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Kölsche Vita – Das Leben in der Rheinmetropole

Kölns Geschichte ist fast 2000 Jahre alt. Damals ernannte der römische Kaiser Claudius das heutige Köln zur Stadt unter dem Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Das älteste Relikt aus dieser Zeit ist zugleich das bekannteste Wahrzeichen der Stadt: der Kölner Dom. Seit über 1200 Jahren steht die gotische Kirche fast unverändert im linksrheinischen Herzen von Köln, während die Stadt drum herum stetig wächst und sich verändert.

Die Veedelskultur gehört mittlerweile genauso zu Köln, wie der Dom, das Kölsch oder der Karneval.  Als „Veedel“ bezeichnet der Kölner liebevoll den Stadtteil, in dem er zu Hause ist. In Köln gibt es insgesamt 86 Veedel und daneben noch einige inoffizielle Veedel, die nicht amtlich erfasst sind. Dazu zählen urkölsche Veedel, wie der Eigelstein, das Studententviertel „Kwartier Latäng“ oder auch das „Belgische Viertel“ in der Neustadt-Nord. Und was macht ein Veedel nun zu einem Veedel? Hier findet der Kölner im Allgemeinen alles, was er zum Leben braucht: die Stammkneipe an der Ecke, das Büdchen, einen größeren Platz zum Plaudern, den Supermarkt, den Bäcker und das Café. Im Veedel spielt sich das Leben ab und dementsprechend fühlt sich der Kölner seinem Stadtteil ganz besonders verbunden. Und trotz der Allgemeingültigkeit dieser Formel für alle Veedel, hat doch jeder Bezirk seine eigenen Besonderheiten zu bieten.

Kölsche Veedel – Für jeden Geschmack was dabei

Die Altstadt zum Fuße des Doms ist bekannt für ihre Fülle an historischen Schauplätzen, wie dem Heinzelmännchen-Brunnen, dem alten Rathaus oder dem Hänneschen-Theater am Eisenmarkt. Das Motto des Puppenspiels bietet ein Gefühl für die Tradition: „Bei uns im Hänneschen Theater lävt et Hätz vun Kölle sik 1802.“ Man kann darüber hinaus durch die Gassen der Altstadt schlendern, die Brauhäuser auf dem Alter Markt besuchen oder an der Rheinpromenade die Sonne genießen. Die traditionsreiche Geschichte der Altstadt spiegelt sich auch in den Anwohnern wider. Wer sich im Brauhaus Zims umsieht, trifft dort auf zahlreiche Männerstammtische, die sich dort auf ein Feierabendkölsch treffen. Opa Jupp  ist die Verkörperung des typischen Altstadtbewohners.

Graffiti Kunst in Ehrenfeld
Buntes Wandgraffiti auf dem Heliosgelände in Ehrenfeld

Absolutes Kontrastprogramm dazu bietet Ehrenfeld. Das hippe und multikulturelle Veedel ist gezeichnet von Streetart, Technoclubs und orientalischen Fressbuden. Ein Handy- und Klamottenladen reiht sich an den nächsten, aber auch originelle Trends wie Unverpackt-Läden oder „Zahl was es dir wert ist“-Supermärkte finden hier einen Platz. Auf dem Heliosgelände, einem ehemaligen Industriegrundstück, finden regelmäßig Veranstaltungen und Festivals rund um Musik, Lifestyle oder Streetfood statt. Der typische Ehrenfelder wohnt in einer Fünfer-WG, hat vielleicht einen Migrationshintergrund und jobbt im Sneaker-Store gegenüber.

Leckeres Eis in Zollstock am Südfriedhof
Kölns beliebte Eisdiele Van der Put in Zollstock

Wer dem Großstadttrubel lieber ein wenig entgehen will, der ist in Sülz, Klettenberg und Zollstock besser aufgehoben. Die benachbarten Stadtteile im Kölner Süd-Westen sind besonders bei jungen Familien beliebt. Mit dem zweithöchsten Anteil an Grünflächen in Köln ist Sülz das perfekte Veedel für Naturliebhaber. Zollstock besticht vor allem mit seiner Dichte an urigen Geschäften. Hier findet man von einer Wollhändlerin, über Juweliere bis hin zu einem Pfeifengeschäft noch originelle Läden, die im Einzelhandel leider nach und nach aussterben. In Sülz bieten sich einem zahlreiche Möglichkeiten einen gesunden Lebensstil zu verfolgen. Hier wimmelt es nur so von Bioläden und Yoga-Studios. Auf den Straßen dominieren Fahrräder und E-Scooter. Die typische Sülzerin spaziert gerne mit Kinderwagen und Hund durch den Beethovenpark und trinkt dabei ihren Latte Macchiato aus einem biologisch abbaubaren ToGo-Becher.

Blick auf den Dom und die Hohenzollernbrücke von der Schäl Sick

Und dann wäre da natürlich noch die „Schäl Sick“. Als Schäl Sick betitelt der linksrheinisch wohnende Kölner die rechte Seite des Rheins abfällig als „die falsche Seite“. Hier befinden sich Veedel wie Deutz, Mülheim, Kalk oder Porz. Dabei trugen die rechtsrheinischen, industriestarken Bezirke, darunter auch Kalk und Mülheim, damals ganz wesentlich zum Wohlstand Kölns bei. Aber der Kölner wäre kein Kölner, wenn er nicht auch diesem Umstand etwas Gutes abgewinnen würde. Und so ist die Bezeichnung der Schäl Sick für die Bewohner der rechten Rheinseite eher ein Ehrentitel. Das Leben im rechtsrheinischen Köln, fernab des Stadtzentrums, gestaltet sich ruhig und gemütlich. Stereotypisch für die Schäl Sick ist die Familie mit drei Kindern, die gerne im Garten spielen, während Mutti das Abendessen für die Familie zubereitet und Vati die Schlagzeilen des Tages vorliest. Am Wochenende machen sie gerne einen Ausflug ins Bergische oder einen Spaziergang durch den Königsforst mit anschließendem Biergartenbesuch.

Kölsches Grundgesetz – Eine Formel zum Glücklichsein

Das Geheimnis für das gelassene Zusammenleben ist in Köln sogar in Form eines kölschen Grundgesetzes verankert. Das inoffizielle Gesetz umfasst elf Artikel und bietet eine Formel zum Glücklichsein. Die ersten drei Artikel „Et es wie et es!“, „Et kütt wie et kütt!“ und „Et hätt noch immer jot jejange!“ stehen grundsätzlich exemplarisch für die rheinländische Gelassenheit und Sorglosigkeit. Die Kölner bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Artikel vier bis sieben, wie zum Beispiel „Wat fott es, es fott!“ oder „Wat wellste maache!“, unterstreichen die Grundeinstellung der Kölner, dass man manchen Dingen einfach seinen Lauf lassen muss und nicht alles steuern kann. Wichtig sind außerdem Artikel zehn und elf: „Drinkste ene met?“ und „Do laachste dich kapott!“ verkörpern die Offenheit und Heiterkeit der Rheinländer in jeder Lebenslage.

Doch wo man die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt am deutlichsten spürt, ist in der Musik. Und so ist es auch keine große Überraschung, dass die Karnevalsband Black Fööss dem Veedel eine eigene Hymne gewidmet hat:

Wat och passeet, dat eine es doch klor. Et Schönste, wat m’r han, schon all die lange Johr, es unser Veedel, denn he hält m’r zosamme ejal, wat och passeet, en uns’rem Veedel.

Lugatti & 9ine: Releaseparty

Wer denkt, die neusten und besten Raptracks kommen nur aus Berlin und Hamburg, hat sich getäuscht. Gut ein Jahr nach ihrem letzten Release „Man kennt sich 2.0“, haben die Kölner Rapper Lugatti und 9ine im Mai ihr neues Projekt „Frisches auf dem Herd“ veröffentlicht.

Albumcover Frisches auf dem Herd

Die neue Platte glänzt mit innovativen Sounds, ohne sich zu sehr an den aktuellen Trends im deutschen Hip-Hop zu orientieren. Joana hat sich das ausverkaufte Releasekonzert im Helios in Köln-Ehrenfeld angeschaut. Sie hat sowohl mit der Crowd als auch mit Lugatti & 9ine  gesprochen. 

Ehrenfeld und die Schokoladenfabrik

Die ehemalige Schokoladenfabrik in Ehrenfeld ist den jüngeren Generationen kaum noch bekannt, gehört aber zu den kulturell wichtigsten Orten des Viertels. Ich habe mich umgesehen und habe dabei einen Anwohner getroffen, der seit seiner Geburt hier wohnt und mir Erinnerungen aus seiner Kindheit erzählen konnte.  Eine Geschichte von Köln, seiner Industriekultur und jeder Menge Schokolade.

Es ist ruhig an diesem Mittag in Ehrenfeld. Etwas abseits von der Venloer Straße, wo sich Autos, Radfahrer und Passanten tummeln, hört man nichts vom Lärm. Auf dem Spielplatz in der Roßstraße tollen Kinder im Sand rum, spielen lachend auf dem Schaukelpferd. Sie laufen begeistert über den Platz, um den herum ein kleiner Park liegt. Vor ihnen erstrecken sich rote Backsteinbauten. Die Vorderseite ist hinter Bäumen versteckt, wer da vorbeiläuft, bemerkt es kaum. Vom Spielplatz aus kann man ein gewaltiges Wandgemälde des Gebäudes bestaunen: eine Abbildung von dem, was hier früher mal war: eine Brauerei und eine Schokoladenfabrik.

Winfrieds Lieblingsbeschäftigung: von der Bank aus den Kindern zuschauen
Auf dem Wandgemälde ist die Fabrik zu sehen, wie sie in früheren Zeiten aussah

Ein paar Meter weiter sitzt ein alter Mann auf einer Bank. Winfried ist 92 und hat sein ganzes Leben in Ehrenfeld verbracht. Er kennt dieses Viertel wie seine Westentasche. Trotz seines hohen Alters ist Winfried noch ziemlich fit im Kopf, ähnlich den jungen Bürschchen, die vor seinen Augen spielen. Ein willkommener Anblick für ihn: „Es macht mir immer Spaß, Kindern beim Spielen zuzuschauen“, sagt er. Zwischendurch schweift sein Blick zu dem großen Backsteingebäude in der Roßstraße 12 hinüber. Hier befindet sich die ehemalige Schokoladenfabrik Ehrenfelds. Der Komplex ist seit Juli 1980 denkmalgeschützt. Dort, wo der Spielplatz heute liegt, befand sich früher der Hinterhof. Immer wieder wurde das Gebäude zu verschiedenen Zwecken genutzt, mal eine Brauerei, mal eine Schokoladenfabrik oder auch ein Atelier für Künstler. Geblieben ist aber die Tatsache: Es ist ein wichtiger Teil der Industriegeschichte Ehrenfelds.

„Nougat war meine Schwachstelle“

Winfried kann sich noch gut an die alten Zeiten erinnern, insbesondere an die Schokoladenfabrik. Schließlich war sie zu seiner Zeit allen Kindern bekannt: „Hier konnten wir unsere Schokolade kaufen. Wir hatten zwar nicht viel, aber ab und zu konnten wir uns welche gönnen“, erzählt er. Was würden die Kinder heute staunen, wenn sie das wüssten: Eine Schokoladenfabrik, mitten im Veedel! Man sieht Winfried an, es sind schöne Erinnerungen. Ursprünglich befand sich an der Roßstraße die Rhenania-Brauerei, 1890 von Jacob Wahlen erbaut. Dessen Sohn Johann wurde ebenfalls zu einem entscheidenden Akteur bei der Industrialisierung des Viertels. Er gab unter anderem das Grundstück des Bahnhofs Ehrenfeld frei. Ende der Zwanziger wurde die Brauerei schließlich von der niederländisch-belgischen Firma Kwatta aufgekauft, es entstand die „Deutsche Kwatta – Kakao- und Schokoladenfabrik“. Diverse Schokoladenarten wurden dort über die Jahrzehnte produziert. „Nougat war meine Schwachstelle“, gibt Winfried spitzbübisch zu.

So hieß sie in früheren Tagen: die Kwatta-Schokoladenfabrik

Von der Fabrik zum Place-to-be für Künstler

1964 schloss dann die Schokoladenfabrik. Ungenutzt blieben die Gebäude nicht: Nur wenige Jahre später begannen Künstler, sich dort niederzulassen. Sie bauten unter anderem ihre Ateliers auf, manchmal wohnten sie dort sogar. „So wie die Berliner ihren Prenzlauer Berg haben, so gab es die Fabrik als Versammlungsort für Künstler“, sagt Winfried. In den 80ern riss man manche Teile des Komplexes ab, sie waren inzwischen nicht mehr brauchbar. Der rote, zweistöckige Putzbau, der das Herz der Fabrik bildete, wurde an eine Eigentümergemeinschaft verkauft;  der sandfarbene Backsteinturm, der sich hoch über das Gebäude erhebt, blieb als Künstlerwerkstatt bestehen.

Der Putzbau und sein Fabrikturm

    

Unterhalb des Spielplatzes befindet sich zudem ein weiterer Teil des Komplexes: ein riesiger Gewölbekeller, über 1.000 Quadratmeter groß. Anders als die Gebäudeteile oberhalb liegt dieser jedoch allein da. Es gab zahlreiche Ideen, ihm einen neuen Zweck zu verleihen, etwa als Ausstellungsraum oder als Tiefgarage. 2003 entschied sich die Stadt Köln, den Keller zu verkaufen. Die Anwohner wehrten sich dagegen, auch weil die Gefahr bestand, dass der anliegende Park dadurch wieder bebaut werden könnte. Auch Winfried war nicht einverstanden: „Ich mag diesen Park sehr, ich will nicht, dass er zerstört wird. Und wo sollen die Kinder spielen?“ Aus dem Projekt wurde letztlich nichts, der Spielplatz blieb bestehen – und der Keller weiterhin leer.

Winfried macht sich nun auf dem Weg zurück nach Hause. Unser Gespräch hat ihn doch etwas ermüdet. „Eine Tasse Tee und ein kleines Nachmittagsschläfchen“, so lautet sein Programm für den Rest des Tages. Morgen wird er wieder auf seiner Parkbank sitzen und mit leicht verträumten Blick auf die Fabrik und die spielenden Kinder schauen. Ein Tag wie alle anderen für ihn – manche Dinge ändern sich eben nicht.

THE GOOD FOOD – Der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung

Jeder Deutsche schmeißt jährlich im Durchschnitt über 50 Kilogramm Lebensmittel weg. Von diesen könnten viele jedoch noch gut verwendet werden. Gegen die Verschwendung von Essen versucht Nicole Kleski anzugehen – mithilfe ihres Ladens THE GOOD FOOD.

Es ist halb neun Uhr morgens, die Wolken haben sich vor die Sonne geschoben, sodass der kölsche Stadtteil Ehrenfeld in ein graues, diesiges Licht getaucht wird. Motorenlärm durchbricht die Stille, als ein silberner Van die Straße runter und anschließend die Auffahrt einer großen Lagerhalle hinauffährt. Aus dem Auto springt Lena, eine junge Frau mit blondem langem Haar, die in ein kurzes Blumenkleid und einen dicken, schwarzen Pullover gehüllt ist. Einzig ihre schwarzen Gummistiefel weisen darauf hin, dass ein Ausflug auf den Bauernhof bevorsteht. Lena arbeitet seit einem halben Jahr ehrenamtlich bei THE GOOD FOOD, einem kleinen Ladenlokal in Ehrenfeld, das ausschließlich gerettete Lebensmittel verkauft. Das bedeutet, dass es nur Lebensmittel zu THE GOOD FOOD schaffen, die in einem herkömmlichen Supermarkt aus ästhetischen Gründen nicht verkauft werden können oder die bereits abgelaufen sind. Die Gründerin des Ladens, Nicole Kleski, kämpft so gegen die Lebensmittelverschwendung in Deutschland an.

Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr in Deutschland im Müll. Die Verluste in der Landwirtschaft sind dort noch nicht mit einberechnet. „Ich habe mich sehr darüber geärgert, wie viele gute Lebensmittel wir wegschmeißen und auch wie viele wertvolle Ressourcen wir damit verschwenden“, erzählt Nicole. So sei sie auch auf die Idee gekommen, bei der Lebensmittelrettung nicht erst im Laden anzufangen, wie die Organisation „Foodsharing“, sondern der Verschwendung gleich in der Landwirtschaft und direkt bei den Herstellern entgegen zu wirken. Seit über zwei Jahren verkauft THE GOOD FOOD diese geretteten Lebensmittel in dem kleinen Laden auf der Venloer Straße nach dem „Zahl, was es dir wert ist“-Prinzip. Kunden können mitnehmen, so viel sie wollen und dafür die Summe zahlen, die ihnen diese Lebensmittel wert sind. Die Einnahmen des Geschäfts reichen für die Bezahlung der Miete von Laden, Van und Lagerhalle sowie für eine Aufwandsentschädigung einiger fester Mitarbeiter, wie auch Nicole.

Die Gründerin von THE GOOD FOOD Nicole Kleski

„Es gab Tage, da habe ich mich nur von Radieschen ernährt“

Lena und zwei weitere ehrenamtliche Helferinnen bauen die Rücksitze aus dem Van aus, den sich das Ladenlokal jeden Dienstag von der Sporthochschule Köln leiht. So bleibt mehr Platz in dem Auto für ungewolltes Gemüse und abgelaufene Lebensmittel, die sie im Laufe des Tages für THE GOOD FOOD einsammeln werden. Kokosnusswasser, Bio-Apfelschorle und kalte Kaffee-Getränke werden in der Seitenkonsole verstaut, um Erfrischungen zwischendurch zu garantieren. Zu Essen nehmen sie jedoch außer einer Tafel Bio-Schokolade nichts mit. Denn über den Tag hinweg sind die Ehrenamtlichen von frischem Obst und Gemüse umgeben, da wird auch gerne nebenher ein wenig probiert. „Es gab Tage, da habe ich mich nur von Radieschen ernährt“, lacht Lena und nimmt auf dem Fahrersitz Platz. Das Navi wird eingestellt, die Hip-Hop-Musik aufgedreht und schon beginnt die Tour.

Nach einer knappen Stunde Fahrt erreichen die Lebensmittelretter den ersten von vier Stopps, den Lammertzhof in der Nähe von Neuss. Dort empfängt Bauer Heiner Hannen die jungen Frauen mit einem verschmitzten Lächeln wie alte Freunde. Schließlich sind die Ehrenamtlichen von THE GOOD FOOD mindestens einmal die Woche auf dem Hof. Er erklärt ihnen genau, welche Gemüsesorten sie einsammeln, pflücken und sortieren dürfen und schon kann die Arbeit losgehen. Die Wolken haben sich verzogen und inzwischen strahlt die Sonne freundlich vom blauen Himmel. Ein Hahn kräht in der Nähe und die Vögel zwitschern – auf dem Bauernhof herrscht eine Atmosphäre, wie sie im Bilderbuche steht. Über vier Stunden lang werden ein Dutzend Kisten voller knubbeliger, zu klein geratener Kartoffeln sortiert, Spinat gepflückt und Rote Beete geerntet, denn diese Lebensmittel kann Bauer Hannen aufgrund von Form, Größe oder Konsistenz nicht verkaufen. Mit einer Kiste und einem kleinen Messer bewaffnet macht sich die ehrenamtliche Helferin Lena auf dem Feld an die Arbeit und zieht jede übrig gebliebene Rote-Beete-Pflanze einzeln aus dem Boden. „Heute Abend gibt es Rote-Beete-Salat, den liebe ich“, freut sie sich. Denn als Entlohnung für ihre Arbeit dürfen die Helferinnen von THE GOOD FOOD sich am Ende des Tages aus dem Laden mitnehmen, was sie wollen.

THE GOOD FOOD – erster Laden seiner Art

Grundsätzlich werden bei THE GOOD FOOD Gemüse und Obst, Backwaren vom Vortag und MHD-Ware verkauft, also Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, aber trotzdem noch genießbar sind. „Oft passiert es auch, dass das Produkt noch eine Restlaufzeit hat, diese dem Supermarkt jedoch nicht reicht, da dieser sie auch noch verkaufen muss. Dann nimmt der Supermarkt das schon nicht mehr ab. Oder das Design wird geändert. Dann wird das alte Design aussortiert und die Lebensmittel würden ebenfalls weggeworfen werden“, erzählt Gründerin Nicole kopfschüttelnd, „das ist der totale Wahnsinn für mich!“ Bisher ist THE GOOD FOOD der erste Laden in Deutschland, der Lebensmittel nach dem „Zahl, was es dir wert ist“-Prinzip verkauft. In Münster und Berlin gibt es jedoch schon Nacheiferer, die es sich mit einem eigenen Laden zur Aufgabe gemacht haben, gute Lebensmittel vor der Mülltonne zu bewahren.

Der zweite Stopp auf der Lebensmittelretter-Odyssee ist der Frischemarkt in Meerbusch „Marktliebe“. Dort angekommen fährt wie durch magische Hand das Gate am Hintereingang des Ladens hoch und über zehn Kisten voller MHD-Waren werden für die THE GOOD FOODHelferinnen bereitgestellt. Aus diesen wählen die jungen Frauen aus, was sie mitnehmen wollen, aussortiert wird lediglich Obst und Gemüse, das eindeutig kaputt ist. Von Sushi über Joghurt, Erdbeeren, vegetarischem Schnitzel, Lachs, Garnelen und Maracuja ist fast alles mit dabei. „Durch THE GOOD FOOD wurde ich bezüglich Nahrung sensibilisiert, besonders für die Verschwendung, weil ich auch einfach sehe, wie damit gearbeitet wird. Auch wie viel ohne Grund bei Großhändlern verschwendet und weggeworfen wird“, erzählt Lena, während sie die vollen Kisten in den Van lädt. Sie ist fast jeden Dienstag bei den aushäusigen Touren dabei, wenn sie von ihrer Arbeit das OK dafür bekommt. „Diese Tagestouren sind eine richtige Herzensangelegenheit für mich geworden; eine Möglichkeit zu haben, etwas zu tun! Das ist meine Motivation!“

Kunden so unterschiedlich wie die Produkte selbst

Nicht nur die Käufer von THE GOOD FOOD profitieren von der Rettung der Lebensmittel, auch der Supermarkt und die Produzenten haben etwas davon. Diese können sich Entsorgungskosten sparen und erhalten nebenbei ein gutes Image, mit dem sie werben können. Nicole ist sich sicher, dass sie den Laden zur richtigen Zeit eröffnet hat. Sie hat das Gefühl, dass ihr Team dazu beigetragen hat, dass Lebensmittelverschwendung so ein großes Thema geworden ist. „Ich denke, dass sich viel verändert hat und dass der Bekanntheitsgrad der Lebensmittelverschwendung und damit einhergehend auch das Thema Nachhaltigkeit an Zulauf gewonnen hat. Ich hoffe auch, dass das nicht nur ein Trend ist“, äußert Nicole. Dennoch ist ihr bewusst, dass sie sich in einer kleinen Blase befindet. An Fachhochschulen, an denen sie manchmal Vorträge hält, gibt es Leute, die von dem ganzen Thema noch nie etwas gehört haben. „Und natürlich gibt es auch Menschen, bei denen ich denke, vielleicht bist du gerade hier im Laden, weil du das auf Instagram gesehen hast und es gerade irgendwie cool ist. Aber das freut mich natürlich auch, dass wir nicht in dieser Ökotanten-Nische hängen, sondern dass wir auch Menschen erreichen, die das als hip empfinden“, erzählt Nicole. Dementsprechend sind auch die Kunden im Laden so unterschiedlich und vielfältig wie die Produkte, die THE GOOD FOOD verkauft.

„Das ist so eine Art Meditation“

Nach weiteren 40 Minuten Fahrt erreichen die Lebensmittelretterinnen den Fliestedener Obsthof, einen kleinen Obstladen in Bergheim. Der Obstladen stellt für THE GOOD FOOD regelmäßig noch gut erhaltene, große Säcke frischer Äpfel bereit. Diese könnten noch verkauft werden, der Obsthof bietet sie den Ehrenamtlichen also als Spende an. Hier wird nur ein kurzer Zwischenstopp eingelegt, die Säcke werden schnell im Van verstaut und schon wird der letzte Halt angesteuert. Als die jungen Frauen bei dem Landwirtschaftsbetrieb Gemüsekoop ankommen, ist es bereits nach 17 Uhr. Da THE GOOD FOOD um 19 Uhr schließt, muss hier unter etwas Zeitdruck zu klein geratener Kohlrabi geerntet werden. Mit der Hilfe von kleinen Küchenmessern trennen Lena und ihre beiden Helferinnen Kohlrabi-Pflanzen aus dem von der Sonne gehärteten Boden, die der Bauer von Gemüsekoop nicht verkaufen kann. Es ist eine mühselige Arbeit, doch Lena gefällt sie: „Du bist dann auch einfach total mit dir selbst, total im Stillen, das ist so eine Art Meditation. Außerdem habe ich so den direkten Bezug zu den Lebensmitteln, ich habe den Bezug zu den Bauern, da ist jetzt ein Gesicht dahinter.“

Wieder in der Stadt angekommen werden die geretteten Lebensmittel sofort in den Laden gebracht. Die Ehrenamtlichen bilden eine Kette vom Van bis zu THE GOOD FOOD und sogar Kunden packen beim Tragen der Kisten mit an. So wird im Handumdrehen ein ganzer Tag Arbeit in den Regalen des Ladens verstaut. Und dies scheint sich schnell herumzusprechen. Denn pünktlich kurz vor Ladenschluss ist THE GOOD FOOD gefüllt mit glücklichen Kunden, die sich durch die geretteten Lebensmittel wühlen und dafür zahlen, was es ihnen wert ist. Mit von der Sonne verbranntem Nacken, Dreck unter den Fingernägeln und erschöpft vom vielen Tragen machen sich Lena und ihre Mitstreiter wieder auf den Weg zum Lager. Der Van muss schließlich auch wieder nach Junkersdorf zurückgefahren werden. Die Mädchen sind kaputt, aber glücklich. Lena nimmt wieder auf dem Fahrersitz Platz, kratzt den Dreck unter ihren Fingernägeln hervor und seufzt zufrieden: „Ich glaube, man kann nicht mehr mit seinem Tag anfangen, als mit so einem Gesamtpaket wie dieser Tour!“

Die Öffnungszeiten von THE GOOD FOOD findet ihr hier.

Mehr Café als Kiosk – Köski Royal

Braunsfeld gilt nicht gerade als der hipste Stadtteil Kölns. Seit 1. Mai 2018 ist allerdings ein bisschen Hipstertum in den Kölner Westen eingezogen. Das Köski Royal in der Kitschburger Straße  ist ein Büdchen, dass irgendwie doch keines ist. Zeitungen, Schnaps oder Kölsch sucht man hier vergeblich. 

Wir haben mit der Inhaberin Charlotte Mieß Paulssen gesprochen. Sie erzählt uns, was ihr Büdchen und Braunsfeld so besonders macht. 

Wohnungssuche in Köln – von Glück bis Zufall

Ehrenfeld, Sülz oder das Belgische Viertel – in Köln gibt es wirklich schöne Wohngegenden. Aber genau diese Veedel sind extrem beliebt und deshalb auf dem Wohnungsmarkt oft gefragt.

Wir haben uns mal bei den Kölnern umgehört, wie sie an ihre Wohnung gekommen sind und wie die  Wohnungssuche erleichtert werden könnte.