Leblos. Kalt. Ohne Fell und Augen. Tot. Ein rosafarbenes Stück Fleisch auf dem Arm einer schönen Frau. Mit einem süßen Kaninchen hat dieses Werk der Künstlerin Carina Lange definitiv nichts mehr zu tun. Vielmehr läuft uns gleich ein kalter Schauer über den Rücken. Die Reaktionen der Betrachter: Ekel und Entsetzen. Ines Wittneben, die die Galerie Jarmuschek & Partner betreut, scheint diese Gefühlsregungen fast schon freudig zu erwarten – ein verschmitzt breites Grinsen zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. Spätestens da wollen wir wissen, was es genau mit dem Gruselfoto auf sich hat.
Was uns überrascht: Es geht nicht um Tierschützer-Ideologien, Aufrufe zu einer veganen Lebensweise oder das Protestieren gegen die Ausbeutung der Tiere. Ein ganz anderer, eher poetisch anmutender Charakter steckt hinter der Machart: der Vanitas-Gedanke, das Vergängliche des wahrhaftig Schönen, des Genussvollen. Die kurzlebige Grazie des Seins. In Anlehnung an die barocken niederländischen Stilleben des 17. Jahrhunderts greift sie das nicht an Bedeutung verlierende Thema erneut auf und interpretiert es auf ihre ganz eigene Art und Weise.
So sieht man beispielsweise eine sich abschminkende Frau, die ihre Maskerade fallen lässt und somit ihr wahres Ich zeigt. Außerdem zahlreiche tote Falter, angepinnt an eine Wand – das filigrane Schöne also, das nicht ewig währt. Und ein Bild mit der Szenerie eines Schlafzimmers: Das Fenster steht weit auf, ein Brief flattert hinein. Auf dem Bett ist das in der Kunst immer wiederkehrende, leicht verdorrte Obst platziert. Dahinter als modernes Element die Heizung. Gespielt wird mit alten und neuen Impressionen der Zeit – das Thema Vergänglichkeit bleibt.
Autoren: Nina Jerko & Hanna Selke