werden wir schnell zu unserer alten Normalität zurückkehren?
Eine Multimedia-Story über Verantwortung, Das Miteinander und die Wünsche für eine Gesellschaft nach der Krise.
Lesezeit: 4 Min / Audio: 4 Min / Video: 3 Min
Von: Philipp Middel, VIctoria Robertz, Laura Stonn und Susanne Weidenbrück
Schon vor Ausbruch der Corona-Krise waren Veränderungen ein fester Bestandteil unseres Alltags. Die meisten passierten nebenbei – ein neuer Hype, ein neues No-Go, ein neues Café an der nächsten Ecke. Andere – Begegnungen, Verluste, Erlebnisse – haben uns Fragen stellen und Dinge neu denken lassen. Aber die wenigsten Veränderungen haben uns wirklich geprägt und jedes Mitglied der Gesellschaft gleichermaßen betroffen.

Dann kam der Corona-Lockdown und damit der Einschnitt in unser aller Normalität und Lebenswirklichkeit. Und plötzlich findet sich die Gesellschaft als ganze in der Situation wieder, sich die essenziellen Fragen zu stellen: Wie soll unsere Gesellschaft aussehen? Darf man noch lachen, wenn andere leiden? Trägt jeder die Verantwortung für sein eigenes Schicksal oder kann uns nur Solidarität auf Dauer weiterbringen? Was soll bleiben aus der Krise? Kurz: Wie wollen wir in Zukunft leben?
Solidarität – Ein kurzfristiges Phänomen?

Solidarität ist ein Wort, das dieser Tage immer wieder fällt. Umfragen in der Kölner Innenstadt und des Institues YouGov zeigen, dass der Eindruck, die Krise habe uns näher zusammengebracht, durchaus verbreitet ist. Die große Solidarität sticht dabei als etwas Positives heraus, das unsere Gesellschaft nach Corona beibehalten sollte.

Der Psychologe Reinhard Strecker hat die Solidarität allerdings als ein eher „kurzfristiges Phänomen“ wahrgenommen und zweifelt den Fortbestand dieses Zusammenhalts an.

Ähnlich sei es mit dem Glücksgefühl gewesen. Zwar hat die Wochenzeitung DIE ZEIT in einer nicht repräsentativen Umfrage festgestellt, dass die Mehrheit der Menschen während des Lockdowns so glücklich war wie normalerweise nur an einem Sonntag. Das sei, so Strecker, aber nur zu Beginn so gewesen. Viele hätten den Lockdown anfangs als Entlastung wahrgenommen und sich sicher gefühlt. „Je länger der Zustand angehalten hat, desto anstrengender wurde es“, fährt er aber fort. Dann seien auch die Glücksmomente weniger geworden.
„Das Gewohnte macht am wenigsten Angst.“
Reinhard Strecker, Diplompsychologe und Leiter von Horizonte gGmbH
Und die Forderungen nach Normalität wurden immer lauter. Aber warum eigentlich, wenn unsere Normalität Stress bedeutet und der Lockdown doch die ersehnte Pause vom Alltag zu sein schien? „Das Gewohnte macht am wenigsten Angst“, ist die Antwort des Psychologen. Die Rückkehr zur Normalität würde also eine „Entängstigung“ bedeuten. Und Stress sei auch nicht pauschal schlecht. „Stress ist auch ein Stück weit Energie“, meint Strecker, die uns weiterbringe.
Dass Corona allerdings zu einer tatsächlichen Ruhepause geführt hat, begrüßt der Psychologe sehr. Die bisherige Normalität bedeutete aus seiner Sicht häufig Überforderung, trotz des Sonntags, der ja eigentlich Ruhetag ist. Reinhard Strecker plädiert sehr dafür, diesen zukünftig auch tatsächlich als einen solchen wahrzunehmen.
„Die Qualität des Lebens kann steigen, wenn man sich anders organisieren darf.“
Peter Stonn, Unternehmer und Familienvater
Peter Stonn ist Vater von vier Kindern und selbstständig mit einem Unternehmen für Firmencoachings. Sonntage waren für ihn bisher der einzige Tag in der Woche, den er mit seiner Familie verbringen konnte. Aber in der Corona-Krise hatte er auf einmal viel mehr Zeit mit seinen Kindern – und hat diese genossen.
Die Kontaktbeschränkungen bedeuteten für ihn zunächst einen Schock. Er musste auf der einen Seite den Alltag im Privaten neu organisieren und auf der anderen sein Geschäftsmodell umstellen. „Man muss der Verantwortung gerecht werden“, meint Peter Stonn. Die trägt er sowohl für seine Familie als auch für die Firma. „Da waren neue Ideen fällig“.
Als diese aber dann da waren, habe er die Krise im Alltag gar nicht mehr als solche erlebt. Im Gegenteil meint er, sei es ihm leichter gefallen, Beruf und Privates zu verbinden. Generell glaubt er, dass die Möglichkeit, den Tag frei und unabhängig von festen Arbeitszeiten zu gestalten, die Lebensqualität steigern könnte.
Darf man darüber Scherzen?
Und dann ist da noch der Humor. Unser Weg aus der Krise? Oder das nächste neue Corona-No-Go? Newcomer-Comedian Niklas Siepen hält den Humor durchaus für einen Weg aus der Krise. Es sei natürlich nicht der einzige, aber immerhin ein Ansatz. Seiner Meinung nach ist Humor vor allem in schlimmen Situationen wichtig und kann einer Gesellschaft helfen über ernste Themen hinwegzukommen. „Man muss natürlich das Feingefühl haben“, weiß der Comedian. Doch dann findet er Witze über Corona völlig in Ordnung.
Wie viele andere, hat sich auch Niklas Siepen über das in den letzten Monaten entstandene Gemeinschaftsgefühl gefreut. Die Rücksicht, die auf einmal wieder auf Ältere genommen wurde und die Aufmerksamkeit für soziale Projekte haben ihn begeistert.
Unser Fazit
Wir stellen also fest, dass uns der gesellschaftliche Zusammenhalt wichtig ist. Aber selbst wenn unsere Gesellschaft es schaffen sollte solidarischer zu werden, bleibt immer noch die Frage nach der Verantwortung. Jeder für sich oder einer für alle?
Der Psychologe Reinhard Strecker findet es wichtig, sich neben der Verantwortung für sich selbst auch Gedanken über die der Gesellschaft zu machen. Auch „die Rolle des Staates“ sei nicht unerheblich. Doch letztlich liegt es an jeder und jedem Einzelnen. Wie sehr sind wir bereit, an unsere Mitmenschen zu denken?
Denn die Entscheidung, wie wir leben wollen, fällt zunächst einmal jeder für sich. Es bleibt zu hoffen, dass bei dieser Entscheidung der Gedanke an die größere Sache, nämlich unsere Gesellschaft, unser Miteinander und damit auch das Wohlbefinden des Einzelnen im Mittelpunkt stehen werden.
So viel schöner könnte dann unser neuer normaler Alltag aussehen: Geprägt von Solidarität, aber mit der Freiheit das Berufs- und Privatleben individuell zu verbinden. Nicht zu ernst, aber stets mit Bedacht auf andere. Voll Optimismus, dass unsere Gesellschaft auch zukünftig dazu in der Lage sein wird, sich die essenziellen Fragen zu stellen und über mögliche Antworten zu diskutieren.
Vom Ausnahme- zum Normalzustand
Wenn das No-Go plötzlich gesellschaftsfähig wird
Theresa Klöckner, Clara Bosten, Luca Kirchhoff, Carolina Bosch
Lesezeit: 6 Minuten

„Normal ist immer das, woran ihr gewohnt seid. Das alles hier mag euch momentan nicht normal vorkommen, aber in einer Weile wird es das sein. Es wird normal werden.”
„The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd”, Hulu
Das Regime in den USA wird gestürzt. Männer übernehmen die Macht und nutzen Frauen in Zeiten der Kinderarmut lediglich als Gebärmaschinen. Eine „neue Normalität” wird konstruiert. Wenn nur lange genug daran festgehalten wird, ist es irgendwann normal.
Eine Auffassung, wie sie in einer der erfolgreichsten Serien der letzten Jahre immer wieder zum Vorschein kommt. In „The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd” kämpft die Protagonistin June gegen die Etablierung dieser neuen Normalität.
Gerade jetzt ist die Frage nach Normalität nicht mehr nur ein Thema der Pop-Kultur. Die Corona-Pandemie hat starken Einfluss auf das gewohnte Verhalten der Weltbevölkerung genommen.
Was ist eigentlich „Normalität”?

Was ist Normalität und wie entsteht sie in unserem Alltag? „Normalität ist etwas so Selbstverständliches, dass wir es uns nicht anders vorstellen können”, erklärt Prof. Dr. Michaela Pfadenhauer, Vorständin des Instituts für Soziologie an der Universität Wien.
Normalität helfe, das soziale Leben miteinander zu regeln und zu vereinfachen, betont Psychologe Dr. Holger Schlageter aus Wiesbaden. „Sie entsteht zunächst unausgesprochen, durch Praxis und Gewöhnung an diese Praxis”, führt er aus. In jeder Gesellschaft entstehe sie automatisch.
Normalität sei der Boden auf dem wir stehen, den wir nicht hinterfragen und einfach so hinnehmen. Würde man diese Normalität hinterfragen, begebe man sich ins Ungewisse und verliere somit das Gefühl von Sicherheit, so Pfadenhauer.
Normalität ist ein fließender Prozess
„Was gestern nicht normal war, kann es heute sein und muss es morgen nicht immer noch sein”, hebt Schlageter hervor.
Gerade die Digitalisierung in Zeiten von Corona sei ein gutes Beispiel für diesen fließenden Prozess der Normalität. Während viele Menschen vor Corona Kommunikations-Tools wie „skype” oder „zoom” kategorisch ablehnten, werden die Vorzüge mittlerweile nicht nur von vielen erlebt und geschätzt, sondern gehören schon zum Alltag. Die Verwendung dieser Werkzeuge ist von Heute auf Morgen also normal geworden.
Pfadenhauer erklärt, dass auch Kulturzusammenhänge beachtet werden müssen. Unsere Gesellschaft ist daran gewöhnt, sich dauerhaft mit technischen Neuerungen auseinanderzusetzen. Daher fiel es uns so leicht, die Prozesse der Digitalisierung während der Corona-Pandemie so schnell anzunehmen.
Aspekte einer neuen Normalität müssen also dem gewohnten Leben der Gesellschaft bereits stark entsprechen.
Wenn wir uns Neuem aussetzen und Positives geschieht, fällt es uns leichter, Prozesse zu adaptieren, sie als normal zu empfinden und vielleicht sogar willkommen zu heißen, betont Schlageter.
Aber woran liegt es, dass Prozesse mit unterschiedlich schneller Geschwindigkeit, oder manchmal sogar gar nicht, als normal angenommen werden?
Pfadenhauer sieht die Präsenz im Alltag und im Handeln einer Situation als wichtigen Aspekt an. Je mehr Menschen mit der Situation verbunden sind, desto schneller kann sich etwas durchsetzen.
Während der Corona-Pandemie wurde in kürzester Zeit Verhalten adaptiert, wie beispielsweise Masken tragen und Abstand halten. Die ganze Welt war und ist von der Pandemie betroffen, was dazu geführt hat, dass all diese neuen ungewohnten Verhaltensregeln in kürzester Zeit zur Normalität geworden sind.
Kampf der Ideologien
Schlageter fügt hinzu, dass in unserer individualisierten Welt Machthaber grundsätzlich den Begriff der Normalität festlegen.
Jede mächtige Gruppe will ihren Normalitätsbegriff durchbringen. Am Ende wird sich eine durchsetzen und spricht somit der anderen Gruppe ihre Normalität ab.

Foto: Schlageter
Dieses Phänomen beschreibt Schlageter als „Kampf der Ideologien”.
Den Begriff Normalität beschreibt er als „der Norm entsprechend”. Wenn Normen von mächtigen Gruppen oder Personen festgelegt werden, sei dies nicht immer das Beste, was einer Gesellschaft passieren kann.
Schlageter unterstreicht dies mit einem Zitat von Schiller. „Alles Neue schreckt und sei es gut”. Aus evolutionstechnischen Gründen sind wir Menschen Neuem prinzipiell eher misstrauisch gegenüber.
Mit neuen Regeln und Verhaltensweisen wurden wir jetzt auch in der Corona-Pandemie konfrontiert.
Quasi über Nacht hat sich das Leben auf der Welt verändert. Die Regierungen haben in unsere Freiheit und Normalität eingegriffen. „Das ist so unvorstellbar”, betont Pfadenhauer, „wir fühlen uns wie in einer Ausnahmesituation.”
Zu sehen war das in den vergangenen Wochen durch eine gewisse Spaltung der Gesellschaft: Auf der einen Seite standen diejenigen, die die Corona-Maßnahmen akzeptierten und auf der anderen Seite die Gegner. Das zeigte sich in zahlreichen Demonstrationen gegen den Eingriff in die Freiheitsrechte, wie zum Beispiel die Maskenpflicht.
Die Gefahr der Normalität
Die Diskussion um Normalität findet jedoch auch in anderen Lebensbereichen statt. Denn Normalität bedeutet grundsätzlich, dass es auch eine „Nicht-Normalität” gibt. Da könne es gefährlich werden, sagt Schlageter.
LGBTQ-Lebensformen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer Community) beispielsweise werden heutzutage noch nicht überall als normal angesehen und akzeptiert. Wenn wir nach Schlageters Prinzip „Kampf der Ideologien” gehen, stehen christlich-konservative Familienvorstellungen dem gegenüber.
Lange Zeit wurden Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender unterdrückt und ihnen viele Rechte vorenthalten. Auch heute ist dies noch oft der Fall. Da die Anzahl derer, die konservative Familienvorstellungen als normal empfinden, immer noch sehr hoch ist, wird gegensätzlichen Lebensweisen der Begriff der Normalität einfach abgesprochen.
Hier appelliert Schlageter sowohl an die Güte einer Gesellschaft als auch an ihren humanitären Grad. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, wie individuell mit unterschiedlichem Normalitätsempfinden umgegangen wird.
Und auch die Bedeutung des „Nicht-Normalen” kann jederzeit in Normalität umgewandelt werden, um an den fließenden Prozess der Normalität zu erinnern.
Gesellschaftliche Großtraumata
Auch in der Vergangenheit war dieser fließende Prozess von Bedeutung. Denn Corona ist nicht das erste gesellschaftliche Großtrauma, welches die Menschheit erleben muss.
Es kam bereits zu vielen Pestepidemien im Mittelalter und auch der Dreißigjährige Krieg stellte einen tiefen Einschnitt in die Normalität dar. Natürlich sind diese nicht deckungsgleich, dennoch sind Parallelen sichtbar.
Nach solchen Ereignissen sind Gesellschaften nachhaltig geprägt und es entstehen Traumata, welche durch Symptome wie Angst, Rückzug und Orientierungslosigkeit sichtbar werden können.
Schlageter betont, dass sich auch aus Traumata für die Zukunft Chancen entwickeln können.
Wie sieht die Zukunft aus?
In der Hinsicht stellt sich nun die Frage, wie es nach Corona weitergehen wird. Wird alles wie vorher sein, die Menschen fallen sich um die Arme, lassen die Maske weg und alles wird ablaufen wie vor einigen Monaten?
Oder werden die Veränderungen durch die Pandemie in Zukunft Auswirkungen auf die Gesellschaft haben? Bezüglich eines Punktes ist sich Holger Schlageter sicher: „Auch noch nach der Krise wird die Digitalisierung sicher zunehmen und weitere Akzeptanz finden.”
Dennoch ist er der Meinung, dass die Bevölkerung den derzeitigen Maßnahmen nach der Krise keinerlei Beachtung mehr schenken wird: „Ich bin davon überzeugt, dass sobald ein Impfstoff gefunden und verteilt wurde, innerhalb von 14 Tagen alles Verhalten wieder zurückschnellt auf die Zeit vor Corona. Lediglich die Auswirkungen auf Kaufkraft und Wirtschaft werden uns eventuell zu veränderter Normalität führen.”
Pfadenhauer nimmt hingegen an, dass das Tragen der Maske auch nach Corona teilweise bleiben wird, jedoch mit einem anderen Verständnis: „Meine Vermutung ist, dass wir zukünftig auch bei normalen Krankheiten die Masken nutzen. Die Maske könnte sich in unsere Alltagsgewohnheiten verlagern, sodass sie nie wieder so ganz verschwindet.” Ob es tatsächlich so kommen wird, das bleibe abzuwarten.
„Wir fühlen uns wie in einer Ausnahmesituation”
Doch gerade die Maske ist ein Thema, das äußerst kontrovers diskutiert wird. Nach einigen Wochen der Maskenpflicht wird sie von immer weniger Menschen ernst genommen. In den Straßenbahnen sitzen zunehmend Fahrgäste ohne Mundschutz oder tragen ihn nicht regelkonform.
Für viele Menschen bedeutete gerade die Maskenpflicht einen erheblichen Eingriff in die Normalität, vermutet Pfadenhauer.
Wir müssen Corona als Chance betrachten
Ist es also möglich, sich an Normalität zu gewöhnen? Die Serie „The Handmaid’s Tale” trifft mit dieser Frage den Puls der Zeit. Wer vor Corona noch über das Tragen einer Maske gelacht hat, packt sie nun wie selbstverständlich in seine Tasche. Abstand halten und der unterlassene Handschlag zur Begrüßung gehören jetzt zum guten Ton.
Viele Menschen haben sich an die neue Situation gewöhnt. Doch was die Entwicklung in der Zukunft zeigt, ist schwierig zu sagen. So sieht es auch Dr. Pfadenhauer. „Für uns Soziologen ist das eine spannende Zeit, denn es tun sich zahlreiche Forschungsfelder auf”, erklärt sie.
Für die Zukunft hat Dr. Schlageter eine klare Empfehlung: „Es ist nun wichtig, kein Trauma herbeizureden, sondern die Zeit im Gegenteil als Chance zu verstehen.”