Alles andere als Mehrwert für den Kunsthandel

Halle 11, Stand B23. In der Luft liegt der Duft von schwerem Parfum. Menschen kommen und gehen, bleiben mal kürzer, mal länger stehen. Menschen, die sich vermutlich in Kaffeehäusern treffen würden. Weit vom Durchschnittsbürger entfernt. Ernste Blicke sieht man selten, die Stimmung gelöst, außer man spricht über Umsatzsteuer – wirklich ein Thema einer Messe, bei der es eigentlich um die schönen Künste geht? Es ist Tag Eins der ART COLOGNE 2018.

Ein alter Mann und eine deutlich jüngere Dame lächeln vom Tisch vor einer Ausstellung den Leuten zu. Es sind die Galeristen des Standes Valentien, Dr. Freerk C. Valentien und seine Tochter Imke Valentien. Beide leben von und durch die Kunst. Die ART COLOGNE ist für sie ein Zusammenkommen mit Artgenossen. Ein freudiger Anlass sich hier mit Seinesgleichen zu treffen, möchte man meinen.

Die Wörter Politik und Steuer lassen das Lächeln der Galeristin allerdings deutlich erstarren. Der 2014 erhöhte Mehrwertsteuersatz steht im Raum. Das Thema löst bei der zuvor positiv gestimmten Kunsthändlerin Unbehagen aus. Die Stimmung am Tisch wird ernster. Imke Valentien sieht sich im Vergleich zu anderen Branchen stark benachteiligt.

Der Mehrwertsteuersatz für den gewerblichen Kunsthandel wurde im Jahre 2014 von 7, auf 19 Prozent angehoben, während er beispielsweise für die Unterhaltungs- und Literaturbranche weiterhin auf dem niedrigeren Satz verblieb. Ein großes Problem für Menschen wie Imke Valentien und ihren Vater, die mit dem Kunsthandel ihren Lebensunterhalt verdienen. „Das sind 12 Prozent mehr Verlust und wir können den Wert des Kunstwerkes nicht einfach dementsprechend endlos nach oben setzen.“ Der Fokus der Galeristin ist binnen weniger Minuten von Kunst zu Kulturpolitik gewechselt. Es wird deutlich, wie ihr Enthusiasmus für das Thema wächst.

Der Verband greift das Thema auf

Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Galeristen und Kunsthändler, reißt das Thema in der Pressekonferenz zur Eröffnung der ART COLOGNE an. Die Besteuerung erklärt er so: 2014 trat ein EU-Beschluss in Kraft, der Kunstwerke von der Liste der zu fördernden Werke streicht. Das hat zur Folge, dass in EU-Ländern nicht mehr der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, sondern der Regelsteuersatz gilt. In Deutschland ist dieser mit 19 Prozent allerdings höher als in manch anderen Mitgliedsstaaten. Dadurch werde weniger Kunst in Deutschland gehandelt und öfter im Ausland verkauft, stellt Jarmuschek fest.

Eine Möglichkeit für Kunsthändler, dem Regelsteuersatz zu entgehen, bietet in Deutschland die Margenbesteuerung. Hierbei haben Kunsthändler die Möglichkeit, lediglich 30 Prozent des Verkaufspreises, mit dem Regelsteuersatz zu versteuern. Ein Beispiel aus dem deutschen Steuerrecht: Wenn ein Kunstwerk mit einem Verkaufswert von 1.000 Euro mit 19 Prozent Mehrwertsteuer versteuert wird, so kostet dieses 1.190 Euro. Nutzt man dagegen die Margenbesteuerung, so unterliegen nur 30 Prozent des Verkaufspreises, also lediglich 300 Euro, dem Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Das macht 57 Euro. Eine Differenz von 133 Euro zum Gesamtbetrag. Der Haken an der Sache ist allerdings der Verkaufspreis. Denn die Margenbesteuerung findet nur Anwendung bei Kunstwerken bis zu einem Verkaufswert von 500 Euro und bei Werken, bei denen der Preis nicht bestimmt werden kann. Damit wird also nur ein sehr kleiner Teil des Kunsthandels abgedeckt, der in der Regel höherpreisige Werke, oft bis in den Millionenbereich, handelt.

Das Problem des EU-Beschluss ist, dass nur sechs Mitgliedsstaaten einen geregelten Kunstmarkt relevanter Größe haben, sagt Jarmuschek. Für den Großteil der Länder ist es also nicht relevant, wie Kunstwerke besteuert werden, da der Markt nicht besteht, oder nicht groß genug ist. Kurzgefasst kann man sich das in etwa so vorstellen: Ein Land wie Rumänien, in dem es keinen so geregelten Kunstmarkt wie zum Beispiel in Deutschland gebe, habe ein größeres Interesse an einer neuen Autobahn oder einem neuen Krankenhaus, als an der Besteuerung von Kunstwerken.

Kunst sei laut Galeristin Valentien nicht nur eine Option Geld anzulegen und daraus Kapital zu schlagen, sondern habe essenzielle Bedeutung für das Leben. Galeristen und Händler aus Deutschland würden jetzt massenhaft den deutschen Markt meiden und ihre Kunstwerke lieber im Ausland präsentieren und verkaufen. Denn der Umsatzsteuersatz passt sich dem vorgegebenen Regelsteuersteuersatz des jeweiligen Landes an.

Politiker aktivieren

Valentien sucht den direkten Dialog zu all jenen Politikern, die sich dieser Bedrohung des Kunstmarktes in Deutschland und Europa nicht bewusst sind, oder denjenigen, die es nicht wahrhaben wollen. „Jeden Politiker mit dem ich spreche, belabere ich“, merkt die Galeristin an. Das Engagement, das sie für die politische Umsetzung von Kunstthemen und insbesondere das Umsatzsteuer-Thema hat, wird mit jedem Satz den Valentien sagt deutlicher. Doch die Finanzminister entscheiden bei jeder Debatte, wenn sie denn stattfindet, erneut für die erhöhte Mehrwertsteuer im gewerblichen Kunsthandel. Die Strukturen des Kunstmarktes seien Finanzpolitikern eben nicht bewusst. Der Handel von Kunst in Deutschland werde durch die Gesetze von 2014 in immenser Weise behindert. „Es ist wie ein Exodus des deutschen Handels“, erklärt Valentien. Klare Worte einer Frau, die den deutschen Kunstmarkt seit klein auf durch ihren Vater mitverfolgen konnte.

Daniel Nelsen & Georg Bertram