Der Boden besteht, wie nur noch an wenigen Stellen der Stadt, aus holprigem Kopfsteinpflaster. Die Häuser sind, wie nur noch wenige in Köln, alt aber dennoch farbenfroh erhalten. Der Alter Markt ist ein zentraler Platz in der Altstadt nicht unweit vom Rhein. Restaurants reihen sich dicht aneinander. Mitten auf diesem altertümlichen Platz: ein unscheinbarer Eingang mit der Aufschrift „Time Ride“. Auch, weil das Haus eines der wenigen nicht sonderlich hübsch anzusehenden ist, fällt vielen Menschen auf dem Alter Markt wohl nicht auf, dass sie vor Kölns neuester und hochmodernen Attraktion stehen. Das Virtual-Reality-Projekt entführt die Besucher auf eine Zeitreise in das Köln des Jahres 1900. „Mitten im damals“ lautet das Motto und was im ersten Moment nach Freizeitpark und schlecht animiertem 3D-Kino klingt, entpuppt sich als wahres Spektakel.
Die Reise beginnt
Direkt am Eingang steht das Kassenhäusschen, an dem die Fahrscheine für die historische Bahnfahrt ausgegeben werden. Ein älterer Herr mit typisch rheinländisch gezwirbeltem Schnurbart und einer altertümlichen Uniform zeigt auf ein Schild und liest vor: „Willkommen auf Ihrer Reise ins Cöln der Kaiserzeit.“ Doch bevor die Fahrt durch das Kölle von vor 120 Jahren beginnt und der detailverliebte Nachbau einer damaligen Straßenbahn sich „in Bewegung setzt“, begibt sich eine 10-köpfige Besuchergruppe zur ersten Station der Zeitreise: die stereoskopische Fotoausstellung. In dem Raum befinden sich Fernglasattrappen an der Wand, die einem in 3D-Optik die bekanntesten Sehenswürdigkeiten und Plätze der Stadt zeigen und zwar in doppelter Ausführung: heute und im Jahr 1900. Anschließend gelangen die Besucher in das Kinema. Ein Film im Zeitraffermodus erzählt die Geschichte Kölns von der Römerzeit bis heute. Den Machern ist es gelungen den Effekt eines direkten Vergleichs zu erzielen, sowohl im Film, als auch bei den Bildern im ersten Raum. Gepaart mit Informationen der Time-Ride-Mitarbeiter entsteht ein umfassendes Bild der Stadt Köln. Unterhaltsam und informativ aufbereitet entsteht eine Art Geschichtsunterricht ohne Schulcharakter. Es fühlt sich eher an, wie eine Mischung aus einer Stadtführung, dem Besuch in einem Freizeitpark und einem Kinobesuch, bei dem der Regisseur sämtliche Aufnahmen kommentieren und Hintergründe erläutern würde.
Bitte einsteigen!
Doch das Highlight des Time-Rides ist die dritte und letzte Station: Platz nehmen in der historischen Straßenbahn, Virtual-Reality-Brille aufsetzen und eintauchen in das Cöln zur Kaiserzeit. Die Brille ist, entgegen ihres optischen Erscheinungsbildes, überhaupt nicht schwer oder unangenehm zu tragen und funktioniert unerwartet fehlerlos. Kein Ruckeln oder kurze Aussetzer obwohl der Kopf die ganze Zeit in Bewegung ist, um auch wirklich jeder Person hinterher zu schauen und jeden Winkel der Kaiserzeit zu entdecken. Vorne, hinten, unten, oben: mit der VR-Brille ist wirklich jede Sichtweise möglich und der Nebenmann wird zur Figur der Geschichte. Das Eintauchen in eine fremde, längst vergangene Zeit ist beeindruckend und fordernd zugleich. Haltestellenansagen, Vibrationen der Bahn und simulierter Fahrtwind verstärken die Fahrt zusätzlich. Währenddessen immer wieder Informationen oder einfach flotte, kölsche Sprüche vom Bahnfahrer, der es sich nicht nehmen lässt alles und jeden zu kommentieren. Vom Alter Markt zum Rhein und natürlich zum Dom geht die Reise vorbei an detailgetreuen digitalen Menschen aus dem Jahr 1900.
Unglaubliche 600 Häuser der Kölner Altstadt wurden nur anhand geschichtlicher Quellen rekonstruiert und 3.000 animierte Figuren stellen das Leben damals dar. Wer sich jetzt denkt: Spoileralarm! Dem sei gesagt, dass alle noch so haargenauen Beschreibungen dieses Erlebnis nicht ansatzweise ersetzen können. Nach ca. 10 bis 15 Minuten ist die Zeitreise mit der Brille allerdings leider schon vorbei, was getrost als Kritikpunkt gesehen werden darf. Jeder Raum wusste an sich zu überzeugen und die Narrativität fügt sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Dennoch hätten ein paar Minuten Bahnfahrt mehr nicht geschadet und das aus dem einfachen Grund, dass es solchen Spaß gemacht hat.
Zurück in der Realität
Am Ausgang herrscht schließlich ein ordentliches Gedrängel. Die nächste Besuchergruppe wird gerade mit „Willkommen auf Ihrer Reise ins Cöln der Kaiserzeit“ begrüßt. Nicht verwunderlich, dass Time Ride solch einen Zuspruch erfährt. Nur zufriedene und lächelnde Gesichter strömen aus dem unspektakulär aussehendem Gebäude am Kölner Alter Markt raus auf das holprige Kopfsteinpflaster, um nun in einem der vielen Restaurants oder Bistrots zu verschwinden. Nach einer wirklich tollen, modernen und innovativen Attraktion, um die Köln nun reicher ist.
Tickets gibt’s ab 10 Euro.