Die Halle, in der am Abend tausende Menschen feiern werden, ist komplett leer. Auf der Bühne steht der Sänger und ruft „Check, one, two“ ins Mikro, die Gitarristen stimmen ihre Gitarren – Soundcheck. Auf der Bühne treibt sich neben den Musikern noch eine Person herum: Mit einer Kamera versucht sie eifrig die Verstärker, Instrumente und Musiker in Szene zu setzen und stellt der Band zahlreiche Fragen, um möglichst viele Eindrücke und Informationen für einen gelungenen Bericht zu sammeln – ein Musikjournalist in seinem Element. Anschließend geht er einen Kaffee trinken und trägt die gesammelten Informationen zusammen. Abends geht es dann zurück auf das Konzert, um die Band in Aktion zu sehen, mitzufeiern und anschließend wieder an den Schreibtisch, um die Eindrücke zu Papier zu bringen. Für Musikjournalisten ist es keine Seltenheit, dass ihre Arbeit schon vor dem Konzert am Abend losgeht und sie einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Das ist die Traumvorstellung vieler junger Musikliebhaber: Regelmäßig auf Konzerte zu gehen, die neusten Alben zu hören und Interviews mit bekannten Musikern zu führen – so kann ein Teil des Alltags eines Musikjournalisten aussehen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen man mitbringen muss, um Musikjournalist zu werden und welche Ausbildungsmöglichkeiten und Einstiegsmöglichkeiten es heutzutage für junge Leute in der Branche gibt.
Am Anfang steht die Leidenschaft
Arnd Müller ist selbstständiger Musikjournalist aus Köln. Seit 20 Jahren ist er in der Musikbranche unterwegs und schreibt Artikel für verschiedene Printmedien: Von CD- und Albumrezensionen, Bandinfos bis hin zu Hintergrundberichten über Bands und ihr Equipment. Seine Schwerpunkte liegen dabei auf den Genres Pop, Rock und Blues. Studiert hat er Germanistik und Soziologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Er hat kein Musikstudium durchlaufen, um Musikjournalist zu werden, aber eine Sache hat ihn über die Jahre hinweg immer begleitet: Die Leidenschaft zur Musik. Er spielt seit seinem elften Lebensjahr Gitarre und stand schon mit verschiedenen Blues- und Rockbands auf der Bühne. Neben der Begeisterung zur Musik ist es zusätzlich von Vorteil einen musikalischen Hintergrund und ein Talent fürs Schreiben zu haben: „Am besten macht man selbst Musik und spielt in einer Band. Dann versteht man die Dynamiken auch besser, weiß wie das ist mit den Veranstaltern zu reden, man kennt den ganzen Bandzirkus. Damit hat man auch eine ganz andere Themenlage, das ist schon ein Vorteil“, betont er.
Studium oder Quereinstieg
In Deutschland gibt es zurzeit drei Hochschulen, die Studiengänge im Bereich Musikjournalismus anbieten: Die Technische Universität Dortmund, die Hochschule für Musik und Theater in München und die Hochschule für Musik in Karlsruhe. Neben journalistischen und publizistischen Grundlagen werden den Studierenden dort unter anderem musikjournalistische Vermittlungsformen nähergebracht. Durch Praxisprojekte mit Medienunternehmen erhalten die Studierenden einen ersten Einblick ins Berufsleben eines Musikjournalisten und erhalten wertvolle Kontakte zu Experten aus der Branche. An der TU Dortmund nimmt man unter anderem auch am Instrumentalunterricht teil, lernt, wie man Konzertkritiken schreibt und produziert eigene Radiosendungen. Die drei Studiengänge sind eine Entscheidungsmöglichkeit für junge Leute, die im Musikjournalismus Fuß fassen wollen.
Im Journalismus ist aber häufig auch ein Quereinstieg möglich. So war es bei Arnd Müller: Er ist mehr oder weniger durch einen glücklichen Zufall zum Musikjournalismus gekommen. Zu seinen Auftraggebern zählt unter anderem das Musiker-Fachmagazin Gitarre & Bass. Den Chefredakteur des Magazins hat er durch den Schlagzeuger einer Bluesband, in der er damals gespielt hat, kennengelernt. Er machte ein Praktikum in der Redaktion und hat anschließend neben dem Studium immer wieder Artikel für das Magazin geschrieben. Nach seinem Studium hat er sich direkt selbstständig gemacht und hat seitdem für viele Printmedien geschrieben, unter anderem für Musikzeitschriften wie Akustikgitarre und Blues News, aber auch für Lokalzeitungen wie den General-Anzeiger Bonn und die Esslinger Zeitung. Er erzählt, dass es oft nicht so einfach ist Akquise zu betreiben und in Redaktionsstrukturen reinzukommen: „Die Redaktionen arbeiten gerne mit Autoren zusammen, die sie kennen. Die haben ihren Autorenstamm. Das hat Vor- und Nachteile. Man kommt nicht so schnell rein, aber wenn man irgendwo ist, hat man die Chance zu bleiben.“ Eine Festanstellung hätte er am Anfang gerne gehabt, aber die Stellen für Musikjournalisten in Redaktionen sind rar. Neben dem Berufsbild des freiberuflichen oder selbstständigen Musikjournalisten, gibt es in der Branche noch weitere mögliche Stellen: Zum Beispiel in einer Multimedia- oder Musikredaktion beim Hörfunk oder Fernsehen, als Kulturreporter/in, in der Moderation oder aber als Medienberatung von Künstlern und Kulturinstitutionen. Der 49-jährige Musikautor und AC/DC-Fan ermutigt junge Leute Initiativbewerbungen zu schreiben und Schreibproben zu sammeln: „Wenn man zum Beispiel den Rolling Stone liest – einfach mal hinschreiben und die Bewerbung am besten noch mit einem kleinen Artikel verknüpfen. Oder bei Lokalzeitungen melden und anbieten Platten- und Konzertkritiken zu schreiben. Damit wird man nicht direkt reich, aber so geht man schon mal einen ersten Schritt in die Branche.“
Einen Mehrwert generieren
In Zeiten von Social Media können sich Musikfans alle Informationen direkt bei der Quelle besorgen: Sie folgen ihrer Lieblingsband auf Instagram & Co. und bekommen dort neben Insights oft auch Livemitschnitte von Konzerten zu Gesicht. Das stellt Musikjournalisten vor eine Herausforderung: In der Fülle von Informationen einen Mehrwert für den Leser zu generieren. Mehr als das, was er als Follower bekommt. Informationen liefern, die noch keiner kennt, was jedoch zunehmend schwieriger wird. Aber vor allem die gegebenen Informationen einzusortieren und die Bedeutung dahinter zu erklären. Woher kommt ein bestimmter Sound? Welche Musik hat den Künstler inspiriert? Ein guter Artikel braucht Fakten und Unterhaltung. „Ein Stichwort ist Expertise. Ob du jetzt online oder im Printbereich eine Geschichte veröffentlichst – du musst immer spannend schreiben und fachlich sauber recherchieren. Das ist die Chance von Journalisten“, erzählt Arnd Müller und ermutigt somit junge Leute, sich dieser Herausforderung im Musikjournalismus zu stellen.
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