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Uns Sproch es Heimat

Die Rheinländer: Wie der Name schon sagt, bezeichnet dieser Begriff die rund um den Fluss Rhein lebenden Menschen im Westen der Bundesrepublik.  So groß die Region des Rheinlandes geografisch ist, umso kleinteiliger und vielfältiger sind die einzelnen Gebiete und Gemeinden aus denen sie sich zusammensetzt. So gehört die freie Kreisstadt Köln, als bevölkerungsreichste Stadt NRWs, ebenfalls zur Region des Rheinlands.

Die Kölner: Dieser Begriff bezeichnet wiederum die in der Stadt Köln lebenden Menschen. Und die sind von einem ganz besonderen Schlag.  „Se kalle Kölsch, wie ihnen dat Mul gewaase es“ (sie sprechen Kölsch, wie ihnen der Mund gewachsen ist), „se fiere Karneval“ (sie feiern Karneval) „un se drinke lecker Kölsch“ (und sie trinken leckeres Kölsch). Kölsch – das ist nicht nur ein bekanntes Bier der Region, nein. Kölsch ist eine Sprache, ein Denken, ein Gefühl von Heimat.

karnevalistisches Graffitie

„Uns Sproch es Heimat“

„Sprache ist ein Spiegel der eigenen Mentalität und der Art und Weise, wie man sich gerne ausdrückt“, sagt Priska Höflich vom Institut för uns Kölsche Sproch im Mediapark in Köln. Dass es überhaupt ein Institut gibt, in dem Kölsch-Seminare angeboten und Kölsch-Examina abgelegt werden können, legt folgende Vermutungen nahe: Es ist den Domstädtern wichtig ihre Sprache zu erhalten und weiter zu vermitteln. Aus einem Dialekt wird eine Sprache, aus der Sprache ein Lebensgefühl, eine Tradition, ja, „uns Sproch es irgendwie Heimat“ – wie das Motto der vergangenen Karnevalssaison es so treffend formulierte.

Doch wie kam es dazu?

„Köln war 800 Jahre lang eine freie Reichsstadt mit eigener Stadtmauer, eigenem Markt und florierendem Handel, sodass sich zu dieser Zeit in der Tat eine richtige, eigene Sprache entwickeln konnte“

Der Fluss macht’s: durch die Lage direkt am Rheinufer konnte Köln Handel treiben. Und wer viel handeln will, der muss eben mit möglichst vielen Menschen gut auskommen. Hierfür ist die Sprache der Schlüssel. Wer sich verständigen kann, kann miteinander leben, arbeiten und handeln. „Die Rheinländer haben in ihre Sprache viel von den Leuten aufgenommen, die mit ihnen eng zusammen gewohnt oder gearbeitet haben“, bestätigt Frau Höflich. Was lässt sich also erkennen im Spiegel der Kölschen Sprache? Vermutlich vor allem eines: Vielfalt. In 2000 Jahren Stadtgeschichte ist Köln geprägt vom Zuzug und Wegzug der Menschen. Von Handel und Schifffahrt, von Römern, Juden und Franzosen – von Offenheit und Toleranz.

Kölscher Dialog zum lernen für Kinder

Köln war schon immer bunt

„Beispielsweise ist im Römisch-Germanischen Museum syrisches Glas ausgestellt. Vor über 2000 Jahren haben Syrer also bereits Glas nach Köln gebracht. Wer glaubt, Zuzug anderer Kulturen sei ein neues Phänomen im Rheinland, der irrt“, betont Priska Höflich im Gespräch. Auch Gabriele Dafft vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte schreibt der Kölschen Mentalität insbesondere drei Wesenszüge zu: „Gemeinschaftssinn, Toleranz und Offenheit – und eben nicht dieses Abschottende, was wir aus anderen Regionen kennen“. Als Beispiel hierfür gibt sie an, man müsse nur nach Bayern schauen. Ein bekannter bayrischer Wahlspruch lautet demnach „Mia san Mia“, was so viel bedeutet wie „wir sind wir“. Ein sehr identitätsstiftender Ausspruch. In Köln hingegen heißt es oft „drink doch ene met“, übersetzt: „trink doch einen mit“, aus einem bekannten Kölschen Song der Gruppe Bläck Fööss. Wo die einen sich also nach außen hin abgrenzen, laden die anderen Außenstehende ein, sich dazu zu gesellen. Mit Sprache kann man sich also sowohl von anderen abheben, als auch andere in eine Sache mit einschließen – oder eben ausschließen. Verändert die Art wie wir Sprechen und uns ausdrücken unser Denken, oder unsere Einstellung zum Leben?

Kölsches Garagentor

Nix bliev et wor

„Nix bliev wie et wor“ oder„Jede Jeck es anders“ – diese Paragraphen aus dem so genannten kölschen Grundgesetz, schildern die Offenheit des kölschen Charakters schon ganz gut“, so Höflich. Eine Laissez-faire Attitude, die den Kölnern sehr oft nachgesagt wird. Laissez-faire: ist das nicht eigentlich französisch? Korrekt! Innerhalb der 14-jährigen Besatzung unter Napoleon und später während des zweiten Weltkrieges haben auch die Franzosen dem Rheinland ihren Stempel aufgedrückt.

Mach mir keine fiesen Matenten!

So gibt es heute immer noch lustige, verfälschte Aussprüche die auf diese Zeit zurück zu führen sind. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Spruch „Mach mir keine fiese Matenten!“, den Eltern ihren Kindern – und vor allem Väter ihren Töchtern – in und um Köln gerne mit auf den Weg geben. Dieser rührt aus der Zeit der französischen Besatzungszone während des zweiten Weltkrieges, in der französische Soldaten um netten Damenbesuch bemüht waren und die Kölner Junggesellinnen mit dem Satz „Visite ma tente“, was so viel bedeutet wie „besuch mein Zelt“ in ihre Zelte einzuladen versuchten. Natürlich ganz zum Leidwesen ihrer Väter, die des Französischen oft nicht mächtig waren, und ganz in Kölscher, praktischer Manier den Satz ins Kölsche übertrugen und zur Mahnung aussprachen: „Mach mir keine fiese Matenten!“. „So wie die rheinische Frohnatur ist, so drückt sie sich auch aus und tatsächlich kann man viele emotionale Äußerungen sehr schön auf Kölsch ausdrücken“, erklärt Priska Höflich. Man denke nur an den oft in Kölschen Liedern auftauchenden Satz „Du bis ming Hätz“, was so viel bedeutet wie „Du bist mein Herz“, oder aber den zuversichtlichen Spruch „Es hätt noch immer jot jejange“, zu deutsch „Es ist noch immer gut gegangen“ aus dem Kölschen Grundgesetz. Unkompliziert, wenig schnörkelig, direkt, einfach und doch so einprägsam herzlich. Nicht umsonst sind aus vielen Kölschen Liedern und Sprüchen regelrechte Hymnen und Parolen geworden die, gerne in passenden Momenten hervor gekramt werden.

„In kölschen, sprichwörtlichen Redensarten verdichtet sich Mentalität“

So sieht es auch Gabriele Dafft vom LVR-Insitut: „Man beobachtet in Köln also auch in der Tat, dass die Redewendungen, die unter anderem aus dem Kölschen Grundgesetz stammen, angewendet werden und sozusagen aus der Schublade geholt werden wo immer sie passen.“ Für sie ist klar: „Durch das Sprechen der Kölschen Sprache und der breiten Verwendung des Dialekts in der Region, lässt sich eben auch ableiten, dass sich viele gerne die kölschen Tugenden zu eigen machen wollen.“ Tugenden, Eigenschaften – sie werden über Sprache transportiert. Sprache ist der Schlüssel zum Denken, zur Mentalität und „in kölschen, sprichwörtlichen Redensarten verdichtet sich Mentalität“, so Dafft.

Kölsches Grundgesetz

In Vielfalt geeint

Uns Sproch es Heimat – genau so lebendig wie Sprache ist, ist auch der Begriff der Heimat ein wandelbarer, denn: „Nix bliev wie et wor“! Das ist auch gut so, denn dies ist die Tradition des Rheinlands, die Tradition der Domstadt: der Wandel. Und so trifft auf Köln und Kölsche Sprache das Motto der Europäischen Union ganz gut zu, denn die Region, die Menschen und ihre Sprache sind geeint in Vielfalt.