Köln bietet vielen Szenen ein Zuhause, so auch der Comic-Szene. Doch nicht etwa in Form von großen Ketten wie „Elbenwald“, „GameStop“ oder „ZiNG“, die sich auf den Verkauf von Merchandise spezialisiert haben. Viel mehr zieht es die eingefleischten Fans in die kleinen Comic-Läden, von denen es jedoch mittlerweile nicht mehr viele gibt. Einst waren es zehn, heute sind es nur noch drei. Ich habe den „Fantastic Store“, den „PIN-UP Comics & mehr“ und den „Alias Comics“ besucht, um mehr über die letzten Comicstores Kölns herauszufinden.
Meine Comicstore-Tour führt mich als erstes zum Chlodwigplatz. Direkt an der Bonner Straße sitzt der „Fantastic Store“, der zum Comic-Museum „Cöln Comic House“ gehört. Dank der roten Buchstaben im Fenster ist er kaum zu übersehen. Ich betrete das geräumige Ladenlokal, das optisch direkt mit seiner aufwändigen Aufmachung punktet. Überall sind Merchandise-Artikel und Comicbücher ansprechend drapiert. Hinter der Kasse steht Sebastian, mein Interviewpartner. Seine eisblauen Augen mustern mich aufmerksam unter der kakifarbenen Cap.
„Es gibt Tage, da macht es Spaß, und dann hast du Tage, da ist es ziemlich anstrengend.“
Sebastian ist Mitte dreißig und arbeitet seit ein paar Jahren als Teilzeitkraft im „Fantastic Store“. Doch auch wenn er in seiner Freizeit durchaus gern Comics liest, so ist seine Arbeit für ihn lediglich ein Mittel zum Zweck, um seine Miete bezahlen zu können. „Es ist ein Job wie jeder andere auch“, sagt er. „Es gibt Tage, da macht es Spaß, und dann hast du Tage, da ist es ziemlich anstrengend.“ Ob es ein guter oder ein schlechter Tag wird, hängt seiner Meinung nach von den Kunden ab. Dem Einzelhandel geht es im Allgemeinen schlecht, doch angeblich ist das Comic-Business sogar noch stärker von den negativen Auswirkungen der Digitalisierung betroffen. Er und sein Chef Rüdiger sind einer Meinung: Die Printmedien sterben aus. Grund dafür seien der verstärkte Online-Handel und Ebooks. „Die Leute sind nicht mehr dazu bereit, Geld zu bezahlen“, sagt Sebastian. Seine Aussage deckt sich mit den Zahlen: Einst gab es zehn Comic-Stores in Köln, heute sind es nur noch drei. In Düsseldorf sieht es ähnlich aus: Dort ist die Anzahl sogar von zehn auf eins geschrumpft. Auch der Hype um die Marvel-Filme fördert den Verkauf der Comicbücher nicht ausreichend, um die Branche zu retten, erzählt Sebastian: „Große Filme wie `Avengers: Endgame´ pushen schon ein wenig, die anderen Filme eher weniger.“ Er sieht schwarz für die Zukunft der Comicläden und glaubt, dass sie irgendwann von der Bildfläche verschwinden werden.
Mein nächster Stopp führt mich zum Hansaring, wo in der Ritterstraße der „PIN-UP Comics & mehr“ sitzt. Große, blaue Lettern prangen über dem Geschäft und weisen mir den Weg in das Ladeninnere, das dem „Fantastic Store“ in nichts nachsteht. Hier treffe ich den Verkäufer Armin. Er steht in einer ruhigen Ecke des geräumigen Ladens und rückt nervös seine Brille zurecht.
„Wir können das kompensieren, weil wir so breit aufgestellt sind.“
Armin arbeitet seit fast zwanzig Jahren im „PIN-UP Comics & mehr“, der Laden selbst existiert bereits seit fünfunddreißig Jahren. Er ist der älteste Comicstore in Köln und hält sich weiterhin wacker. Von deutschen und amerikanischen Comics, über Manga und Merchandise, bis zu Schallplatten kann man hier alles kaufen, was das Herz begehrt. Der Schwerpunkt liegt dabei zwar immer noch auf den Comics, aber nicht ausschließlich, was die Kunden offenbar zu schätzen wissen. Denn der „PIN-UP Comics & mehr“ bekommt angeblich gar nicht so viel von der schlechten Allgemeinsituation der Einzelhandelsbranche mit – ganz im Gegensatz zum „Fantastic Store“. „Wir können das kompensieren, weil wir so breit aufgestellt sind“, antwortet er mir, als ich nachhake. „Klar merkt man auch die Internetsituation, das ist natürlich auch für uns ein Problem, aber damit können wir leben.“ Armins Angaben nach zu urteilen lebt der Laden hauptsächlich von seiner Stammkundschaft, die regelmäßig vorbeikommt, um Neuheiten abzugreifen. Abonnements und Laufkundschaft haben hingegen nicht so viel Einfluss auf das Tagesgeschäft. Wie die Zukunft der Comicstores aussieht, kann er jedoch trotzdem nicht beurteilen. „Man weiß nicht, wie die Zukunft aussieht. Es kann natürlich auch irgendwann einmal uns treffen, aber momentan – klopf auf Holz – hat es uns noch nicht so getroffen.“
Die letzte Station meiner Comicstore-Tour durch Köln führt mich ins Agnesviertel, direkt zur Schillingstraße, wo sich der „Alias Comics“ versteckt. Im Gegensatz zu den anderen beiden Comicstores handelt es sich hierbei um ein kleines Ladenlokal, an dem ich sogar fast vorbeilaufe, weil es von außen so unscheinbar wirkt. Im Schaufenster befinden sich nur Actionfiguren und keine Comicbücher. Der Name „Starzone“ springt mir ins Auge, daneben steht „Alias Comics“ in winzigen, weißen Buchstaben. Unschlüssig betrete ich das Geschäft und erfahre schnell, dass sich zwei Läden in demselben Gebäuden befinden: Rechts ist „Starzone“ – ein Einzelhandel für Liebhaber von Sammelkarten, Star Wars Sammlungen und Ähnliches – und links der „Alias Comics“, dessen Inhaber Micha mich auch sogleich in Empfang nimmt. Er trägt ein Jackett und dazu einen Batman-Gürtel, was mich zum Schmunzeln bringt.
„Es wird wieder mehr.“
Micha war zwanzig Jahre Kunde beim „Alias Comics“, ehe er die Stelle seines Vorgängers antrat– mittlerweile hat er den Laden übernommen und führt ihn allein. Er ist verheiratet und hat eine zweijährige Tochter, doch das hat ihn Anfang des Jahres nicht davon abgehalten, sich den „Alias Comics“ zu eigen zu machen. Er bereut seine Entscheidung nicht, auch wenn das Geschäft nicht immer einfach ist. „So eine Welle hat’s gegeben, aber ich finde es momentan eher gegenteilig wieder ansteigend“, bezieht er zu der aktuellen Lage der Comicbranche Stellung. „Also ich habe mehrere Kunden, die in den letzten ein bis zwei Jahren hinzugekommen sind, die richtig, richtig große Mengen Comics kaufen. Und ich habe einige Kunden, die zwar nur ein bis zwei Hefte nehmen, aber davon habe ich sehr, sehr viele. Es wird wieder mehr.“ Für ihn ist es wichtig, sich Zeit für die Kunden zu nehmen, denn der Großteil der Kunden des „Alias Comics“ wollen nicht nur mal eben schnell ein Comicbuch kaufen – nein, sie wollen sich wohlfühlen, über die Materie unterhalten und auch unterhalten werden. So geht es nicht einfach nur darum, Comics in die Regale zu stellen und auf Kundschaft zu warten. „Vom Katalog allein kommt nicht so viel Wachstum dazu, da muss man die Kunden schon gezielt ansprechen.“ Das ist Michas Geheimnis, wie er den von der Konkurrenz durchaus unterschätzten „Alias Comics“ über Wasser hält.
Drei Comicstores, drei unterschiedliche Geschichten. Wie die Zukunft der Branche aussieht, bleibt weiterhin ungewiss. Feststeht jedoch, dass die letzten drei Comicläden Kölns nach wie vor als charmante Szenetreffs fungieren– ein kleines Stück Populärkultur.
Alle Fotos: Melina Coniglio