Hinger dr Britz im Hänneschen-Theater

Die Gässchen in Knollendorf sind menschenleer. Die Straßenlaternen spenden keinerlei Licht. Die Lädchen sind geschlossen. „Hinger dr Britz“ im Hänneschen-Theater am Eisenmarkt ist Mittagspause. Hinter der Bühne ist es kühl und dunkel. Bis zu vier Kilo schwere Puppen und Requisiten warten am Rand auf ihren nächsten Auftritt. Die Instrumente sind spielbereit und die Bühnenbilder hängen fest verankert in ihren Scharnieren an der Decke.

Die Puppen am Rande der Bühne

Neben den Puppen stehen Kutschen und Vögel auf dünnen Metallstäben, damit sie über die Bühne „fliegen“ können. Seit 1802 ist das die 17. Bühnenstation des Hänneschen-Theaters im Martinsviertel. Tag für Tag lüftet sich der Vorhang, der fiktiven Stadt Knollendorf, für die Besucher und bringt sie alle zum Lachen. Die Veedelgeschichten berühren und amüsieren. 

Vom Logistiker zum glücklichen Puppenspieler 

Michael Danz und Tünnes

Michael Danz ist seit Februar 2018 festes Mitglied im Ensemble des Hänneschen-Theaters in der Kölner Altstadt. Er hat die Nachfolge von Hans Fey angetreten, der weit mehr als 30 Jahre den Mählwurms Pitter spielte. Neben dem Mählwurms Pitter, dem Wirt der Stammkneipe in Knollendorf, spielt Danz auch Besteva, den Großvater vom Hänneschen. Michael Danz nutze im Februar letzten Jahres die einmalige Chance: Endlich raus aus der Logistik Branche und Puppenspieler im Hänneschen Theater werden. „Die Bewerbung habe ich natürlich auf Kölsch geschrieben, wie sich das gehört.“, erzählt Michael Danz. Die Einladung zum Vorsprechen ließ nicht lange auf sich warten und das Ensemble hat sich noch am nächsten Tag für ihn als Nachfolger entschieden. Michael Danz erzählt, dass die anderen zwar singen konnten, aber „keiner kunt Kölsch“. Der gebürtige Südstädter trägt ein Chlodwigplatz T-Shirt und erzählt weiter grinsend: „Ich habe mich dann auf die Bank vor dem Theater gesetzt und geheult wie ein kleines Kind.“ Michael Danz durfte sein Hobby zum Beruf machen, für ihn ist es eine Ehre im Hänneschen Theater spielen zu dürfen. Die Kölsche Sprache war schon immer sein Hobby.

Auch die Puppen müssen in die Maske

Eine Puppe wird neu geschminkt

Bevor Besteva, der Großvater von Hänneschen, auf die Bühne darf, muss er noch mal in die Maske. In dem stickigen und hellen Raum reihen sich unzählige Kostümchen auf. Sie sind feinsäuberlich hinter den Glastüren sortiert. „Über 10.000 Kostüme, 750 Köpfe und 300 Körper sind in der Puppenwerkstatt gelagert“, erzählt Michael Danz stolz.

Die Fernsehköche und der Präsident

Darunter auch Prominenz: hinter den Glasfenstern grinsen die Fernsehköche Johann Lafer und Horst Lichter und nebenan schaut Donald Trump grimmig aus dem Regal.

Das nackte Hänneschen

Zwischen Farben, Pinseln, Nadeln und Fäden stehen Puppen für das kommende Stück im September. Nackte Puppen offenbaren ihren Körperbau. Danz erklärt: „Die Körperteile aus Lindenholz werden durch dicke Bänder, ähnlich wie Rollladengurte, zusammengehalten.“ Jedes Ensemblemitglied geht einer Nebentätigkeit nach. Michael Danz kümmert sich um die Reparatur der Puppen. „In den letzten anderthalb Jahren habe ich nur 10-15 Puppen flicken müssen“. Die Puppen sind also sehr robust. Die Schminke sitzt, das Kostüm passt, Besteva ist bereit für den Auftritt. 

Fläscheposs für das Hänneschen 

Der hölzerne Saal im Hänneschen-Theater

Die Bühne ist dunkel, rötliches Licht strahlt vom gleichfarbigen Vorhang sanft in den Saal. Das Publikum, vor allem Kinder, tuscheln aufgeregt auf den hölzernen Bänken. „Fläscheposs“ beginnt in wenigen Minuten. Das Kinderstück ist das Pendant zu dem Erwachsenenstück  „Farina“. Zwei der sechs Produktionen des Hänneschen Theaters pro Jahr. Die Anfänge des berühmten „Eau de Cologne“ sollen in beiden Stücken erzählt werden. Ein Gong ertönt, der Saal verstummt, Hänneschen betritt die Bühne. Er spricht hochdeutsch, überraschend, wenn man bedenkt, dass das Theater für die Kölsche Sprache bekannt ist. Doch zu früh gewundert. Hänneschen erklärt den Zuschauern nur die Basics des Kölschen Akzents und bittet alle, ihre Handys auszuschalten. Der erste Akt wird mit Gesang eingeläutet. Die Vögel wackeln, oder besser gesagt, fliegen über die Bühne, ein Schiff fährt vorbei. Hänneschen und Bärbelchen treten auf. „Damit die Puppen nicht leblos aussehen, dürfen die Stäbe nicht den Boden berühren, das geht ganz schön auf die Nackenmuskulatur“, erzählt Michael Danz. Jetzt ist erkennbar was er vor dem Stück zu erklären versuchte, die Puppen sehen erschreckend lebendig aus. Das Stück handelt von Hänneschen der ein Schulaufsatz über die Entstehung des Parfüms schreiben soll, aber keiner der Bewohner kennt sich damit aus. Plötzlich findet Hänneschen eine Flaschenpost im Wasser. „Woröm müssen die Lück eijentlich alles in e Wasser wirfe…dat kann mer doch och öntlich fott schmiesse“, ertönt Bärbelchens Stimme. Das Publikum lacht. Ob die Passage auf das Thema Nachhaltigkeit anspricht, bleibt offen, ebenfalls, ob noch mehr Leuten die Anspielung aufgefallen ist. In der Flaschenpost befindet sich ein Flaschengeist, der Hänneschen helfen kann. Eine Reise durch die abenteuerliche Kölner Parfümgeschichte beginnt. Sie ist gespickt mit unzähligen Lachern und aufregenden Ereignissen, begleitet von Musik und Gesang, in vier Akten. Spoiler: Hänneschen schafft es am Ende den tollsten Aufsatz zu schreiben, seine Lehrerin ist entzückt. Die Zuschauer sind begeistert, es gibt tosenden Applaus. Das Stück ist zu Ende. Bis auf den preußischen Polizisten, sprechen alle Bewohner Knollendorfs aus-gezeichnetes Kölsch. Zumindest für Zuschauer, die nicht aus Köln kommen. „Ur-Kölner sind auch durchaus mal kritisch. Ab und an wird auch hinter den Kulissen darüber diskutiert, wie ein Wort in Kölsch richtig ausgesprochen wird.“, erklärt Michael Danz.  

Die „Schminke“ der hölzernen Puppen

Die Detail-versessenheit des Stücks ist beeindruckend. Ob Requisiten Gestaltung, Aufmachung der Puppen oder die Diskussion um die richtige Aussprache des kölschen Akzents, beim Hänneschen-Theater wird darauf geachtet, dass alles perfekt aussieht und läuft.

„Hinger der Britz“

Neben Michael Danz, der in diesem Stück Besteva und eine andere Nebenfigur gespielt hat, sind 13 weitere Puppenspieler hinter der Bühne. „Wenn jemand gerade nicht spielt, lässt er Vögel durch die Gegend fliegen, reicht den Spielern Puppen an oder kümmert sich um etwas anderes.

Die hängenden Kulissen

Hier steht während des Stücks keiner rum.“, erzählt Danz. Neben den Puppenspielern begleiten fünf Live Musiker und 20 Puppen, davon allein vier Hänneschen, das Kinderstück. Die unter 1,80m großen Puppenspieler haben keine Zeit die Puppen während des Stücks umzuziehen, also müssen einfach mehrere, mit verschiedenen Kostümen, angefertigt werden. Unter 1,80m, weil die Köpfe der Puppenspieler nicht über der Bühne herausragen sollten, die ist nämlich nur 1,80m hoch. Die wunderschön bemalten Kulissen hängen an Scharnieren von der Decke. Sie sind somit leicht beweglich und austauschbar, da sie nach jedem Akt gewechselt werden müssen. „Die älteste Kulisse, die ich bisher entdeckt habe, ist von 1968.“ erzählt Michael Danz aufgeregt. „Mal sehen, ob ich irgendwann eine noch ältere finde.“ Über 50 Jahre alte Kulissen beweisen, wie ordentlich und gewissenhaft im Hänneschen-Theater gearbeitet wird. Hier gilt ganz klar: Qualität vor Quantität. Das gilt auch für die Stücke. Geschrieben werden die nämlich fast ausschließlich vom Ensemble und der Intendanz selbst. „Unser stellvertretender Intendant Uwe Müller ist ein hervorragender Stückeschreiber, der auch das aktuelle Stück „Farina“ und das kommende Stück „Offenbach“ geschrieben hat, die teilweise drei Stunden gehen. Die schreibt er einfach hervorragend.“, so Danz. Selten kommt es vor, dass jemand von außerhalb ein Stück schreibt. Die Leute kennen sich meist zu wenig mit dem Theater aus. „Da gibt es oft Schwierigkeiten bei der Umsetzung auf der Bühne. Die meisten wissen nicht, was man auf einer Puppenbühne veranstalten kann. Hänneschen kann nicht einfach aus dem Fenster springen.“ 

Wä en Kölle es jebore, hät e Räch  si Levve lang frei ze sin un frei ze odme jede Minsch ne freie Mann.“

Michael Danz kennt sich trotz seiner erst kurzen Zeit am Hänneschen-Theater unfassbar gut aus. Mit kontinuierlicher Begeisterung, berichtet er von seiner Arbeit und den Abläufen im Theater. Schon als Kind tauchte er mit seinen Eltern in die Welt des kleinen Hänneschen ein, dann mit seinem Sohn und jetzt darf er selbst mitspielen. Auf die Frage, ob er je noch mal woanders arbeiten möchte ruft er laut „NEIN!“ und lacht, „Ich bleibe hier“. Er zitiert eine Zeile aus dem Song der Band „Schlacht bei Worringen“ von der Band „Bäck Fööss“, die seine Situation nicht besser beschreiben könnte: „Wä en Kölle es jebore, hät e Räch  si Levve lang frei ze sin un frei ze odme jede Minsch ne freie Mann“

Die Puppe Jaque Offenbach für das kommende Stück

Jetzt geht es für Michael Danz erst mal auf Europa Tour mit seinem Camper, um Texte zu lernen und den Urlaub zu genießen. Ab dem 31.08 startet dann schon wieder das Stück „Offenbach – Zwesche Kölle un Paris“. 

Kölsche Vita – Das Leben in der Rheinmetropole

Kölns Geschichte ist fast 2000 Jahre alt. Damals ernannte der römische Kaiser Claudius das heutige Köln zur Stadt unter dem Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Das älteste Relikt aus dieser Zeit ist zugleich das bekannteste Wahrzeichen der Stadt: der Kölner Dom. Seit über 1200 Jahren steht die gotische Kirche fast unverändert im linksrheinischen Herzen von Köln, während die Stadt drum herum stetig wächst und sich verändert.

Die Veedelskultur gehört mittlerweile genauso zu Köln, wie der Dom, das Kölsch oder der Karneval.  Als „Veedel“ bezeichnet der Kölner liebevoll den Stadtteil, in dem er zu Hause ist. In Köln gibt es insgesamt 86 Veedel und daneben noch einige inoffizielle Veedel, die nicht amtlich erfasst sind. Dazu zählen urkölsche Veedel, wie der Eigelstein, das Studententviertel „Kwartier Latäng“ oder auch das „Belgische Viertel“ in der Neustadt-Nord. Und was macht ein Veedel nun zu einem Veedel? Hier findet der Kölner im Allgemeinen alles, was er zum Leben braucht: die Stammkneipe an der Ecke, das Büdchen, einen größeren Platz zum Plaudern, den Supermarkt, den Bäcker und das Café. Im Veedel spielt sich das Leben ab und dementsprechend fühlt sich der Kölner seinem Stadtteil ganz besonders verbunden. Und trotz der Allgemeingültigkeit dieser Formel für alle Veedel, hat doch jeder Bezirk seine eigenen Besonderheiten zu bieten.

Kölsche Veedel – Für jeden Geschmack was dabei

Die Altstadt zum Fuße des Doms ist bekannt für ihre Fülle an historischen Schauplätzen, wie dem Heinzelmännchen-Brunnen, dem alten Rathaus oder dem Hänneschen-Theater am Eisenmarkt. Das Motto des Puppenspiels bietet ein Gefühl für die Tradition: „Bei uns im Hänneschen Theater lävt et Hätz vun Kölle sik 1802.“ Man kann darüber hinaus durch die Gassen der Altstadt schlendern, die Brauhäuser auf dem Alter Markt besuchen oder an der Rheinpromenade die Sonne genießen. Die traditionsreiche Geschichte der Altstadt spiegelt sich auch in den Anwohnern wider. Wer sich im Brauhaus Zims umsieht, trifft dort auf zahlreiche Männerstammtische, die sich dort auf ein Feierabendkölsch treffen. Opa Jupp  ist die Verkörperung des typischen Altstadtbewohners.

Graffiti Kunst in Ehrenfeld
Buntes Wandgraffiti auf dem Heliosgelände in Ehrenfeld

Absolutes Kontrastprogramm dazu bietet Ehrenfeld. Das hippe und multikulturelle Veedel ist gezeichnet von Streetart, Technoclubs und orientalischen Fressbuden. Ein Handy- und Klamottenladen reiht sich an den nächsten, aber auch originelle Trends wie Unverpackt-Läden oder „Zahl was es dir wert ist“-Supermärkte finden hier einen Platz. Auf dem Heliosgelände, einem ehemaligen Industriegrundstück, finden regelmäßig Veranstaltungen und Festivals rund um Musik, Lifestyle oder Streetfood statt. Der typische Ehrenfelder wohnt in einer Fünfer-WG, hat vielleicht einen Migrationshintergrund und jobbt im Sneaker-Store gegenüber.

Leckeres Eis in Zollstock am Südfriedhof
Kölns beliebte Eisdiele Van der Put in Zollstock

Wer dem Großstadttrubel lieber ein wenig entgehen will, der ist in Sülz, Klettenberg und Zollstock besser aufgehoben. Die benachbarten Stadtteile im Kölner Süd-Westen sind besonders bei jungen Familien beliebt. Mit dem zweithöchsten Anteil an Grünflächen in Köln ist Sülz das perfekte Veedel für Naturliebhaber. Zollstock besticht vor allem mit seiner Dichte an urigen Geschäften. Hier findet man von einer Wollhändlerin, über Juweliere bis hin zu einem Pfeifengeschäft noch originelle Läden, die im Einzelhandel leider nach und nach aussterben. In Sülz bieten sich einem zahlreiche Möglichkeiten einen gesunden Lebensstil zu verfolgen. Hier wimmelt es nur so von Bioläden und Yoga-Studios. Auf den Straßen dominieren Fahrräder und E-Scooter. Die typische Sülzerin spaziert gerne mit Kinderwagen und Hund durch den Beethovenpark und trinkt dabei ihren Latte Macchiato aus einem biologisch abbaubaren ToGo-Becher.

Blick auf den Dom und die Hohenzollernbrücke von der Schäl Sick

Und dann wäre da natürlich noch die „Schäl Sick“. Als Schäl Sick betitelt der linksrheinisch wohnende Kölner die rechte Seite des Rheins abfällig als „die falsche Seite“. Hier befinden sich Veedel wie Deutz, Mülheim, Kalk oder Porz. Dabei trugen die rechtsrheinischen, industriestarken Bezirke, darunter auch Kalk und Mülheim, damals ganz wesentlich zum Wohlstand Kölns bei. Aber der Kölner wäre kein Kölner, wenn er nicht auch diesem Umstand etwas Gutes abgewinnen würde. Und so ist die Bezeichnung der Schäl Sick für die Bewohner der rechten Rheinseite eher ein Ehrentitel. Das Leben im rechtsrheinischen Köln, fernab des Stadtzentrums, gestaltet sich ruhig und gemütlich. Stereotypisch für die Schäl Sick ist die Familie mit drei Kindern, die gerne im Garten spielen, während Mutti das Abendessen für die Familie zubereitet und Vati die Schlagzeilen des Tages vorliest. Am Wochenende machen sie gerne einen Ausflug ins Bergische oder einen Spaziergang durch den Königsforst mit anschließendem Biergartenbesuch.

Kölsches Grundgesetz – Eine Formel zum Glücklichsein

Das Geheimnis für das gelassene Zusammenleben ist in Köln sogar in Form eines kölschen Grundgesetzes verankert. Das inoffizielle Gesetz umfasst elf Artikel und bietet eine Formel zum Glücklichsein. Die ersten drei Artikel „Et es wie et es!“, „Et kütt wie et kütt!“ und „Et hätt noch immer jot jejange!“ stehen grundsätzlich exemplarisch für die rheinländische Gelassenheit und Sorglosigkeit. Die Kölner bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Artikel vier bis sieben, wie zum Beispiel „Wat fott es, es fott!“ oder „Wat wellste maache!“, unterstreichen die Grundeinstellung der Kölner, dass man manchen Dingen einfach seinen Lauf lassen muss und nicht alles steuern kann. Wichtig sind außerdem Artikel zehn und elf: „Drinkste ene met?“ und „Do laachste dich kapott!“ verkörpern die Offenheit und Heiterkeit der Rheinländer in jeder Lebenslage.

Doch wo man die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt am deutlichsten spürt, ist in der Musik. Und so ist es auch keine große Überraschung, dass die Karnevalsband Black Fööss dem Veedel eine eigene Hymne gewidmet hat:

Wat och passeet, dat eine es doch klor. Et Schönste, wat m’r han, schon all die lange Johr, es unser Veedel, denn he hält m’r zosamme ejal, wat och passeet, en uns’rem Veedel.

Lugatti & 9ine: Releaseparty

Wer denkt, die neusten und besten Raptracks kommen nur aus Berlin und Hamburg, hat sich getäuscht. Gut ein Jahr nach ihrem letzten Release „Man kennt sich 2.0“, haben die Kölner Rapper Lugatti und 9ine im Mai ihr neues Projekt „Frisches auf dem Herd“ veröffentlicht.

Albumcover Frisches auf dem Herd

Die neue Platte glänzt mit innovativen Sounds, ohne sich zu sehr an den aktuellen Trends im deutschen Hip-Hop zu orientieren. Joana hat sich das ausverkaufte Releasekonzert im Helios in Köln-Ehrenfeld angeschaut. Sie hat sowohl mit der Crowd als auch mit Lugatti & 9ine  gesprochen. 

Eine neue, facettenreiche Ausgabe PlanTV

Die aktuellen 4.-Semestler des Studiengangs Journalismus und Unternehmenskommunikation an der HMKW Köln haben ihre erste Ausgabe des Lokalnachrichtenformats „Plan TV“ aufgenommen. Die neue Sendung ist ab sofort auf dem Youtube-Kanal der Hochschule zu sehen.

Nach mehreren Wochen voller Drehtermine, Stunden vor dem Schnittprogramm und verschwitzen Minuten in der Aufnahmekabine, konnte die neuste Ausgabe des hochschuleigenen Nachrichtenmagazins „Plan TV“ vor Kurzem fertiggestellt werden. Unter der fachlichen Betreuung des Dozierenden-Teams, bestehend aus Prof. Dr. Bettina Lendzian, Hans Hausmann und Heinz Hoppe, hat der Kurs Journalismus- und Unternehmenskommunikation 18kd eine spannende und zugleich informative Magazinsendung produziert. Die Studierenden haben sich über die Problematik des Personalmangels im Sicherheitsbereich, die neue Sportart „Spikeball“ und E-Zigaretten als gesündere Alternative zu Tabak

informiert. Sie haben sich ein besonderes Jugendzentrum in Bonn angeschaut und sich mit einer Yogalehrerin, einem hauptberuflichen Künstler sowie dem Inhaber eines neuen Food-Hotspots in Köln getroffen. Durch dieses bunte Themenspektrum aus und um Köln führen Sie die Moderatoren Melina Gramsch und Lukas Schneider – viel Spaß beim Anschauen!

Quidditch – nur ohne Fliegen

Quidditch, der Ballsport auf fliegenden Besen, dürfte jedem Harry Potter-Fan ein Begriff sein. Doch wer hätte gedacht, dass man die Vollkontakt-Sportart, die an eine Mischung aus Rugby, Dodgeball und Handball erinnert, auch ohne Magie ausüben kann? Das kölnische Muggel-Quidditch-Team beweist es. Melina Coniglio hat die Cologne Cannons, die sich zwei Mal die Woche auf dem Sportgelände der Uni Köln treffen, bei ihrem abendlichen Training begleitet.

Alle Fotos: Melina Coniglio

 

Comicstores in Köln: Ein kleines Stück Populärkultur

Köln bietet vielen Szenen ein Zuhause, so auch der Comic-Szene. Doch nicht etwa in Form von großen Ketten wie „Elbenwald“, „GameStop“ oder „ZiNG“, die sich auf den Verkauf von Merchandise spezialisiert haben. Viel mehr zieht es die eingefleischten Fans in die kleinen Comic-Läden, von denen es jedoch mittlerweile nicht mehr viele gibt. Einst waren es zehn, heute sind es nur noch drei. Ich habe den „Fantastic Store“, den „PIN-UP Comics & mehr“ und den „Alias Comics“ besucht, um mehr über die letzten Comicstores Kölns herauszufinden.

Meine Comicstore-Tour führt mich als erstes zum Chlodwigplatz. Direkt an der Bonner Straße sitzt der „Fantastic Store“, der zum Comic-Museum „Cöln Comic House“ gehört. Dank der roten Buchstaben im Fenster ist er kaum zu übersehen. Ich betrete das geräumige Ladenlokal, das optisch direkt mit seiner aufwändigen Aufmachung punktet. Überall sind Merchandise-Artikel und Comicbücher ansprechend drapiert. Hinter der Kasse steht Sebastian, mein Interviewpartner. Seine eisblauen Augen mustern mich aufmerksam unter der kakifarbenen Cap.

„Es gibt Tage, da macht es Spaß, und dann hast du Tage, da ist es ziemlich anstrengend.“

Sebastian ist Mitte dreißig und arbeitet seit ein paar Jahren als Teilzeitkraft im „Fantastic Store“. Doch auch wenn er in seiner Freizeit durchaus gern Comics liest, so ist seine Arbeit für ihn lediglich ein Mittel zum Zweck, um seine Miete bezahlen zu können. „Es ist ein Job wie jeder andere auch“, sagt er. „Es gibt Tage, da macht es Spaß, und dann hast du Tage, da ist es ziemlich anstrengend.“ Ob es ein guter oder ein schlechter Tag wird, hängt seiner Meinung nach von den Kunden ab. Dem Einzelhandel geht es im Allgemeinen schlecht, doch angeblich ist das Comic-Business sogar noch stärker von den negativen Auswirkungen der Digitalisierung betroffen. Er und sein Chef Rüdiger sind einer Meinung: Die Printmedien sterben aus. Grund dafür seien der verstärkte Online-Handel und Ebooks. „Die Leute sind nicht mehr dazu bereit, Geld zu bezahlen“, sagt Sebastian. Seine Aussage deckt sich mit den Zahlen: Einst gab es zehn Comic-Stores in Köln, heute sind es nur noch drei. In Düsseldorf sieht es ähnlich aus: Dort ist die Anzahl sogar von zehn auf eins geschrumpft. Auch der Hype um die Marvel-Filme fördert den Verkauf der Comicbücher nicht ausreichend, um die Branche zu retten, erzählt Sebastian: „Große Filme wie `Avengers: Endgame´ pushen schon ein wenig, die anderen Filme eher weniger.“ Er sieht schwarz für die Zukunft der Comicläden und glaubt, dass sie irgendwann von der Bildfläche verschwinden werden.

Mein nächster Stopp führt mich zum Hansaring, wo in der Ritterstraße der „PIN-UP Comics & mehr“ sitzt. Große, blaue Lettern prangen über dem Geschäft und weisen mir den Weg in das Ladeninnere, das dem „Fantastic Store“ in nichts nachsteht. Hier treffe ich den Verkäufer Armin. Er steht in einer ruhigen Ecke des geräumigen Ladens und rückt nervös seine Brille zurecht.

„Wir können das kompensieren, weil wir so breit aufgestellt sind.“

Armin arbeitet seit fast zwanzig Jahren im „PIN-UP Comics & mehr“, der Laden selbst existiert bereits seit fünfunddreißig Jahren. Er ist der älteste Comicstore in Köln und hält sich weiterhin wacker. Von deutschen und amerikanischen Comics, über Manga und Merchandise, bis zu Schallplatten kann man hier alles kaufen, was das Herz begehrt. Der Schwerpunkt liegt dabei zwar immer noch auf den Comics, aber nicht ausschließlich, was die Kunden offenbar zu schätzen wissen. Denn der „PIN-UP Comics & mehr“ bekommt angeblich gar nicht so viel von der schlechten Allgemeinsituation der Einzelhandelsbranche mit – ganz im Gegensatz zum „Fantastic Store“. „Wir können das kompensieren, weil wir so breit aufgestellt sind“, antwortet er mir, als ich nachhake. „Klar merkt man auch die Internetsituation, das ist natürlich auch für uns ein Problem, aber damit können wir leben.“ Armins Angaben nach zu urteilen lebt der Laden hauptsächlich von seiner Stammkundschaft, die regelmäßig vorbeikommt, um Neuheiten abzugreifen. Abonnements und Laufkundschaft haben hingegen nicht so viel Einfluss auf das Tagesgeschäft. Wie die Zukunft der Comicstores aussieht, kann er jedoch trotzdem nicht beurteilen. „Man weiß nicht, wie die Zukunft aussieht. Es kann natürlich auch irgendwann einmal uns treffen, aber momentan – klopf auf Holz – hat es uns noch nicht so getroffen.“

Die letzte Station meiner Comicstore-Tour durch Köln führt mich ins Agnesviertel, direkt zur Schillingstraße, wo sich der „Alias Comics“ versteckt. Im Gegensatz zu den anderen beiden Comicstores handelt es sich hierbei um ein kleines Ladenlokal, an dem ich sogar fast vorbeilaufe, weil es von außen so unscheinbar wirkt. Im Schaufenster befinden sich nur Actionfiguren und keine Comicbücher. Der Name „Starzone“ springt mir ins Auge, daneben steht „Alias Comics“ in winzigen, weißen Buchstaben. Unschlüssig betrete ich das Geschäft und erfahre schnell, dass sich zwei Läden in demselben Gebäuden befinden: Rechts ist „Starzone“ – ein Einzelhandel für Liebhaber von Sammelkarten, Star Wars Sammlungen und Ähnliches – und links der „Alias Comics“, dessen Inhaber Micha mich auch sogleich in Empfang nimmt. Er trägt ein Jackett und dazu einen Batman-Gürtel, was mich zum Schmunzeln bringt.

„Es wird wieder mehr.“

Micha war zwanzig Jahre Kunde beim „Alias Comics“, ehe er die Stelle seines Vorgängers antrat– mittlerweile hat er den Laden übernommen und führt ihn allein. Er ist verheiratet und hat eine zweijährige Tochter, doch das hat ihn Anfang des Jahres nicht davon abgehalten, sich den „Alias Comics“ zu eigen zu machen. Er bereut seine Entscheidung nicht, auch wenn das Geschäft nicht immer einfach ist. „So eine Welle hat’s gegeben, aber ich finde es momentan eher gegenteilig wieder ansteigend“, bezieht er zu der aktuellen Lage der Comicbranche Stellung. „Also ich habe mehrere Kunden, die in den letzten ein bis zwei Jahren hinzugekommen sind, die richtig, richtig große Mengen Comics kaufen. Und ich habe einige Kunden, die zwar nur ein bis zwei Hefte nehmen, aber davon habe ich sehr, sehr viele. Es wird wieder mehr.“ Für ihn ist es wichtig, sich Zeit für die Kunden zu nehmen, denn der Großteil der Kunden des „Alias Comics“ wollen nicht nur mal eben schnell ein Comicbuch kaufen – nein, sie wollen sich wohlfühlen, über die Materie unterhalten und auch unterhalten werden. So geht es nicht einfach nur darum, Comics in die Regale zu stellen und auf Kundschaft zu warten. „Vom Katalog allein kommt nicht so viel Wachstum dazu, da muss man die Kunden schon gezielt ansprechen.“ Das ist Michas Geheimnis, wie er den von der Konkurrenz durchaus unterschätzten „Alias Comics“ über Wasser hält.

Drei Comicstores, drei unterschiedliche Geschichten. Wie die Zukunft der Branche aussieht, bleibt weiterhin ungewiss. Feststeht jedoch, dass die letzten drei Comicläden Kölns nach wie vor als charmante Szenetreffs fungieren– ein kleines Stück Populärkultur.

Alle Fotos: Melina Coniglio

Pool Ball: Fußball für alle in Nippes

Egal ob Billard, Kegeln oder Darts, hier wird alles mit dem Fuß gespielt. Die Pool Ball-Arena in Köln bietet ihren Gästen neue Varianten des Fußballs an, für jeden der auch mal abseits des Fu ßballfelds Spa ß haben möchte .

Wenn man hier reinkommt, hört man sofort laute Jubel-Rufe. Mehrere Kinder und Erwachsene laufen auf  überdimensional großen Tischen rum. Man sieht, wie sich ihre Blicke voller Konzentration nach unten richten und wie sie gestikulieren, als ob sie gerade eine Taktik planen. Dann nimmt einer der Spieler Anlauf und schießt einen Ball in die Richtung, in die er gerade noch mit den Händen gezeigt hatte. Einen kurzen Augenblick später sieht man, wie ein weiterer Ball in ein Loch fällt und plötzlich hört man erneut den Jubel.

Die Bälle und der Tisch sehen wie beim Billard aus.

So ist es jeden Tag in der PoolBall-Arena in Köln-Nippes. Im Dezember 2017 eröffneten Markus Marx und die Eheleute Monika und Andreas Rodenkirch die Anlage im Norden Kölns. Letztes Jahr besuchten knapp 10.000 Gäste die Anlage. Bis heute sind es schon mehr Besucher als im letzten Jahr. Und die Entwicklung scheint keinen Halt zu machen. Doch was ist eigentlich PoolBall?

Es handelt sich um ein Spiel, bei dem Billard mit dem Fuß gespielt wird. Es gibt sechszehn Bälle, zwei Teams und bis zu zehn Spieler pro Team. „Gespielt wird nach Billard-Regeln, aber mit zwei Unterschieden: das Einlochen der schwarzen Acht und die Fouls“, erklärt Markus Marx.

Damit meint er, dass bei jedem Versuch das Loch, in das man die schwarze Acht einlochen möchte, neu ansagen darf. Und es gibt noch eine weitere Änderung: Wenn eine Mannschaft ein Foul begeht, darf die weiße Kugel danach überall auf dem Platz aufgestellt werden.

„Schlag den Raab“ brachte sie auf die Idee

Auf die Idee kamen Marx und die Rodenkirchs im Jahr 2013 dank der Sendung „Schlag den Raab“. Damals starteten die beiden Geschäftspartner mit einer Fußballgolf-Anlage in Elsdorf-Berrendorf. Als es dann aber regnete, konnte nicht gespielt werden, weil es kein Dach gab. Deshalb suchten sie eine Spielvariante, die man Indoor spielen kann. In der Sendung von „Schlag den Raab“ haben sie dann einen PoolBall-Tisch gesehen und prompt entschieden sie sich, einen zu kaufen.

Sie nahmen Kontakt mit dem Hersteller auf und bestellten im Januar 2014 einen Tisch für ihre Fußballgolf-Anlage, die von Köln aus knapp 30 km entfernt ist. Doch es lief schleppend an: „Am Anfang lief es gar nicht. Da haben wir gedacht, wir haben alles falsch gemacht“, so Marx.

Um beim Pool Ball erfolgreich zu sein, braucht man einen präzisen Schuss.

Irgendwann änderte sich das Ganze wie aus dem Nichts. Es kamen immer mehr Menschen, um diese in Deutschland sehr seltene Variante des Fußballs zu spielen. „Die Nachfrage war aufeinmal so groß, dass die Räumlichkeiten in Elsdorf nicht mehr gereicht haben. Die Gäste mussten teilweise bis zu drei Monate warten, um spielen zu dürfen“, blickt Marx heute zurück.

Deshalb war der nächste Schritt klar: Sie mussten umziehen! In der Neusser Straße in Köln fanden sie eine Halle, die groß genug war, um drei PoolBall-Tische aufzubauen. Seitdem erobern sie damit die Herzen der Kölner. Denn praktisch jeder der die PoolBall-Arena besucht, verlässt sie mit einem Grinsen im Gesicht.

Das Gute an PoolBall: es ist „ein Sport für alle“, wie Marx behauptet. „Kinder ab 6 Jahre können das spielen, aber genauso haben wir Senioren, die wieder froh sind, einen Ball kicken zu dürfen“, fügt er an. Es ist nämlich eine gute Unterhaltung mit sehr viel Ähnlichkeit  zum Fußball, aber ohne den Körper so sehr zu beanspruchen.

Für Marx basiert der Erfolg von PoolBall auf drei wichtigen Stützen. PoolBall ist ein Sport für alle. Dazu kommt, dass Fußball eine der beliebtesten Sportarten der Welt ist, dadurch hat man eine große potentielle Zielgruppe. Marx betont außerdem, dass PoolBall sich sehr gut eignet, um Menschen zusammenzubringen: „Bei Betriebsausflüge will man heute nicht nur einfach essen gehen und quatschen, sondern man will was unternehmen. Dieser Unterhaltungscharakter ist der dritte wesentliche Baustein, weshalb Menschen hier herkommen“, sagt Marx.

Mit PoolBall noch lange nicht genug

Seit Ende Mai gibt es in der PoolBall-Arena eine weitere Neuigkeit, die noch mehr Gäste anzieht. Es handelt sich um zwei Bowling-Bahnen, auf denen ebenfalls mit dem Fuß gespielt wird. In Deutschland gibt es soetwas sonst nur in Bochum. Auch hier sind die Regeln ganz leicht. Es sind dieselben wie beim Kegeln, nur das eben statt mit der Hand, mit dem Fuß gespielt wird. Die Fußbälle sind extra etwas schwerer als normal, damit die Pins auch umgeworfen werden können.

Beim Fußball-Bowling spielt die Schusskraft auch eine wichtige Rolle.

Marx und Rodenkirch sind über die sozialen Medien auf das Fußball-Bowling gekommen. Viele ihrer Freunde haben ihnen über Facebook einen Link zu einem Video geschickt, in dem mit Fußbällen gebowlt wurde. „Unsere Freunde meinten: Das müsst ihr machen“, erinnert sich Marx. Daraufhin haben sie sich das Video genauer angeguckt und mit KickX, dem Patent-Inhaber der Fußball-Variante, verhandelt. Ein halbes Jahr später waren sie da: die zwei Bowlingbahnen. So schnell kann das gehen!

Das soll aber noch nicht alles sein: „Wir sind gerade noch dabei Fußball-Dart zu installieren“, erklärt Marx. Dafür lassen sie sich eine 2,70 Meter große Scheibe herstellen, auf die man schießen kann. Die Bälle bleiben dann daran kleben. Denn eines steht für die Geschäftspartner fest: sie wollen sich auf ihre bisherige Erfolgen nicht ausruhen, sondern versuchen sich immer wieder neu zu orientieren. Die Scheibe soll dann ebenfalls in den Keller kommen und genau neben den beiden Bowling-Bahnen stehen. Die obere Etage gehört dafür den drei PoolBall-Tischen.

Vom Hobby zum Beruf

Wohin die Zukunft des PoolBall führt ist noch unklar. Die Besitzer haben große Hoffnung, dass die gute Entwicklung so bleibt. Laut Marx ist in Köln keine weitere Anlage geplant, sondern er und seine Geschäftspartner wollen „in andere Städte reinwachsen“, wo sie das Konzept ausbauen können. Wenn es in Köln überhaupt noch eine weitere Anlage geben würde, dann nur „auf der anderen Rhein-Seite“.

Bei so viel Erfolg, könnte es schon bald sein, dass sich das Leben der drei komplett ändert. Eigentlich sind Marx und die beiden Rodenkirchs in ganz anderen Branchen tätig. Marx ist Bankkaufmann, Herr Rodenkirch arbeitet als Versicherungs-Experte und Frau Rodenkirch hat Jahre lang eine Gastronomie geführt. Doch für alle drei könnte bald der Traum zum Hauptberuf werden.

Uns Sproch es Heimat

Die Rheinländer: Wie der Name schon sagt, bezeichnet dieser Begriff die rund um den Fluss Rhein lebenden Menschen im Westen der Bundesrepublik.  So groß die Region des Rheinlandes geografisch ist, umso kleinteiliger und vielfältiger sind die einzelnen Gebiete und Gemeinden aus denen sie sich zusammensetzt. So gehört die freie Kreisstadt Köln, als bevölkerungsreichste Stadt NRWs, ebenfalls zur Region des Rheinlands.

Die Kölner: Dieser Begriff bezeichnet wiederum die in der Stadt Köln lebenden Menschen. Und die sind von einem ganz besonderen Schlag.  „Se kalle Kölsch, wie ihnen dat Mul gewaase es“ (sie sprechen Kölsch, wie ihnen der Mund gewachsen ist), „se fiere Karneval“ (sie feiern Karneval) „un se drinke lecker Kölsch“ (und sie trinken leckeres Kölsch). Kölsch – das ist nicht nur ein bekanntes Bier der Region, nein. Kölsch ist eine Sprache, ein Denken, ein Gefühl von Heimat.

karnevalistisches Graffitie

„Uns Sproch es Heimat“

„Sprache ist ein Spiegel der eigenen Mentalität und der Art und Weise, wie man sich gerne ausdrückt“, sagt Priska Höflich vom Institut för uns Kölsche Sproch im Mediapark in Köln. Dass es überhaupt ein Institut gibt, in dem Kölsch-Seminare angeboten und Kölsch-Examina abgelegt werden können, legt folgende Vermutungen nahe: Es ist den Domstädtern wichtig ihre Sprache zu erhalten und weiter zu vermitteln. Aus einem Dialekt wird eine Sprache, aus der Sprache ein Lebensgefühl, eine Tradition, ja, „uns Sproch es irgendwie Heimat“ – wie das Motto der vergangenen Karnevalssaison es so treffend formulierte.

Doch wie kam es dazu?

„Köln war 800 Jahre lang eine freie Reichsstadt mit eigener Stadtmauer, eigenem Markt und florierendem Handel, sodass sich zu dieser Zeit in der Tat eine richtige, eigene Sprache entwickeln konnte“

Der Fluss macht’s: durch die Lage direkt am Rheinufer konnte Köln Handel treiben. Und wer viel handeln will, der muss eben mit möglichst vielen Menschen gut auskommen. Hierfür ist die Sprache der Schlüssel. Wer sich verständigen kann, kann miteinander leben, arbeiten und handeln. „Die Rheinländer haben in ihre Sprache viel von den Leuten aufgenommen, die mit ihnen eng zusammen gewohnt oder gearbeitet haben“, bestätigt Frau Höflich. Was lässt sich also erkennen im Spiegel der Kölschen Sprache? Vermutlich vor allem eines: Vielfalt. In 2000 Jahren Stadtgeschichte ist Köln geprägt vom Zuzug und Wegzug der Menschen. Von Handel und Schifffahrt, von Römern, Juden und Franzosen – von Offenheit und Toleranz.

Kölscher Dialog zum lernen für Kinder

Köln war schon immer bunt

„Beispielsweise ist im Römisch-Germanischen Museum syrisches Glas ausgestellt. Vor über 2000 Jahren haben Syrer also bereits Glas nach Köln gebracht. Wer glaubt, Zuzug anderer Kulturen sei ein neues Phänomen im Rheinland, der irrt“, betont Priska Höflich im Gespräch. Auch Gabriele Dafft vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte schreibt der Kölschen Mentalität insbesondere drei Wesenszüge zu: „Gemeinschaftssinn, Toleranz und Offenheit – und eben nicht dieses Abschottende, was wir aus anderen Regionen kennen“. Als Beispiel hierfür gibt sie an, man müsse nur nach Bayern schauen. Ein bekannter bayrischer Wahlspruch lautet demnach „Mia san Mia“, was so viel bedeutet wie „wir sind wir“. Ein sehr identitätsstiftender Ausspruch. In Köln hingegen heißt es oft „drink doch ene met“, übersetzt: „trink doch einen mit“, aus einem bekannten Kölschen Song der Gruppe Bläck Fööss. Wo die einen sich also nach außen hin abgrenzen, laden die anderen Außenstehende ein, sich dazu zu gesellen. Mit Sprache kann man sich also sowohl von anderen abheben, als auch andere in eine Sache mit einschließen – oder eben ausschließen. Verändert die Art wie wir Sprechen und uns ausdrücken unser Denken, oder unsere Einstellung zum Leben?

Kölsches Garagentor

Nix bliev et wor

„Nix bliev wie et wor“ oder„Jede Jeck es anders“ – diese Paragraphen aus dem so genannten kölschen Grundgesetz, schildern die Offenheit des kölschen Charakters schon ganz gut“, so Höflich. Eine Laissez-faire Attitude, die den Kölnern sehr oft nachgesagt wird. Laissez-faire: ist das nicht eigentlich französisch? Korrekt! Innerhalb der 14-jährigen Besatzung unter Napoleon und später während des zweiten Weltkrieges haben auch die Franzosen dem Rheinland ihren Stempel aufgedrückt.

Mach mir keine fiesen Matenten!

So gibt es heute immer noch lustige, verfälschte Aussprüche die auf diese Zeit zurück zu führen sind. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Spruch „Mach mir keine fiese Matenten!“, den Eltern ihren Kindern – und vor allem Väter ihren Töchtern – in und um Köln gerne mit auf den Weg geben. Dieser rührt aus der Zeit der französischen Besatzungszone während des zweiten Weltkrieges, in der französische Soldaten um netten Damenbesuch bemüht waren und die Kölner Junggesellinnen mit dem Satz „Visite ma tente“, was so viel bedeutet wie „besuch mein Zelt“ in ihre Zelte einzuladen versuchten. Natürlich ganz zum Leidwesen ihrer Väter, die des Französischen oft nicht mächtig waren, und ganz in Kölscher, praktischer Manier den Satz ins Kölsche übertrugen und zur Mahnung aussprachen: „Mach mir keine fiese Matenten!“. „So wie die rheinische Frohnatur ist, so drückt sie sich auch aus und tatsächlich kann man viele emotionale Äußerungen sehr schön auf Kölsch ausdrücken“, erklärt Priska Höflich. Man denke nur an den oft in Kölschen Liedern auftauchenden Satz „Du bis ming Hätz“, was so viel bedeutet wie „Du bist mein Herz“, oder aber den zuversichtlichen Spruch „Es hätt noch immer jot jejange“, zu deutsch „Es ist noch immer gut gegangen“ aus dem Kölschen Grundgesetz. Unkompliziert, wenig schnörkelig, direkt, einfach und doch so einprägsam herzlich. Nicht umsonst sind aus vielen Kölschen Liedern und Sprüchen regelrechte Hymnen und Parolen geworden die, gerne in passenden Momenten hervor gekramt werden.

„In kölschen, sprichwörtlichen Redensarten verdichtet sich Mentalität“

So sieht es auch Gabriele Dafft vom LVR-Insitut: „Man beobachtet in Köln also auch in der Tat, dass die Redewendungen, die unter anderem aus dem Kölschen Grundgesetz stammen, angewendet werden und sozusagen aus der Schublade geholt werden wo immer sie passen.“ Für sie ist klar: „Durch das Sprechen der Kölschen Sprache und der breiten Verwendung des Dialekts in der Region, lässt sich eben auch ableiten, dass sich viele gerne die kölschen Tugenden zu eigen machen wollen.“ Tugenden, Eigenschaften – sie werden über Sprache transportiert. Sprache ist der Schlüssel zum Denken, zur Mentalität und „in kölschen, sprichwörtlichen Redensarten verdichtet sich Mentalität“, so Dafft.

Kölsches Grundgesetz

In Vielfalt geeint

Uns Sproch es Heimat – genau so lebendig wie Sprache ist, ist auch der Begriff der Heimat ein wandelbarer, denn: „Nix bliev wie et wor“! Das ist auch gut so, denn dies ist die Tradition des Rheinlands, die Tradition der Domstadt: der Wandel. Und so trifft auf Köln und Kölsche Sprache das Motto der Europäischen Union ganz gut zu, denn die Region, die Menschen und ihre Sprache sind geeint in Vielfalt.

Cöln zur Kaiserzeit – Eine Reise in die Vergangenheit

Der Boden besteht, wie nur noch an wenigen Stellen der Stadt, aus holprigem Kopfsteinpflaster. Die Häuser sind, wie nur noch wenige in Köln, alt aber dennoch farbenfroh erhalten. Der Alter Markt ist ein zentraler Platz in der Altstadt nicht unweit vom Rhein. Restaurants reihen sich dicht aneinander. Mitten auf diesem altertümlichen Platz: ein unscheinbarer Eingang mit der Aufschrift „Time Ride“. Auch, weil das Haus eines der wenigen nicht sonderlich hübsch anzusehenden ist, fällt vielen Menschen auf dem Alter Markt wohl nicht auf, dass sie vor Kölns neuester und hochmodernen Attraktion stehen. Das Virtual-Reality-Projekt entführt die Besucher auf eine Zeitreise in das Köln des Jahres 1900. „Mitten im damals“ lautet das Motto und was im ersten Moment nach Freizeitpark und schlecht animiertem 3D-Kino klingt, entpuppt sich als wahres Spektakel.

Die Reise beginnt

© TimeRide GmbH

Direkt am Eingang steht das Kassenhäusschen, an dem die Fahrscheine für die historische Bahnfahrt ausgegeben werden. Ein älterer Herr mit typisch rheinländisch gezwirbeltem Schnurbart und einer altertümlichen Uniform zeigt auf ein Schild und liest vor: „Willkommen auf Ihrer Reise ins Cöln der Kaiserzeit.“ Doch bevor die Fahrt durch das Kölle von vor 120 Jahren beginnt und der detailverliebte Nachbau einer damaligen Straßenbahn sich „in Bewegung setzt“, begibt sich eine 10-köpfige Besuchergruppe zur ersten Station der Zeitreise: die stereoskopische Fotoausstellung. In dem Raum befinden sich Fernglasattrappen an der Wand, die einem in 3D-Optik die bekanntesten Sehenswürdigkeiten und Plätze der Stadt zeigen und zwar in doppelter Ausführung: heute und im Jahr 1900. Anschließend gelangen die Besucher in das Kinema. Ein Film im Zeitraffermodus erzählt die Geschichte Kölns von der Römerzeit bis heute. Den Machern ist es gelungen den Effekt eines direkten Vergleichs zu erzielen, sowohl im Film, als auch bei den Bildern im ersten Raum. Gepaart mit Informationen der Time-Ride-Mitarbeiter entsteht ein umfassendes Bild der Stadt Köln. Unterhaltsam und informativ aufbereitet entsteht eine Art Geschichtsunterricht ohne Schulcharakter. Es fühlt sich eher an, wie eine Mischung aus einer Stadtführung, dem Besuch in einem Freizeitpark und einem Kinobesuch, bei dem der Regisseur sämtliche Aufnahmen kommentieren und Hintergründe erläutern würde.

© TimeRide GmbH

Bitte einsteigen!

Doch das Highlight des Time-Rides ist die dritte und letzte Station: Platz nehmen in der historischen Straßenbahn, Virtual-Reality-Brille aufsetzen und eintauchen in das Cöln zur Kaiserzeit. Die Brille ist, entgegen ihres optischen Erscheinungsbildes, überhaupt nicht schwer oder unangenehm zu tragen und funktioniert unerwartet fehlerlos. Kein Ruckeln oder kurze Aussetzer obwohl der Kopf die ganze Zeit in Bewegung ist, um auch wirklich jeder Person hinterher zu schauen und jeden Winkel der Kaiserzeit zu entdecken. Vorne, hinten, unten, oben: mit der VR-Brille ist wirklich jede Sichtweise möglich und der Nebenmann wird zur Figur der Geschichte. Das Eintauchen in eine fremde, längst vergangene Zeit ist beeindruckend und fordernd zugleich. Haltestellenansagen, Vibrationen der Bahn und simulierter Fahrtwind verstärken die Fahrt zusätzlich. Währenddessen immer wieder Informationen oder einfach flotte, kölsche Sprüche vom Bahnfahrer, der es sich nicht nehmen lässt alles und jeden zu kommentieren. Vom Alter Markt zum Rhein und natürlich zum Dom geht die Reise vorbei an detailgetreuen digitalen Menschen aus dem Jahr 1900.

© TimeRide GmbH

Unglaubliche 600 Häuser der Kölner Altstadt wurden nur anhand geschichtlicher Quellen rekonstruiert und 3.000 animierte Figuren stellen das Leben damals dar. Wer sich jetzt denkt: Spoileralarm! Dem sei gesagt, dass alle noch so haargenauen Beschreibungen dieses Erlebnis nicht ansatzweise ersetzen können. Nach ca. 10 bis 15 Minuten ist die Zeitreise mit der Brille allerdings leider schon vorbei, was getrost als Kritikpunkt gesehen werden darf. Jeder Raum wusste an sich zu überzeugen und die Narrativität fügt sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Dennoch hätten ein paar Minuten Bahnfahrt mehr nicht geschadet und das aus dem einfachen Grund, dass es solchen Spaß gemacht hat.

Zurück in der Realität

Am Ausgang herrscht schließlich ein ordentliches Gedrängel. Die nächste Besuchergruppe wird gerade mit „Willkommen auf Ihrer Reise ins Cöln der Kaiserzeit“ begrüßt. Nicht verwunderlich, dass Time Ride solch einen Zuspruch erfährt. Nur zufriedene und lächelnde Gesichter strömen aus dem unspektakulär aussehendem Gebäude am Kölner Alter Markt raus auf das holprige Kopfsteinpflaster, um nun in einem der vielen Restaurants oder Bistrots zu verschwinden. Nach einer wirklich tollen, modernen und innovativen Attraktion, um die Köln nun reicher ist.

Tickets gibt’s ab 10 Euro.