Hinter jedem Garten steckt eine Geschichte

„Hallo, ich würde gerne Ihren Garten anschauen!“

Klingt zunächst schon etwas komisch, wenn man dies an der Haustür zu einer wildfremden Person sagt, oder? Aber  am Aktionstag „Offene Gartenpforte Rheinland“ ist es selbstverständlich. Denn an diesen Tagen öffnen private Gartenbesitzer zu bestimmten Uhrzeiten ihre Pforten für neugierige Besucher.

Warum ich mir als Studentin die Gärten von verschiedenen Privatpersonen anschaue? Na ja, um vielleicht doch den ein oder anderen Tipp zu bekommen, wie die nächste Zimmerpflanze mal nicht ganz so schnell eingeht oder aber, um auch die ein oder andere interessante Insider-Geschichte von einheimischen Kölnern zu erfahren.

Die erste Gartenpforte

Gestartet habe ich bei Herrn Turck in Köln-Nippes. Leicht nervös stehe ich vor seiner Haustür, neben der links ein Bambus hochragt. Doch als mir Herr Turck nach ein paar Sekunden die Tür öffnet und mich freundlich herein bittet, verfliegt dieses Gefühl sehr schnell. Obwohl ich etwas zu früh bin und seine offizielle Besuchszeit erst in 20 Minuten beginnt, führt er mich durch sein Wohnzimmer und direkt in seinen kleinen Reihenhausgarten. Der ist wirklich sehr schick, geordnet und es duftet stark nach Blumen. Auf der linken Seite seines Gartens befindet sich ein kleines weiß angestrichenes Gartenhäuschen, das von Rosen umringt ist. Rechts davon sind einige Sträucher, Blumen und Topfpflanzen. Mittig liegt ein kleiner Teich mit schwarzen Molchen, die auch Schatten unter den nebendran angelegten großblättrigen Pflanzen finden können. Allerdings, so schildert Herr Turck, sei sein Garten nicht immer so ordentlich gewesen. Früher war er sehr verwildert. Daraus ist jetzt aber ein hübscher Ziergarten entstanden und er ist sowieso in erster Linie an dem Gestalten seines Gartens interessiert. Bereits im Frühjahr gibt es ihm regelrecht das Gefühl, dass er „jetzt etwas im Garten machen müsse“. Für ihn ist es Gartenkunst und zugleich Entspannung, Meditation und Ausgleich vom Alltag, aber in seinem Ziergarten sitzen, das macht er dafür eher selten. Da sich der Hang seines Gartens außerdem an einer Bahnlinie befindet, an der minütlich Züge vorbeifahren, ist es auch einleuchtend, warum. Wenn, dann sitzt er in seinem zweiten Garten, seinem Nutz-und Schrebergarten, der nur fünf Minuten von seinem Haus entfernt ist. Dort baut er auch unter anderem Salat, Rote Beete oder Zwiebeln an und ernährt sich viel davon.

Ein Garten in Gefahr

Verärgert erläutert Herr Turck die aktuellen Pläne der Stadt. Der Sportpark im nördlichen Inneren Grüngürtel soll für 260.000 Euro ausgeweitet werden, weil die Nutzung der kostenlosen Fitness-Geräte zu jeder Tageszeit sehr beliebt sei und intensiv genutzt werden würden. Dies hätte zur Folge, dass sein Schrebergarten und mehr als 300 andere diesem weichen müssten. Dadurch würde die Grüngürtellandschaft auf einer Fläche von 2.500 qm versiegelt werden, die eigentlich unter Denkmalschutz stehe und, wie es einst der Erschaffer des Grüngürtels Konrad Adenauer, sagen würde, „zu einer Steinwüste, endlosem Häusermeer ohne Licht und ohne Grün“, degenerieren würde. Ihre Entscheidung begründet die Stadt damit, dass ein hoher Bedarf an Trainingsmöglichkeiten im Freien bestehe und dass hierbei das öffentliche Interesse überwiege. Nach Herrn Turck allerdings, der übrigens im Arbeitskreis Denkmalschutz der Bürgerinitiative „Grüne Lunge Köln“ ist und mit der deutschen Umwelthilfe zusammen Messungen der Luftverschmutzung durchgeführt hat, wäre es alles andere als gesund, genau dort Sport zu treiben. Denn die geplanten Fitness-Geräte würden dann nur 50 Meter von der Inneren Kanalstraße entfernt stehen, wo die Luftverschmutzung sehr hoch sei. Aber nun zurück zur „Offenen Gartenpforte Rheinland“, denn mit seiner bereits schon zweiten Teilnahme schätzt Herr Turck den Austausch mit anderen Gartenbesitzern. Er sieht es als eine Ideensammlung, was man aus Gärten oder Vorgärten machen könnte. Davon seien nämlich einige immer noch aus Stein, weil eine Bepflanzung vielen Gartenbesitzern zu aufwendig wäre. Der Austausch unter den Teilnehmern ist seiner Ansicht nach „ ein Kulturwert“ und sollte erhalten bleiben.

Warum hat man in Köln überhaupt einen eigenen Garten?

Zuhause die Tür aufzumachen und im Grünen zu sein, das gefällt Frau Klever an ihrem weitläufigen Garten in Merkenich. Auch wenn es manchmal nur 5 oder 10 Minuten sind, in denen sie in den Garten geht, für sie ist es toll, einfach die Tür aufzumachen und im Garten zu sein. Und auch an warmen Sommertagen bietet der Schatten ihrer Bäume ein bequemes Plätzchen zum Sitzen. Dort sitzt sie lieber, als in irgendeinem Park. Allerdings hasst sie es darin zu arbeiten, obwohl bei ihr schon seit 20 Jahren alles „geordnet wächst“. So investiert sie ca. 15 Stunden wöchentlich in Gartenarbeit, aber es macht ihr eigentlich keinen Spaß „auf dem Boden rumzurobben und kiloweise Blumenerde zu schleppen.“ Einen Vorteil gibt es aber für sie: man befindet sich an der frischen Luft und bewegt sich. Neben ihren großen Bäumen hat sie gleich zwei Teiche in ihrem Garten, die voll mit Seerosen sind. Daneben hat sie meist Büsche gepflanzt und kleine Figuren gesetzt.

Und man kann es sich auf einer Bank neben einem ihrer Teiche bequem machen. Mittig in ihrem Garten steht ein roter Zuckerhut, der ein besonderer Hingucker ist. Während sie mich durch ihren Garten führt, erwähnt sie, dass sie früher auch Salat angebaut hat, aber sich dies mit der Zeit nicht mehr so rentiert hat. Bei der „Offenen Gartenpforte Rheinland“ macht sie mit, weil sie gerne Tipps mit anderen Gartenbesitzern austauscht. Zudem beobachtet sie, dass „Urban Gardening“ mit der Zeit stark zugenommen hat.

Aus einem Bombentreffer im Krieg einen Garten errichten

Das war bei Herrn Limburg in Köln-Nippes der Fall. Nachbarn hätten damals einfach die Kölsche Lösung eines „Mont Klamott“ vorgezogen und die Trümmer mit Erde aufgeschüttet. Dazu habe ihm seine Vormieterin zahlreiche Geschichten erzählt und so führt Herr Limburg den Garten fort, aber passt ihn auch seinen Vorstellungen an. Einige Ziegelsteine aus der Zeit befinden sich sogar immer noch in seinem Garten und Herr Limburg verwendet sie an den unterschiedlichsten Stellen, zum Beispiel um damit kleine Treppchen zu bauen. Auch einen Mörsertreffer aus der Kriegszeit, der an einer Stelle seiner Hauswand Spuren hinterlassen hat, hat er nicht ausbessern lassen. Sein Schattengarten ist zum Hinterhof gelegen und für ihn ist es ein Privileg, dadurch einen kleinen Beitrag für Luft und Umwelt zu leisten. Gerne arbeitet er in seinem Garten, sieht es als einen Ausgleich zu Stress und zum Alltag und als ein Kunstwerk – man fängt an und macht immer weiter. Um zum hinteren Teil seines Gartens zu kommen, muss man über ein paar Bretter gehen. Dort hat Herr Limburg viele Farne und Nadelhölzer gepflanzt, die ihn an einen Wald erinnern, in dem er früher als Kind gespielt hat.

Und nach Wald riecht es auch wirklich. Teilweise sind seine Farne auch so hoch, dass man sie erst etwas zur Seite schieben muss, um seinen Garten auf dem richtigen Weg erkunden zu können. Mit seiner Teilnahme an der „Offenen Gartenpforte Rheinland“ möchte Herr Limburg die Bewohner seines Viertels, aber auch aus ganz NRW dazu anregen, ihre Hinterhöfe von Steinen und Asphalt zu befreien und grün zu bepflanzen. Nippes gehe hier als sehr grünes Viertel mit gutem Beispiel voran.

Die Anfänge

Die „Offene Gartenpforte Rheinland“ ist nicht gerade ein Trend oder etwas Neues, sondern reicht bis ins Jahr 1927 zurück. Die Idee stammt aus England, „attraktive Privatgärten an besonderen Tagen für Besucher zu öffnen und die eingenommenen Eintrittsgelder einem Hilfsfonds für die Krankenpflege zukommen zu lassen“. Seit 2002 gibt es auch die „Offene Gartenpforte Rheinland“. Es ist eine jährlich wiederkehrende Veranstaltungsreihe mit insgesamt vier Wochenenden in einem Jahr. Inzwischen nehmen daran fast 300 Gartenbesitzer teil und der Eintritt ist kostenlos. Die Veranstaltung eignet sich, um nicht nur Anregungen für seinen eigenen Garten zu bekommen oder sich darüber auszutauschen, sondern auch um kleine Geschichten und aktuelle Debatten in und um Köln aus nächster Nähe zu erfahren. Und vielleicht findet der ein oder andere ja dabei sogar heraus, ob er ein Gartentyp ist oder nicht. Ich meinerseits habe dadurch meine optimale Zimmerpflanze gefunden.

Text: Lena Lachnit

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