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Verpackungsfrei leben in der Kölner Südstadt

Nudeln in der 500-g-Packung, Nüsse in kleine, verzehrfertige Päckchen abgepackt und Shampoo in extra kleinen Reisegrößen – wohin wir im Supermarkt schauen, alles ist irgendwie in Plastik oder Papier verpackt. Ein Leben ohne Verpackung ist bei diesem Anblick kaum vorstellbar. Ist es das wirklich nicht? Doch!

Filiz Gencer macht vor, wie es geht. „Ich bezeichne mich nicht als Zero-Wastler“, sagt sie, als ich sie in ihrem Laden migori – Verpackungsfrei Leben in der Kölner Südstadt besuche. „Ich tue, was ich kann, aber wenn es aus irgendeinem Grund nicht geht, dann akzeptiere ich das. Ich habe auch noch Verpackungsmüll, aber sehr, sehr wenig.“

Filiz Gencer (rechts) und ihre Kollegin leben ihren Traum vom verpackungsfreien Leben. (Foto: Bachmann)

In ihrem weitläufigen Laden in der Bonner Straße steigt mir schon beim Betreten der frische Kaffeeduft in die Nase. Große Vorratsgläser mit den unterschiedlichsten Sorten Gummibären, Nüssen und mit Schokolade überzogene Früchte stehen in einem Regal. An der hinteren Wand des Ladens hängen große Säulen mit verschiedenen Sorten Kaffeebohnen, Cornflakes und Getreide. „Müsli und Nudeln werden am meisten verkauft. Sehr beliebt ist auch die Drogerie-Ecke, da haben wir Shampoo, das ist super. Damit kann man total einfach Verpackungen sparen, weil es ein loses Stück festes Shampoo ist“, erklärt Filiz.

Abwiegen – Einpacken – Genießen

Die Kundin, die nach mir in den Laden kommt, ist das erste mal hier. Sie lässt sich von einer Mitarbeiterin erklären, wie das verpackungsfreie Einkaufen eigentlich abläuft – denn irgendwie muss man sein Müsli ja auch nach Hause bringen. Um ohne Verpackung einkaufen zu können, bringen die Kunden eigene saubere Behälter mit. Diese werden vor dem Einkauf abgewogen und das Leergewicht wird notiert. Dann kann der Kunde so viele Kaffeebohnen, Duschgel oder Süßigkeiten einpacken, wie er möchte. Beim Bezahlen wird an der Kasse das Leergewicht der Behälter abgezogen und jeder zahlt nur exakt so viel, wie er auch kauft. Auch um die Hygiene müssen sich die Kunden bei migori keine Sorgen machen. „Wir arbeiten mit der Lebensmittelüberwachung ohne Probleme zusammen“, erzählt Filiz.

Eigenen Behälter abwiegen – Leergewicht notieren – Einkaufen. (Foto: Bachmann)

Mitten im Herzen der Südstadt pulsiert das Leben. Verrückt aussehende Tattoo-Studios, heruntergekommene Spielhallen und fancy Burger-Läden reihen sich dicht an dicht. Gleich daneben der verpackungsfreie Laden von Filiz Gencer. Genau so vielseitig und unterschiedlich wie das Angebot auf der Bonner Straße ist, sind auch die Kunden. „Hier kommen viele ältere Leute rein, die sagen: ‚Och ist ja fast wie früher‘. Natürlich auch viele Leute hier aus der Gegend. Ziel Nummer eins ist es ja, dass man Leute aus dem unmittelbaren Umkreis anzieht. Es kommen aber auch etliche junge Leute, die viel Wert darauf legen, verpackungsfrei einzukaufen“, sagt Filiz.

Im Veedel ist migori einzigartig. „Wir haben den großen Vorteil, dass wir eine Möglichkeit bieten, die Ware ohne Verpackung anzubieten. Klar gibt es hier auch Bio-Supermärkte, aber die meisten Produkte bekommt man eben nicht lose. Natürlich ist es auch ein bisschen teurer, aber wir versuchen nicht über Bio-Supermarkt-Preise zu kommen. Die Marge muss für uns stimmen, aber wir versuchen die Sachen so günstig wie möglich anzubieten“, erklärt uns die Inhaberin. Die Südstädter sind offen für dieses Konzept. Viele der Bewohner machen sich Gedanken um die Umwelt. Junge Eltern wollen ihren Kinder eine andere Welt hinterlassen, wie Filiz mir erzählt.

Bei migori gibt es nicht nur verpackungsfreie Lebensmittel, sondern auch nachhaltig produzierte Produkte. (Foto: Bachmann)

Die Südstadt ist vielseitig

Rund um den Chlodwigplatz findet der Kölner alles, was er braucht. Es gibt den Poldi-Döner, einen Laden nur für Cornflakes oder die verschiedensten Cafés, in denen sich ein Besuch auf jeden Fall lohnt. Filiz bezeichnet die Südtstädter als „sehr lebendig und offen“. Aber auch in diesem Veedel hinterlässt die Gentrifizierung Spuren. „Vor allem hier im Straßenabschnitt tut sich immer was“, sagt Filiz.

Das Veedel bleibt vielseitig, lebendig und bunt. „Es gibt hier tolle Initiativen, wie die Marktschwärmer. Bei denen kann man regional Ware bestellen. Es ist immer irgendwas los. Die Südstadt ist gut besucht, aber eben nicht die Innenstadt, sondern ein bisschen dörflicher“, erklärt Filiz. Das alles sind Gründe, weshalb sie die Südstadt als Standort für ihren verpackungsfreien Laden gewählt hat.

„Komplett ohne Verpackung zu leben ist sehr schwierig. Medikamente zum Beispiel bekommt man nicht ohne Verpackung. Und jeder, der vielleicht eine besondere Sorte Chips oder Schokolade will, bekommt das auch nicht ohne Verpackung. Ansonsten kann man aber sehr gut reduzieren“, sagt Filiz. Im Normalo-Supermarkt gibt es auch schon die Möglichkeit, ohne Verpackung einzukaufen. Wer also der Meinung ist, Bananen haben schon von Natur aus eine geeignete Verpackung, kann auch zu den Bio-Bananen ohne Zellophan greifen oder die Plastiktüten im Regal lassen. Wer aber komplett verpackungsfrei Leben will, ist bei Filiz und migori in der Kölner Südstadt genau richtig.

Text: Lisa Bachmann

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