Es herrscht Unsicherheit auf dem Marktplatz Kunst. Fragen nach der sogenannten Provenienz – der Herkunft und den Eigentumsverhältnissen von Kunst- und Kulturgütern sind in den Köpfen von Kunstsammlern, -händlern und Galeristen ständig präsent. Andere reiben sich die Hände: Kunstversicherer können aus der Unsicherheit Kapital schlagen.
Im Europasaal der Koelnmesse wird an diesem Morgen (20.04.2018) debattiert. Im Zusammenhang mit der Kunstmesse ART COLOGNE findet das 7. Kölner Kunstversicherungsgespräch statt. Es geht um angebliche NS-Raubkunst, das Versagen des Staates im Hinblick auf den Kunstmarkt und die Unsicherheit, die daraus hervorgeht.
Fast alle Stühle sind besetzt. Über 200 Menschen sind gekommen, um mit Experten aus dem Sektor Kunst zu diskutieren und aus ihren Erfahrungen zu schöpfen.
Der Fall Gurlitt
Einer der Experten ist der Journalist Maurice Philip Remy. 2013 produzierte er einen Dokumentarfilm über die Gurlitt-Affäre und veröffentlichte im vergangenen Jahr ein Buch zum Fall. Die Hintergründe: Im Februar 2012 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Augsburg über 1.000 Werke aus der Gurlitt-Sammlung. Später wurden noch mehr gefunden – 1.566 insgesamt. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Es könne sich um Nazi-Raubkunst handeln.
Remy, der Cornelius Gurlitt noch persönlich kennengelernt hatte, ist empört. „Das war eine Privatsammlung. Das zeigt die Unfähigkeit der Moderne“, positioniert er sich. Er beteuert, dass bis heute nur ein Kunstwerk eindeutig als Nazi-Raubkunst klassifiziert worden wäre. Ein Weiteres sei noch nicht bestätigt. Laut Medienberichten von Ende letzten Jahres seien es sechs.
Nach Remy müssten also alle Kunsthändler aus der Zeit von 1933 bis 1945 genau überprüft werden. „Einfach, weil die Möglichkeit bestand, dass es sich bei den gehandelten Werken um Kunstraub der Nazis gehandelt haben könnte. Jetzt müssen die Kunsthändler aufarbeiten, was der Staat in den letzten 70 Jahren versäumt hat“, schimpft Remy.
Der Staat am Pranger
In dem mehr als zweistündigen Gespräch beziehen die Akteure Position. Sie scheuen sich nicht ihr Anliegen klar und deutlich zu benennen: Eine Lobby für den Kunsthandel.
Das will auch Karin Schulze-Frieling von der Galerie Utermann aus Dortmund. Sie beschreibt die große Herausforderung für Kunsthändler in Deutschland. Es gehe nicht nur darum, dass Händler sich mit der Provenienz, also der Herkunft beschäftigen müssen, sondern auch die Überprüfung der Echtheit sei ein zentrales Thema. Schulze-Frieling fordert: „Der Staat soll die Vorreiterrolle einnehmen und Dinge wieder an seinen Ort führen“.
Eine bei der sich alles um die Herkunft von Kunst dreht, ist Amelie Ebbinghaus. Die Münchenerin arbeitet beim Art Loss Register in London als Provenienzforscherin. Ihrer Meinung nach muss zwischen privater und staatlicher Kunst klar unterschieden werden. Im Handel und somit auf dem Kunstmarkt vertreten, seien meist nur private Objekte. Hier Historischer Kunst eine durchgehende Besitzkette nachzuweisen, sei so gut wie unmöglich. Für staatliche Kunst gelte das nicht. Hierfür bräuchte es nach Ebbinghaus jedoch Gesetze, die feste Regeln besagen.
Unsicherheit als Geschäft
Mehr Gesetze bedeuten für die Einen Orientierung. Für die Anderen jedoch Einschränkung. Große Versicherer, wie Allianz, ERGO und Co. sind bekannt für Kranken- oder Haftpflichtversicherungen. Sie bieten aber auch Versicherungen für Kunstwerke an. Dabei ist „ein Versicherer kein Provenienzforscher“, erklärt Julia Barbara Ries, Abteilungsleiterin für Kunstversicherung bei der ERGO. Trotzdem unterstützt sie die Forderung nach einem staatlichen Rahmen für Orientierung und Sicherheit im Kunsthandel. Gleichzeitig sind Zeiten der Unsicherheit jedoch goldene Zeiten für Versicherungen. Denn um Unsicherheiten einzudämmen wird möglichst viel, möglichst hoch versichert. Dennoch, gegen Beschlagnahmungen wie im Fall Gurlitt helfen auch Versicherungen nicht weiter.
Alina Liertz & Yvonne Zwirnmann