Von Theresa Thyen
Als alle ihre Freunde studieren gingen, blieb Neele in der Heimat und begann eine Ausbildung zur Maler- und Lackiererin. Jetzt besucht sie die Meisterschule und wohnt in Hannover. Uns hat sie von ihrem Arbeitsalltag als Handwerkerin erzählt und erklärt, warum sie in ihrem Beruf manchmal die Ellenbogen ausfahren muss.
Vor einigen Monaten ist Neele aus ihrem Heimatort nach Hannover gezogen. Im letzten Jahr beendete sie ihre Ausbildung und entschied sich, die Meisterausbildung direkt im Anschluss anzuhängen. Fast alle ihre Freunde studieren in ganz Deutschland verteilt. Neele hat sich nie davon beirren lassen, als alle Freunde studieren gingen. Sie entschied sich für den Beruf der Malerin. In diesem Beruf hätte sie die Chance, etwas mit ihren Händen zu schaffen, erklärt sie. Nach einem anstrengenden Arbeitstag käme sie zwar abends müde und kaputt nach Hause, hätte aber das befriedigende Gefühl, am Tag etwas geschafft zu haben. Das Gefühl erfülle sie und beweise ihr immer wieder, dass sie den richtigen Weg geht.

In ihrem Freundeskreis und der Familie erntet sie stets großen Respekt dafür, wie selbstbewusst sie ihren Weg geht. Ihr beruflicher Weg ist zwar grundsätzlich nicht außergewöhnlich, aber Neele ist eine intelligente junge Frau. Sie verreist gerne, geht gerne auf Konzerte oder ins Museum. Eine Ausbildung zu einem handwerklichen Beruf scheint da für viele nicht die erste Wahl. Sie hätte auch das Zeug zu einem Studium gehabt. Das hätte womöglich im ersten Moment nach mehr ausgesehen. Nach Potenzial und stolzen Eltern. Doch sowas hat Neele nie interessiert. Sie will Freude an ihrer Arbeit haben und nicht irgendwelchen Klischees oder Ansprüchen gerecht werden. Sich nicht darin messen, wer letztendlich das schwerste Studium absolviert oder wo sein Auslandssemester gemacht hat.

Eine Denkweise, die selten geworden ist. Betrachtet man die Flut an Abiturienten und Bachelor-Abschlüssen wird klar, dass eine Ausbildung nur noch in wenigen Fällen eine Option für Abiturienten ist. Viele schreiben sich lieber, oft wahllos, an einer Universität oder Hochschule für einen Studiengang ein. Ein Studiengang, der sich auf Anhieb gut anhört und wo vorerst ein gewisses Interesse ausgemacht werden kann. Man entscheidet grob nach grundsätzlichen Interessen. Im Notfall wird dann zwischendurch nochmal gewechselt oder abgebrochen, weil man nach 5 Semestern merkt, dass man mit dem Studienabschluss auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hat, man „nicht der Typ fürs studieren ist“ oder doch andere Interessen hat. Die sogenannte „Bachelor-Schwämme“ beweist womöglich auch, dass das Bestehen des Abiturs und der Zugang zu einer Hochschule immer leichter geworden ist. Studieren ist immer mehr zu einer logischen Konsequenz nach dem Abitur geworden und oft gar keine bewusste Entscheidung mehr. Dabei ist studieren nicht für jeden etwas. Vielen fehlt die nötige Selbstdisziplin, der eigene Antrieb und Ehrgeiz, den man für ein selbstbestimmtes Studium benötigt. Viele merken das erst sehr spät und entscheiden sich dann nachträglich doch für eine Ausbildung oder einen anderen Weg.

Betrachtet man diese Entwicklung, werden junge Frauen wie Neele, zu etwas Außergewöhnlichem. Zu wissen, was man will und diesen Weg unabhängig jeglicher Ideale und in Zeiten unbegrenzter Möglichkeiten zu gehen, das ist außergewöhnlich.
Doch gab es und gibt es auch durchaus Situationen, in denen sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Situationen, in denen ihr die Rolle der Frau in einer Männerdomäne auf die Stirn geschrieben wird oder sie gezwungenermaßen die Ellenbogen ausfahren muss. Neele erzählt von Großbaustellen, auf denen es oft nur eine Dixi-Toilette oder manchmal sogar gar keine Toilette gegeben habe. Während die Männer in solchen Fällen selbstverständlich die Freiluft-Toilette wählen, sind die Frauen auf solchen Baustellen aufgeschmissen. Als Frau falle sie dann sozusagen aus dem Raster. Plan B sei in solchen Fällen dann ein öffentliches Café in der Nähe, der Weg mit dem Auto in den Betrieb oder das Klingeln beim nächsten bewohnten Haus. In solchen Fällen ist sie genervt und fühlt sich nicht gleichberechtigt.
„Sowas ist einfach diskriminierend und so sehr man sich anstrengt gleichberechtigt zu werden, rutscht man in solchen Situationen automatisch in eine Sonderrolle, die man eigentlich gar nicht einnehmen möchte.“

Auch sind ihr Begegnungen mit anderen Handwerkern durchaus in Erinnerung geblieben. Von abwertenden Blicken, die sagen „Wie willst du Mädchen diese harte Arbeit denn schaffen?“ bis hin zu sexuellen Andeutungen, sei in den Jahren alles dabei gewesen, erklärt die 23 Jährige. Im Laufe der Zeit habe sie ein dickes Fell bekommen und habe gelernt damit umzugehen. Auch wenn sie sagt:
„Ich will nicht damit umgehen können. Ich will mit solchen Sachen gar nicht erst umgehen müssen.“

Nachdem sie nun sogar in der Meisterschule mit sexuellen Andeutungen von männlichen Dozenten konfrontiert worden sei, hätte sie beschlossen, öfter auf Konfrontation zu gehen und so zu reagieren, wie es der Gegenmann am wenigsten erwartet. Sie wolle solche Kommentare nicht mehr ignorieren. Für sie greife der sonst oft richtige Satz: „Der Klügere gibt nach“ hier nicht. Da würden sich die Mitschüler und Kollegen in ihrem Verhalten nur bestätigt fühlen und das Gefühl bekommen, sie sei durch Anspielungen und Kommentare eingeschüchtert.
„Wenn ich auf einen unangebrachten Spruch reagiere, sind die Männer erstmal verdutzt, weil sie nicht mit einer Reaktion gerechnet haben. Damit bringe ich sie automatisch in Verlegenheit.“
Sie fühle sich dann bestätigt und könne selbstbewusster aus einer solchen Situation heraustreten. Es sei nicht ihr Ding, sich in eine Opferrolle drängen zu lassen. Dann sei sie in ihrem Beruf und der Männerdomäne des Handwerks falsch.
Aber Neele beweist täglich, dass sie dort alles andere als falsch ist. Denn sie fährt die Ellenbogen aus und geht selbstbewusst ihren Weg. Ihren ganz eigenen, außergewöhnlichen Weg. Sie möchte ein Vorbild sein und junge Frauen dazu ermutigen, auf sich selber zu vertrauen und sich den Situationen möglichst selbstbewusst zu stellen.
Schreibe den ersten Kommentar